Dieses Licht in Südfrankreich

Ein Pattayaner auf Sommerreise in Europa, Teil 3, Zürich - Südfrankreich

TGV: Man hebt einfach ab beim Fahren.
TGV: Man hebt einfach ab beim Fahren.

Nach 16 Jahren Pattaya oder Thailand habe ich momentan etwas genug von Land und Leuten. Der Dauerregen, der Putsch, die wirtschaftliche und politische Unsicherheit, mühselige Visa-Regeln, Langeweile, die Unsicherheit auf dem Immobilienmarkt, die Hitze, der hohe Bahtkurs, alles das sind Faktoren, die meine Stimmung verhageln. Also beschliesse ich, Pattaya für zwei bis drei Monate den Rücken zu kehren und auf einer grossen Sommerreise durch Europa aufzutanken.

Diese Wohlgeordnetheit in der Schweiz. Überall erklären Schilder alles, man kommt sich ganz hilflos, ausgeliefert vor. "Anstösser gestattet" wird einem etwa beschieden, die dürfen da diese kleine Strasse in Dietlikon durchfahren, während der Rest der Welt draussen bleiben muss. Anstösser erregen offenbar keinen Anstoss. Irgendein Baucontainer ist von: "Dübendorfer, Bassersdorf". Wann ist denn der Dübendorfer nach Bassersdorf gezogen? Und wer hat ihm dazu die Bewilligung gegeben, in letzter Instanz? Hätte der Name nicht angepasst werden sollen, weil die Menschheit sonst nur verwirrt wird? Kann die Stadt Dübendorf den Dübendorfer (nun ja so offensichtlich in Bassersdorf) womöglich wegen Etikettenschwindel einklagen und Millionen herausschinden?

Falls mein Freund Walter, der Workaholic, nicht gerade arbeitet, klassische Musik hört, Bücher liest (ja, die können hier noch lesen, spielen nur sehr selten Computergames) oder im anrüchigen Carrousel zu Zürich verkehrt, dann ist er ein fanatischer Velofahrer und fährt sein schmuckes Rennvelo überall in der Schweiz und Europa herum. Er ist velosüchtig, was eine sehr gute europäische Sucht ist. Aber – oh je – die haben verlässliche Wettervorhersagen in der Schweiz. Wie anders in Thailand, wo es am Jomtien Strand wie aus Giesskannen regnen kann, während in Castelgandolfo, meiner Sommerresidenz, nur leicht ausserhalb von Pattaya, die Sonne rasend und pausenlos herunter brennt. Die Wettervorhersage war also wieder einmal zutreffend gewesen, es hagelte an diesem Tag Katzen, sprich, es regnete unaufhörlich und Walter konnte nicht Fahrradfahren, weil in der Schweiz der Regen kalt ist und man sich bald den Arsch abfriert.

In Südfrankreich gibt es Weintankstellen.
In Südfrankreich gibt es Weintankstellen.

Er schlug also einen Ausflug in seinem schönen, alten Mercedes-Cabriolet (wir konnten das Dach an diesem Tag keinen Moment öffnen) nach Luzern und Brunnen vor. Nach Brunnen wollten wir ins Hotel Bellevue zum Abendessen, wir kennen den Besitzer Werni vom Strand in Pattaya, er hat nicht weit davon, im Grand Condotel, ein schönes Haus. Werni ist ein Beispiel dafür, dass man auch am Jomtien interessante Leute kennen lernen kann, Professor Wolf in Kyoto ist ein anderes solches Beispiel.

Man geht wegen der stupenden Schönheit der Stadt, die auch noch im strömenden Regen wahrzunehmen ist, immer wieder gerne nach Luzern. Man geht zu Fuss in Luzern herum und staunt Bauklötze. Dann besucht man vielleicht die Jesuitenkirche, zündet zur Sicherheit eine Kerze an, für den unwahrscheinlichen Fall, dass ER halt doch existiert. Eine Art von Tamboon, sprich Rückversicherung. Weiterhüpfen durch die schmucke Altstadt, dann über die schöne Kappelerbrücke – das ist eine etwas eindrücklichere Brücke als die einzige, die wir in Pattaya vorzuweisen haben und die über die Thappraya Road zum Hafen führt. Und dann muss man natürlich auch das KKL bewundern, ein Paradebeispiel dafür, wie gute moderne Architektur im Kontext einer Altstadt wirkt, wie beide sich gegenseitig ergänzen und befruchten.

