Hongkong 25 Jahre nach der Rückgabe an China

​«Es geht bergab» 

Die Vorbereitungen für den 25. Jahrestag der Gründung der Sonderverwaltungszone Hongkong. Foto: epa/Jerome Favre
Die Vorbereitungen für den 25. Jahrestag der Gründung der Sonderverwaltungszone Hongkong. Foto: epa/Jerome Favre

HONGKONG/LONDON: Die Behörden der einstigen britischen Kronkolonie haben die Demokratie-Bewegung so gut wie ausgelöscht. Für viele Hongkonger ist das Jubiläum an diesem Freitag kein Tag zum Feiern.

Eigentlich müssten sich an diesem Freitag im Hongkonger Victoria Park die Demonstranten versammeln. Für die Demokratie-Bewegung war es lange eine Tradition, am 1. Juli, dem Jahrestag der Rückgabe der ehemaligen britischen Kronkolonie an China, von dort zu einem Marsch durch die Stadt aufzubrechen. Zehntausende, manchmal auch Hunderttausende schlossen sich an.

Doch in diesem Jahr, wenn Hongkong den 25. Jahrestag der Rückgabe begeht, wird es solche Bilder mit Sicherheit nicht geben. Der Victoria Park ist stattdessen fest in der Hand der Regierung, die ihn für die Feierlichkeiten hergerichtet hat. «Eine Neue Ära», ist auf Plakaten zu lesen, die das Jubiläum bewerben.

Mit der Einführung eines strengen Sicherheitsgesetzes hat Peking vor zwei Jahren jeglichen Widerstand in der Finanzmetropole erstickt. Aktivisten werden verfolgt. Ihre einstigen Anführer sitzen, wie etwa der 25-Jährige Joshua Wong, im Gefängnis. Oder sie haben sich ins Exil geflüchtet. Auch die Civil Human Rights Front, die Organisation hinter den jährlichen Protest-Märschen, hat sich auf Druck der Behörden aufgelöst.

«Ein Land, zwei Systeme», so lautete die Formel, unter der Hongkong eigentlich seit dem 1. Juni 1997 regiert werden sollte. Auch bekamen die sieben Millionen Hongkonger seinerzeit die Zusage, bis 2047 ein «hohes Maß an Autonomie» und viele politische Freiheiten genießen zu können. Seit dem Erlass des umstrittenen Sicherheitsgesetzes reden viele aber nur noch von «Ein Land, ein System», weil Hongkong damit China immer ähnlicher werde.

«Seit Einführung des Sicherheitsgesetzes kam ein Schlag nach dem anderen», sagt Katja Drinhausen vom China-Institut Merics in Berlin. Verhaftungen von Aktivisten und Oppositionspolitikern, Wahlrechts- und Bildungsreformen und die Auflösung von liberalen Medien und zivilgesellschaftlichen Organisationen seien nur die wichtigsten Beispiele.

Der letzte britische Gouverneur von Hongkong, Chris Patten, zeigt sich frustriert über die Entwicklung. Verantwortlich macht er vor allem Chinas Präsident Xi Jinping, der seit 2012 an der Spitze des Landes steht. Der Staatschef wird zu den Feierlichkeiten in Hongkong erwartet. Dort soll er auch John Lee, den Nachfolger der bisherigen Regierungschefin Carrie Lam, vereidigen.

«Ich denke, man kann sagen, dass zehn Jahre lang oder ein bisschen länger nach 1997 nicht wahnsinnig viel schief ging. Aber seitdem geht es bergab, weil Xi Jinping und seine Kollegen sich davor fürchten, was Hongkong repräsentiert», sagt Patten, der von 1992 bis 1997 an der Spitze der Verwaltung in der Ex-Kolonie stand, bei der Vorstellung seines neu erschienenen Hongkong-Tagebuchs in London. Die Stadt stehe für Rechtsstaatlichkeit, Bürger- und Menschenrechte, gegen deren Aushöhlung durch den Staat sich die Menschen in Hongkong bei Protesten leidenschaftlich einsetzten, erläutert er. Hoffnung auf Besserung hat er kaum. «Ich kann nur meine tiefe Traurigkeit zum Ausdruck bringen über das, was geschieht», sagt der Brite.

Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Hong Kong Watch haben bereits mehr als 120.000 Menschen aus Hongkong Visa im Rahmen einer erleichterten Einreiseregelung für Großbritannien beantragt. Anspruch darauf haben schätzungsweise 5,4 Millionen Menschen, die vor 1997 in der früheren Kronkolonie geboren wurden. London führte die Regelung 2021 als Reaktion auf den Erlass des umstrittenen Sicherheitsgesetzes ein.

«Wir sind ziemlich pessimistisch, was die Zukunft Hongkongs derzeit angeht», sagt auch Sam Goodman, Policy and Advisory Director bei Hong Kong Watch im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Das einzig Positive sei, dass die wachsende Diaspora aus der Demokratiebewegung Hongkongs zu einem Umdenken westlicher Politiker in ihrem Umgang mit China führe. In Großbritannien sieht Goodman schon eine sehr viel skeptischere Haltung gegenüber Peking als noch vor einigen Jahren.

Deutschland könne eine noch größere Rolle spielen, wenn es darum gehe, sich für politische Gefangene in Hongkong einzusetzen oder auch Menschen von dort Asyl zu bieten. «China respektiert Deutschland, China kümmert sich darum, was Deutschland denkt», sagt Goodman. Doch bislang hinkten Deutschland und Europa hinter der angelsächsischen Welt hinterher, wenn es darum gehe, die Gefahr zu sehen, die von Peking ausgehe. Die Abhängigkeit Deutschlands vom chinesischen Markt vergleicht er mit der inzwischen bitter bereuten Abhängigkeit von russischem Gas und Öl.

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