Aserbaidschan will nicht über Sonderstatus diskutieren

Vollständiger Waffenstillstand in der Konfliktzone Berg-Karabach. Foto: epa/RaumÄnischer Ismajilow
Vollständiger Waffenstillstand in der Konfliktzone Berg-Karabach. Foto: epa/RaumÄnischer Ismajilow

BAKU/ERIWAN: Seit einer Woche schweigen die Waffen in der Konfliktregion im Südkaukasus. Aserbaidschan und Armenien tauschen gefallene Soldaten aus. Doch grundsätzliche Fragen sind noch immer nicht gelöst.

Nach dem Ende der Kämpfe in Berg-Karabach will Aserbaidschans Präsident Ilham Aliyev nicht über einen Sonderstatus für die Konfliktregion verhandeln. Berg-Karabach sei Teil Aserbaidschans. Von einem besonderen Status könne deshalb keine Rede sein, sagte das Staatsoberhaupt bei einem Besuch im Kreis Füzuli, der zuvor von Truppen der Karabach-Armee kontrolliert worden war. Das armenische Volk werde auch unter den neuen Bedingungen leben.

In dem vor einer Woche von Russland vermittelten Abkommen zwischen Armenien und Aserbaidschan über ein Ende aller Kampfhandlungen in Berg-Karabach ist der künftige Status offen gelassen worden. Armenien hatte Verhandlungen darüber gefordert. Das Mandat dafür liegt aus Sicht von Präsident Armen Sarkissjan bei Russland, Frankreich und den USA als Co-Vorsitzende der Minsker Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

Nach Einschätzung von Kremlchef Wladimir Putin hält die Waffenruhe. «Die Kämpfe sind vollständig beendet worden, die Situation hat sich stabilisiert», sagte er in Moskau. Fast 2000 russische Friedenssoldaten patrouillieren in der Region. Die Verlegung von Truppen dauerte dem Verteidigungsministerium zufolge am Dienstag an.

Ein weiterer Punkt der Übereinkunft ist der Austausch gefallener Soldaten. Armenien und Aserbaidschan hätten bereits etwa 200 Leichen einander übergeben, sagte Peter Maurer, Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), der russischen Staatsagentur Ria Nowosti. Priorität sei es nun, nach weiteren Gefallenen in der Region zu suchen und die Leichen zu bergen. Armenien hatte noch am Vortag von Hunderten vermissten Soldaten gesprochen.

Die Karabach-Behörden sprachen am Dienstag von 1505 Soldaten, die während der sechswöchigen Kämpfe ihr Leben ließen. Aserbaidschan machte bislang mit dem Verweis auf das Kriegsrecht keine Angaben zu Verlusten in den eigenen Truppen.

Das türkische Parlament beriet unterdessen über eine Entsendung von Soldaten nach Aserbaidschan für das russisch-türkische Zentrum zur Überwachung der Waffenruhe. Sowohl das Personal der Streitkräfte als auch Zivilisten könnten dafür entsandt werden, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Präsident Recep Tayyip Erdogan soll über den Umfang des Einsatzes entscheiden. Die Regelung würde für ein Jahr gelten. Die Türkei und Russland hatten sich auf das gemeinsame Überwachungszentrum geeinigt und besprechen zurzeit die Details.

Den Einsatz der Türkei sehen die USA indes kritisch. Es gebe noch viele Fragen zu dem Abkommen, über die Russland Klarheit geben müsste, sagte ein hochrangiger Beamte des US-Außenministeriums in Washington. «Und dazu gehört auch die Rolle der Türken.»

US-Außenminister Mike Pompeo begrüßte am Dienstag das Ende der Kämpfe und kündigte weitere humanitäre Hilfen in Höhe von fünf Millionen US-Dollar an internationale Organisationen in dem Krisengebiet an. «Die Beendigung der jüngsten Kämpfe ist nur der erste Schritt auf dem Weg zu einer friedlichen, ausgehandelten Lösung des Berg-Karabach-Konflikts», erklärte Pompeo. Er forderte die Parteien auf, schnellstmöglich wieder in Kontakt mit der Minsker Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu treten, die zuständig ist für die Karabach-Verhandlungen.

Der Konflikt in Berg-Karabach ist schon jahrzehntealt. Ende September hatten erneut heftige Kämpfe begonnen. In dem neuen Krieg hat sich das islamisch geprägte Aserbaidschan weite Teile des Gebiets zurückgeholt. Das Land berief sich dabei auf das Völkerrecht und sah sich von seinem «Bruderstaat» Türkei unterstützt. Das christlich geprägte Armenien wiederum setzt auf Russland als Schutzmacht.

In Armenien ist der Unmut über das Abkommen groß. Es kommt immer wieder zu Protesten. Präsident Sarkissjan und die Opposition fordern den Rücktritt von Regierungschef Nikol Paschinjan. Der hatte das am Montag noch ausgeschlossen. Entlassen wurde unterdessen Vize-Außenminister Schawarsch Kotscharjan. Am Vortag musste bereits der Außenminister gehen. Die Opposition in der Hauptstadt Eriwan will zudem erreichen, dass das Kriegsrecht aufgehoben wird.

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