Beim Verlassen des Untergrundparkhauses bemerkte ich, dass sie hier im Eingangsbereich gut beleuchtete Frauenparkplätze haben. Offenbar leben die Frauen hier in permanenter Angst, vergewaltigt zu werden, ein wenig absurd in der Wahrnehmung eines Besuchers aus Pattaya. Etwa eine halbe Stunde später kommen wir beim Hotel Bellevue in Brunnen an. Während Walter sein Auto ordentlich parkiert, bemerke ich eine sehr dicke Frau, die ins Hotel Bellevue geht. Es ist Nella Martinetti, eine bekannte Schauspielerin und Sängerin, eine Ulknudel, deren Bild früher jeden zweiten Tag in der Ringier-Presse gezeigt wurde, bis dann Fertig-Luschtig war. Man kennt hier in der Schweiz die Stars und Sternchen, nicht wie in Thailand, wo nur die Thais ihre Promis kennen. "Wenn die Gäste hier so dick sind, dann muss das Essen wohl gut sein", denke ich, und das Essen ist auch wirklich gut. Wir hatten wunderbaren Fisch aus dem Vierwaldstädter See und eine Flasche guten Schweizer Weisswein. Nach dem Essen gesellt sich Werner zu uns für einen Schwatz, später kommt noch sein Thai-Freund, Kim, dazu, der eben andere Thais in Rotkreuz besucht hat. Kim fragt, wie es Khun Amorn, meinem Freund, in Pattaya gehe und ich sage, gut. Doch jetzt brauchen wir Tapetenwechsel.

Die drei Schrullen, mit denen ich nach Südfrankreich fahre, haben mir einen Frucht-Auftrag erteilt, ich soll Früchte mitbringen für die Autofahrt. "Ein paar Bananen, vielleicht?" sagt Eva, doch da gerät sie bei mir an den Falschen. Ausgerechnet Bananen, Bananen verlangt sie von mir! Sicher nicht eine so langweilige Frucht mit einem (in Thailand) so niederen Sozialstatus. Sind wir denn hier etwa Affen? Ich kaufe natürlich Exoten, also Aprikosen, Himbeeren und Kirschen. Sensationell gut. Die Fahrt nach Südfrankreich ist ereignislos, obwohl Rolf, der fährt, die ganze Nacht kein Auge zugetan hat vor Nervosität. Was könnte auf so einer Fahrt in Richtung Avignon nicht alles passieren! Die Angst vor der Angst. Wie gesagt, es passiert gar nichts.

In Frankreich haben sie noch Stehscheissen.
In Frankreich haben sie noch Stehscheissen.

Faule Tage in Südfrankreich. Viel Kochen, Essen, Weintrinken, Lesen. Vorsicht: Den Pastis als Apero ja nicht vergessen. Oder am späteren Morgen – man ist ja nicht pressiert - einen Cafe au lait bei der Kirche in Isle sur la sorgue nehmen, malerisch hier. Lauter sehenswerte Käffer mit schönen Plätzen und unzähligen alten Platanen, nicht so unwirtlich wie in Thailands Städten und Städtchen. Wenn nur dieser Deutsche es unterlassen würde ,hier auf diesem tollen Platz Chansons von Georges Brassens zur Gitarre zu plärren: Als ich ihm 10 Baht in die Mütze werfe, die er natürlich für zwei Euro hält, bedankt er sich noch schmierig. Ein Aas. Und das Licht, diese Klarheit, das musste ja all diese Maler anziehen. Dieses Licht, dieses südfranzösische Licht, mon dieu! Lavendel. Ein Zapfenzieher-Museum. In der Wein-Cooperative kann man sich den Wein wie an einer Tankstelle in die mitgebrachten Tanks füllen. Die zahllosen Kirschenbäume explodieren fast vor Fruchtbarkeit. Die Oliven sind noch klitzeklein, aber die werden schon noch. Die treffliche Ruth von Blarer schafft tonnenweise wilde Rucola an. Alle meine Gschpänli sind Journalistinnen, mit einer Ausnahme, bereits ausrangiert. Sie sind alle so korrekt. Da muss ich ja wohl provozieren und schwafle vom "Dienenden, das der Frau nun mal inhärent und angeboren ist". Aber sie fallen schon lange nicht mehr auf die Listen und faulen Tricks des altgedienten Pattayaners herein, sie nehmen mich nicht mehr ernst und keine reicht Pantoffeln.

Genug ist genug. Ich will noch meinen Freund Peter Sidler in Cotignac besuchen, ein eben ausrangierter NZZ-Journalist, mit dem ich in Südostasien viel herumgereist bin. Meine allererste Fahrt im sagenhaften TGV von Avignon nach Draguignon. Das ist eine hochkultivierte Fortbewegungsart. Man muss seinen Platz fest reserviert haben, Wagen 5, Platz 63. Auf einem Bildschirm erfährt man, in welchem Sektor dieser Wagen halten wird. Das Gepäck, so die Durchsage, muss mit Namen und Vornamen angeschrieben sein, obligatorisch. Viele chinesische Touristen hier. Und dann beschleunigt dieser TGV, man hebt gewissermassen ab vom Boden, schwebt. Viele haben Laptops mit dabei, carpe diem. Auf meinem MP3 Player höre ich: "Summertime, when the living is easy." Ernsthaft: Wie sollte man da Pattaya vermissen? Bald werden wir von Cotignac nach Paris weiter düsen.

Wer an den schwulen Aspekten dieser Europäischen Reise interessiert ist, wende sich an: www.stickyrice.ws. Dort ist ein täglicher Blog auf Englisch und Deutsch von dieser Reise aufgeschaltet. Hier beim FARANG (dem Familienblatt) pflegen wir die deutschsprachigen (und allgemeinen) Aspekte.

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Leserkommentare

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