Basketballer vor WM-Gipfel gelöst

Ohne Rotwein und ohne Druck

Deutschlands Franz Wagner (l) und Niels Giffey (r) und ihre Teamgefährten jubeln nach dem Sieg. Foto: Matthias Stickel/dpa
Deutschlands Franz Wagner (l) und Niels Giffey (r) und ihre Teamgefährten jubeln nach dem Sieg. Foto: Matthias Stickel/dpa

MANILA: Kapitän Dennis Schröder lächelte vor der ultimativen WM-Prüfung alle Zweifel weg, Gute-Laune-Bär Moritz Wagner schlenderte pfeifend durchs Foyer des gigantischen Teamhotels: Die deutschen Basketballer gehen gelassen und mit bester Laune in den Halbfinal-Gipfel gegen den mit NBA-Stars gespickten Olympiasieger USA. «Die sind die Favoriten. Die haben den Druck. Wir haben das erreicht, was wir machen wollten. Im Endeffekt können wir ohne Druck spielen», sagte der nach dem Viertelfinale schwer kritisierte Schröder am Donnerstag.

Am Freitag (14.40 Uhr/Magentasport) wartet gegen das Starensemble von Cheftrainer Steve Kerr nicht nur das wichtigste Länderspiel seit dem EM-Finale vor 18 Jahren, sondern auch eine historische Basketball-Chance: in der riesigen Mall of Asia Arena von Manila ist der erstmalige Einzug ins WM-Endspiel möglich. «Ich bin so gebaut: Wenn ich ein Spiel spiele, will ich es gewinnen. Egal, was kommt. Egal, wer kommt», sagte Schröder. Sein Team, das ihn beim packenden 81:79 über Lettland im Viertelfinale rettete, ist bei der WM der einzig ungeschlagene Teilnehmer und auf Kurs zur ersten WM-Medaille seit 2002 mit Dirk Nowitzki.

Die Deutschen sehen ihre Mission auch nach dem Halbfinal-Einzug und dem gebuchten Olympia-Ticket für Paris 2024 längst nicht als beendet an. Bundestrainer Gordon Herbert gönnte sich nach dem erfolgreichen Krimi am Mittwoch keinerlei Belohnung. «Meine Nacht bestand daraus, USA-Spiele zu schauen und unser Spiel noch einmal anzusehen. Es gab keinen Rotwein und kein Bier», sagte der 64-Jährige mit einem Grinsen.

Sein Führungsspieler Schröder bekam von Coach Herbert explizit Rückendeckung, nachdem er von außen für seine teils egoistische Spielweise im Viertelfinale kritisiert worden war. «Das Großartige an Dennis ist, dass er den Ball will und eine Entscheidung trifft. Er ist auch nur ein Mensch. Wir wären nicht hier ohne ihn», sagte Herbert. Schröder hatte nur vier seiner 26 Würfe gegen Lettland getroffen.

Der Spielmacher der Toronto Raptors, der bei der WM zuvor teils überragende Leistungen gezeigt hatte, wird sich gegen die USA wieder deutlich steigern müssen, wenn Deutschland seine Außenseiterchance wahren will. «Es bleibt alles gleich. Alles, was ich die letzten Wochen gemacht habe, bleibt genau so. Ich versuche nicht etwas anders zu machen. Ich werde aggressiv sein und für meine Teammates kreieren», kündigte Schröder selbstbewusst an. Am Mittwoch hatte er seinen Kollegen um den starken Rückkehrer Franz Wagner nach seinem «schlechtesten Spiel der Karriere» explizit gedankt.

Deutschland hat rechtzeitig vor dem Showdown in der perversen Szenerie von Manila, in der nur wenige Meter vom Basketball-Tempel Kinder und Obdachlose nachts auf den Gehsteigen schlafen, alle Spieler fit bekommen. Vor allem die Rückkehr des 22 Jahre jungen Wagners dürfte es für die USA schwer ausrechenbar machen, schließlich fehlte er vor dem Lettland-Spiel in vier Begegnungen. «Wir haben viel Videomaterial der letzten zwei Jahre, wissen also, wie gut, wie vielseitig Franz ist», sagte US-Chefcoach Kerr. Er bezeichnete die Deutschen als «das bislang wahrscheinlich beste Team dieses Turniers».

Die Wagner-Brüder Franz und Moritz sind Schlüsselfiguren im deutschen Team. Der jüngere Franz glänzt vor allem auf dem Parkett und wird von Experten bereits mit dem jungen Nowitzki verglichen. Moritz betätigte sich nach dem Halbfinal-Einzug als DJ im Mannschaftsbus und klopfte in der Interview-Zone seine üblichen Sprüche. «Die beiden sind die neue Generation - die machen Spaß und werden sehr groß werden», sagte Schröder voller Anerkennung. Herbert sieht in dem Duo «großartige Typen, super Menschen und auch nicht ganz so schlechte Basketball-Spieler», wie er scherzte.

Auf die Wagners wird es bei der Revanche für das knappe 91:99 in der Vorbereitung in Abu Dhabi besonders ankommen. «Das war ein Trainingsspiel, wir hatten am Abend zuvor auch ein Spiel. Wir sind besser geworden, sie sind besser geworden», beschrieb Herbert vor dem Duell mit der Basketball-Großmacht, gegen die man am Persischen Golf mit 16 Punkten Vorsprung geführt hatte. Die USA haben zwar keine Superstars wie Stephen Curry oder Kevin Durant im Aufgebot, dafür aber jede Menge große Talente um Flügelspieler Anthony Edwards. Das Team ist zudem schlüssig zusammengestellt.

WM-Gold geht deshalb nur über die USA, daran ändert auch der Patzer beim 104:110 gegen Litauen in der Zwischenrunde nichts. «Was ihnen sehr geholfen hat, war die Niederlage gegen Litauen. Das war ein Weckruf. Gegen Italien waren sie schon ein anderes Team. Ich hoffe, wir sehen sie in der Litauen-Verfassung», sagte Herbert. Als Schlüssel zum Erfolg machte der Trainer aus, die überragenden Athleten aus den USA nicht in ihre Schnellangriffe kommen zu lassen. Franz Wagner, beim Comeback noch als Bankspieler eingesetzt, dürfte für Isaac Bonga in die Startformation zurückkehren.

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