Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins

Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins

Klar, der Titel des Romans von Milan Kundera ist allgemein bekannt, aber es ist schon eine kleine Ewigkeit her, als ich dieses Buch gelesen habe. Doch kürzlich erst las ich das wundervolle philosophische Gedicht „Die Leichtigkeit des Seins“ des französischen Autors Jean Pierre Weil, das uns den Weg weist zu unserem wahren Wesen durch ein einzigartiges Wechselspiel vom Streben nach Glück und der Ruhe in der Gelassenheit des Lebens.

Ich habe diese Leichtigkeit erfahren, federleicht und zart wie ein Windhauch, der vom Golf herüberweht. Das waren helle, sanfte Momente, wie ich sie nur hier in Thailand erlebt habe. Nicht Lässigkeit sondern Gelassenheit: Ich lasse dich und du lässt mich. Nicht Leichtsinn sondern kaum spürbare Berührungen, oft erst viel später erkannt und begriffen, ein prägendes Mosaik aus unzähligen Begegnungen.

Mir scheint, die Thais haben diese Leichtigkeit des Daseins in ihren Genen. Das ist sicher der Grund dafür, warum ich - nicht nur ich – mich hier so wohl fühle. Die meisten Thais gehen gleichmütig mit ihrem Leben um. Sie rasten nur aus, wenn jemand versucht, ihnen ihr „Gesicht“ zu nehmen. Sie sind geduldig, akzeptieren ihr Schicksal wie es kommt und glauben daran, ihr Karma für ihre nächste Existenz verbessern zu können durch Tambun, durch Spenden für Mönche, Tempel und ärmere Menschen. Sie versuchen, die Ratschläge Buddhas zu befolgen und gleichzeitig all die Geister, die sie überall umgeben, friedlich zu stimmen. Und das alles mit großer Gelassenheit. Sie lassen sich Zeit für das Leben und wissen, Gelassenheit kommt mit der Zeit, ohne dass sie dabei leichtsinnig werden. Das gilt jedenfalls für die meisten.

Nicht alle Farangs sind bereit, sich dieser Leichtigkeit auszusetzen. Der Stress lässt sie nicht los. Die Sucht und die Gier sind oft die Begleiter dieser Reisenden auf der rastlosen Fahrt durch ein rauschhaftes Leben. Wer sich jedoch der thailändischen Lebensweise schrittweise annähert, der wird davon profitieren.

Aber auch in einem angenehmen Leben in einem angenehmen Land altert man. Das bedeutet auch, sich mit dem unausweichlichen Tod zu versöhnen, die eigene Endlichkeit anzunehmen. Ob mit oder ohne Gott, jeder stirbt, ob getröstet durch seinen Glauben oder mit der Einsicht, im Nichts zu enden. Die Thais feiern den Tod völlig entspannt und mit Gelassenheit.

Wenn Milan Kundera in seinem Roman über die unerträgliche Leichtigkeit des Seins schreibt, meint er damit das Lachen, Vergessen und Verspielen aller Möglichkeiten im Leben. Seine Hauptfigur, der Prager Chirurg Tomas begehrt und fürchtet die Liebe, findet und verliert sie wieder und endet in einer Katastrophe.

Aber der Mensch ist nicht determiniert. Er ist geboren, um sich frei zu entscheiden, wie er leben will. Auch wenn die Umstände es oft nicht erlauben, die erwünschte Richtung einzuschlagen, kann er doch bestimmen, ob er gut oder böse sein will. Keiner wird als Heiliger geboren und keiner als Teufel, aber jeder kann – so oder so - das Eine oder das Andere werden.

Und auch mit der Leichtigkeit ist es nicht immer so leicht. Risiken begleiten jede unserer Handlungen. Der deutsche Dichterfürst Goethe hat uns im „Faust II“ das Zitat mitgegeben: „Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen.“ Demnach erreichen wir die Errettung durch Bemühung und durch das Streben nach dem Guten.

Ich beschließe diese besinnliche Kolumne mit einem weiteren Goethe-Zitat:

„Selig, wer sich vor der Welt ohne Hass verschließt, einen Freund am Busen hält und mit dem genießt, was von Menschen nicht gewusst oder nicht bedacht, durch das Labyrinth der Brust wandelt in der Nacht.“

Ein Hoch auf die Leichtigkeit und Gelassenheit unseres Lebens!

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