Christentum und Buddhismus Teil 1

​Die Lebenswende des Religionsstifters

Siddharthas Ausfahrt und Begegnung mit einem Alten, einem Kranken, einem Toten und einem Wandermönch (Wat Bang Yai in Bang Khonthi/ Samut Songkhram).
Siddharthas Ausfahrt und Begegnung mit einem Alten, einem Kranken, einem Toten und einem Wandermönch (Wat Bang Yai in Bang Khonthi/ Samut Songkhram).

Wer als Christ für längere Zeit in Thailand lebt, wird unweigerlich auf die Zeugnisse buddhistischen Glaubens stoßen. Gerade die Legenden zur Lebensgeschichte des Gautama Buddha zeigen streckenweise überraschende Ähnlichkeiten zu dem, was die Bibel über die Lebensgeschichte Jesu Christi berichtet. Bei näherem Hinsehen werden dann aber auch Unterschiede deutlich, die bei allem Respekt gegenüber anderen Religionen zum Nachdenken darüber einladen, was die Besonderheit der christlichen Botschaft ausmacht.

Der Wüstenprophet Johannes tauft Jeshua (griechische Ikone, ca. 1.600 n. Chr.).
Der Wüstenprophet Johannes tauft Jeshua (griechische Ikone, ca. 1.600 n. Chr.).

Buddha („der Erwachte“) lebte und wirkte von 624 bis 544 vor der christlichen Zeitrechnung (manche Wissenschaftler datieren 566 bis 486 vor Christus) in Nordostindien. Er wurde unter dem Namen Siddhartha aus der Sippe der Gautama als Adeliger im Ritterstand geboren und aufgezogen und heiratete im Alter von 16 Jahren. Dreizehn Jahre später, als gerade sein erstes Kind – ein Sohn – geboren worden war, verließ er mit 29 Jahren seine Familie und wurde Wanderprediger und Weisheitslehrer.

Auslöser für diese Lebenswende, so erzählt es die Legende, waren Begegnungen außerhalb seiner Palastmauern, wo er in der Gestalt eines Alten, eines Kranken und eines Leichnams den Unausweichlichkeiten des menschlichen Lebens begegnet: Leiden, Krankheit und Tod. Diese Begegnungen führen ihn zu einem Bruch mit seinem bisherigen Leben: er verlässt Frau und Kind und den Fürstenhof, legt seinen Schmuck ab, schert sich die Haare und schließt sich im Lauf der folgenden Zeit als Wandermönch verschiedenen Gurus an, um von ihnen zu lernen, Leiden, Krankheit und Tod zu überwinden. In dieser Zeit wird er „Gautama der Asket“ und „der Weise aus dem Stamm der Shakyas“ (Shakyamuni) genannt.

Christus („der Gesalbte“) lebte und wirkte von ca. 7 vor der christlichen Zeitrechnung bis ca. 30 nach der christlichen Zeitrechnung in Nordisrael und Jerusalem. Er wurde unter dem Namen Jeshua als Sohn eines Handwerkers geboren und aufgezogen. Über seine Jugend ist nichts überliefert. Es kann jedoch vermutet werden, dass er schon früh die Folgen der römischen Besetzung seiner Heimat Palästina zu spüren bekam und auch mit den verschiedenen religiösen und politischen Widerstandsbewegungen gegen diese Fremdherrschaft in Berührung kam. Außerdem lag sein Heimatdorf Nazareth in der Nähe einer der großen Handelsstraßen zwischen Ägypten und dem Zweistromland, so dass auch damit gerechnet werden kann, dass der Handwerkersohn Jeshua auch mit weiter gereisten Weltanschauungen in Berührung kam.

Die Berichte über das Leben des Jeshua von Nazareth beginnen damit, dass dieser im Alter von etwa 30 Jahren im Jüngerkreis des Wüstenpropheten Johannes auftaucht, der das baldige Kommen des Gottesgerichtes über diese Welt ankündigt und Menschen aufruft, sich als Zeichen der Vorbereitung auf die neue Welt Gottes durch ein rituelles Untertauchen ins Wasser taufen zu lassen.

Im Zusammenhang seiner Taufe wird dann berichtet, dass sich Jeshua fastend in die Wüste zurückzieht und dort eine dreifache Versuchung zurückweist: die Fähigkeit Steine in Brot zu verwandeln, die Fähigkeit zu fliegen und die Fähigkeit, im Bund mit dem Satan die Welt zu beherrschen.

Bemerkenswert ist nun, dass sich sowohl Gautama Shakyamuni als auch Jeshua aus Nazareth bald von ihren jeweiligen Lehrern abwenden: Gautama erlebt, dass ihn die aus dem hinduistischen Yoga stammenden Meditationswege eher zu innerer Abstumpfung oder zu philosophischen Spekulationen verführen, ohne dass er der Überwindung des Leidens näher kommt. Ein – fast tödlich endendes – radikales Fasten bringt ihn schließlich zu der Erkenntnis des „mittleren Weges“, gleichnishaft dargestellt durch ein Saiteninstrument, bei dem nur die „mittel gespannte“ Saite einen vollen Ton gibt, nicht aber die zu locker oder die zu straff gespannte Saite. Diese Erkenntnis führt jedoch zu einem Bruch mit fünf anderen Radikalasketen, die sich zwischenzeitlich voller Bewunderung dem Gautama Shakyamuni angeschlossen hatten und ihn jetzt als Verräter betrachten.

Ähnliches scheint sich zwischen Jeshua und seinem Prophetenmeister abgespielt zu haben: Jeshua bricht mit der nur drohenden Gerichtsbotschaft des Johannes und beginnt das Kommen der neuen Welt Gottes in neuen Gleichnisbildern zu entdecken – als große Verwandlung, die schon längst wie ein Hochzeitsfest, wie ausgesäter Samen oder wie Sauerteig in der Welt und den Menschen wirksam ist. Diese neue Botschaft führt jedoch auch zum Bruch mit der Jüngergemeinschaft des Johannes, die Jesus jetzt als „Fresser und Weinsäufer“ brandmarkt.

Es fällt auf, dass beide, Gautama Shakyamuni und Jeshua von Nazareth, damit letztlich einen ähnlichen spirituellen Weg gehen – einen Weg, der sich in seiner Radikalität zugleich jedem lebensfeindlichen religiösen Extremismus verweigert. Unterschiede werden jedoch an der Stelle sichtbar werden, wo sie sich den Grundfragen der menschlichen Existenz zuwenden: der Frage nach dem Leiden und der Frage nach der Gerechtigkeit.

Über den Autor:

Ulrich Holste-Helmer (56) lebt und arbeitet – auf geteilter Stelle mit seiner Ehefrau Annegret Helmer – seit 2011 als Pastor der Evangelischen Gemeinde Deutscher Sprache in Thailand.

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