EU will Beziehung zur Türkei beleben

​EU-Gipfel für Änderung der europäischen Wirtschaftspolitik

Der Autor des hochrangigen Berichts über die Zukunft des Binnenmarktes, Enrico Letta (l), und der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, sprechen mit den Medien, bei ihrer Ankunft zum EU-Gipfel in Brüssel. Foto: Harry Nakos/Ap/dpa
Der Autor des hochrangigen Berichts über die Zukunft des Binnenmarktes, Enrico Letta (l), und der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, sprechen mit den Medien, bei ihrer Ankunft zum EU-Gipfel in Brüssel. Foto: Harry Nakos/Ap/dpa

BRÜSSEL: Die Beziehungen zwischen Brüssel und Ankara sind seit Jahren kompliziert. Nun möchte die EU wieder engere Bande - es gibt aber noch einige Hürden.

Nach jahrelangem Stillstand möchte die EU die Beziehungen zur Türkei wieder aufleben lassen. Die Europäische Union habe ein strategisches Interesse an einem stabilen Umfeld im östlichen Mittelmeer und einer für beide Seiten vorteilhaften Beziehung, heißt es in einer in der Nacht zu Donnerstag in Brüssel verabschiedeten Erklärung der Staats- und Regierungschefs. Entscheidend sei aber, inwiefern sich Ankara konstruktiv beteilige.

Konkret soll mit Vorschlägen der EU-Kommission gearbeitet werden. Diese hatte sich zuletzt zum Beispiel dafür ausgesprochen, in Erwägung zu ziehen, die Gespräche über die Modernisierung der Zollunion zwischen der EU und der Türkei wieder aufzunehmen. Zuvor waren dieses Projekt, eine geplante Visaliberalisierung und EU-Beitrittsgespräche wegen Rückschritten bei der Rechtsstaatlichkeit in der Türkei auf Eis gelegt worden. Die EU-Kommission betonte zuletzt auch, dass die vergleichsweise unkritische türkische Haltung zur islamistischen Hamas im Widerspruch zur Position der EU stehe. Diese stuft die Hamas als Terrororganisation ein.

Zypern setzte bei den Verhandlungen durch, dass auch sein Konflikt mit der Türkei thematisiert wurde. Die Insel ist seit 1974 nach einem griechischen Putsch und einer türkischen Militärintervention de facto zweigeteilt. Im Norden gibt es die nur von der Türkei anerkannte Türkische Republik Nordzypern. Dort sind Tausende türkische Soldaten stationiert. Die Regierung der EU-Inselrepublik in Nikosia kontrolliert den Süden der Insel. Ganz Zypern ist seit 2004 Mitglied der EU. Das EU-Recht gilt jedoch - solange es keine Wiedervereinigung gibt - nur im Süden der Insel.

Man setze sich weiterhin für eine umfassende Lösung ein, die im Einklang mit früheren UN-Resolutionen und den Grundsätzen der EU stehe, heißt es in der gemeinsamen Erklärung. Die Europäische Union sei bereit, eine aktive Rolle zu spielen.

Das türkische Außenministerium kritisierte, dass die Zypern-Frage Teil der Verhandlungen werden soll. Die vielschichtigen Beziehungen zwischen der Türkei und der EU würden darauf reduziert, hieß es in einer Erklärung. «Wir werden niemals akzeptieren, dass der Fortschritt in den Türkei-EU-Beziehungen mit dem Zypern-Problem verknüpft wird.» Die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei sind seit Jahren schwer belastet, der Beitrittsprozess liegt auf Eis.

EU-Gipfel für Änderung der europäischen Wirtschaftspolitik

Konkurrenz aus dem Osten und Westen bereitet der europäischen Wirtschaft Kopfschmerzen. Das ist auch auf höchster EU-Ebene angekommen - jetzt wird über Abhilfe diskutiert.

Die EU-Wirtschaftspolitik sollte sich nach Ansicht der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten ändern. In einer am Donnerstag in Brüssel beschlossenen Gipfelerklärung heißt es, angesichts geopolitischer Spannungen und Maßnahmen internationaler Konkurrenten, insbesondere im Bereich von Subventionen brauche es einen Wandel. Die EU sieht sich zunehmender Konkurrenz vor allem aus den USA und China ausgesetzt. Viele befürchten, dass europäische Unternehmen den Anschluss verlieren könnten.

Die USA haben mit ihrem Gesetz zur Verringerung der Inflation (IRA) beispielsweise ein milliardenschweres Subventionsprogramm aufgelegt. Die Geldspritzen und Steuergutschriften sind daran geknüpft, dass Unternehmen US-Produkte verwenden oder in den USA produzieren. In der EU wird das als diskriminierend wahrgenommen. Es steht die Befürchtung im Raum, dass Unternehmen aus der EU in die USA abwandern, um von den Subventionen zu profitieren.

Im Zwist mit China geht es unter anderem darum, dass Peking aus EU-Sicht mit Subventionen etwa den Markt für E-Autos verzerrt. «Der Preis dieser Autos wird durch riesige staatliche Subventionen künstlich gedrückt», sagte jüngst Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die Kommission hat deswegen eine Untersuchung gestartet, die beispielsweise zu Strafzöllen führen könnte.

Auf dem Gipfel diskutierten die Staats- und Regierungschefs unter anderem darüber, wie die EU-Wirtschaft wettbewerbsfähiger werden kann. Grundlage ist ein Bericht des ehemaligen italienischen Regierungschefs Enrico Letta. Darin plädiert er unter dafür, dass es strengere Regeln für staatliche Beihilfen auf nationaler Ebene, aber mehr Staatsgelder für Unternehmen auf EU-Ebene geben sollte. «Konkret könnten wir uns einen Beitragsmechanismus für staatliche Beihilfen vorstellen, der die Mitgliedstaaten verpflichtet, einen Teil ihrer nationalen Mittel für die Finanzierung europaweiter Initiativen und Investitionen bereitzustellen.»

In der Gipfelerklärung begrüßen die Staats- und Regierungschefs die Debatte mit Letta zu seinen Empfehlungen. Sie schreiben zudem, dass die Arbeit an den darin enthaltenen Empfehlungen bis Ende des Jahres vorangebracht werden soll. Zudem fordern Bundeskanzler Olaf Scholz und seine Kollegen die Kommission auf, den bürokratischen Aufwand für Unternehmen und nationale Behörden erheblich zu verringern.

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