EuGH urteilt zu Löschpflichten bei Beleidigungen

Foto: epa/Julien Warnand
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LUXEMBURG (dpa) - Können Nutzer, die Ziel von Beleidigungen im Netz wurden, von einem Online-Dienst verlangen, auch wortgleiche Kommentare zu löschen? Ein wegweisendes Urteil könnte die Rechte der Betroffenen stärken

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheidet am Donnerstag, ob ein Online-Dienst wie Facebook gezwungen werden kann, bei einer rechtswidrigen Beleidigung nach weiteren wortgleichen oder ähnlichen Äußerungen zu suchen. Auch geht es um die Frage, ob eine weltweite Löschung solcher Informationen verlangt werden kann. Ziel ist es, Äußerungen, die als rechtswidrig eingestuft wurden, auch möglichst vollständig aus dem Netz zu entfernen, also zum Beispiel einen von anderen Nutzern weiterverbreiteten Facebook-Post.

Der zuständige EuGH-Generalanwalt schlug in seinem Gutachten im Juni ein unterschiedliches Vorgehen bei wortgleichen und sinngleichen Kommentaren vor. Aus seiner Sicht können die Online-Dienste von einem Gericht verpflichtet werden, sämtliche Beiträge ihrer Nutzer nach wortgleichen Wiederholungen zu durchforsten. Dies sei relativ einfach und damit zumutbar. Die viel aufwendigere und damit teurere Suche nach sinngleichen Äußerungen solle hingegen auf die Beiträge des Nutzers beschränkt bleiben, der die ursprüngliche rechtswidrige Information verbreitet hatte. Über den Zwang zum Löschen müsse ein nationales Gericht entscheiden.

Der Fall wurde vor Jahren von der ehemaligen österreichischen Grünen-Politikerin Eva Glawischnig-Piesczek ins Rollen gebracht, die nach einer Unterlassungsverfügung auch eine Löschung wortgleicher und sinngleicher Beleidigungen forderte. Der Oberste Gerichtshof Österreichs bat den EuGH zu prüfen, ob das mit der EU-Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr vereinbar wäre.

Die Richtlinie besagt, dass sogenannte Host-Provider wie etwa Betreiber eines Online-Netzwerks nicht für von den Nutzern veröffentlichte Informationen verantwortlich sind - bis sie auf deren Rechtswidrigkeit hingewiesen werden. Zugleich kann ein Host-Provider gemäß der Richtlinie nicht generell verpflichtet werden, bei ihm gespeicherte Informationen zu überwachen oder aktiv nach rechtswidrigem Vorgehen zu suchen.

EuGH-Generalanwalt Maciej Szpunar ist der Ansicht, der von ihm vorgeschlagene Ansatz gewährleiste ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den betroffenen Grundrechten zum Schutz der Privatsphäre, der unternehmerischen Freiheit und der Meinungsfreiheit. Ein Online-Dienst brauche keine hochentwickelten technischen Mittel, um wortgleiche Informationen ausfindig zu machen. Wenn man die Host-Provider hingegen verpflichten würde, auch nach sinngleichen Kommentaren zu suchen, würde das kostspielige Lösungen erfordern und die Gefahr von Zensur mit sich bringen, argumentierte er.

Wenn hingegen ein Online-Dienst direkt auf einen konkreten sinngleichen Kommentar hingewiesen werde, könne er durchaus verpflichtet werden, auch diesen zu löschen, ergänzte der Generalanwalt.

Szpunar sieht zugleich keine Hindernisse, eine weltweite Entfernung von Informationen zu verlangen - da die Richtlinie die räumliche Reichweite von Löschpflichten nicht regele. Facebook kritisierte in einer Reaktion auf das Gutachten, es untergrabe den Grundsatz, dass ein Land nicht das Recht habe, die Meinungsfreiheit in anderen Ländern einzuschränken. Entscheidungen nationaler Gerichte dürften nur in den Landesgrenzen gelten.

Die Einschätzung des Generalanwalts ist für die EuGH-Richter nicht bindend, häufig folgen sie ihr aber.

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