Zeitungen zum Geschehen am Donnerstag

Foto: Pixabay/Gerd Altmann
Foto: Pixabay/Gerd Altmann

«Handelsblatt» zu Mindestlohn

Unter 14 Euro muss man sich gar nicht mehr zu Wort melden, um nicht vom Bündnis Sahra Wagenknecht von hinten aufgerollt zu werden.

Das alles könnte man jetzt vor der anstehenden Europawahl und den Landtagswahlen in Ostdeutschland als nicht wirklich ernst zu nehmendes Ritual abtun. Doch diesmal könnten die Co-SPD-Chefin Saskia Esken oder die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang zu Totengräberinnen der bewährten Sozialpartnerschaft von Arbeitgebern und Gewerkschaften werden. Wenn die Politik sich derart intensiv einmischt, dann wird bald aus einem optimalen ein rein politischer Mindestlohn.


«Frankfurter Rundschau» zu Suizidpräventionsstrategie

Gesundheitsminister Karl Lauterbach sollte vor Monaten ein Konzept für eine bessere Suizidprävention vorlegen.

Dass er die Frist des Bundestags verstreichen ließ, ist symptomatisch dafür, wie fahrlässig Deutschland mit dem Thema umgeht. Die seit Jahren hohe Zahl von Selbsttötungen ist zuletzt gestiegen. Es sind verzweifelte Menschen, die sich erhängen, in den Tod springen, sich vergiften, vor einen Zug werfen. Es braucht dringend verlässliche Hilfe. Rund um die Uhr. Nachhaltig finanziert. Eine Selbstverständlichkeit in einem Sozialstaat. Aber leider haben vulnerable Gruppen keine Lobby. Nicht die Schwachen, die Kranken, die Alten. Sonst sähe unser Gesundheits- und Pflegesystem anders aus. Die Forderung nach Suizidprävention wurde ausgespielt gegen das Recht auf Sterbehilfe. Für Menschen, die wohlüberlegt mit einem Medikament aus dem Leben scheiden wollen. Es braucht beides: Hilfe und Beratung für alle Sterbewilligen. Das klare Signal: Staat und Gesellschaft lassen sie nicht allein.


«Stuttgarter Zeitung» zu Migrationsabkommen EU/Libanon

Objektiv betrachtet ist der Libanon Lichtjahre davon entfernt, ein wirklicher Partner für einen Flüchtlingspakt zu sein.

Ähnlich verhält es sich mit den Autokratien Tunesien und Ägypten. Nüchtern betrachtet führt allerdings kein Weg daran vorbei, auch mit schwierigen Ländern eine Verständigung zu suchen. Denn die Staaten rund um das Mittelmeer sind ein zentraler Baustein der ­Europäer bei ihrer Reform der Asyl- und ­Migrationspolitik. Wer allerdings glaubt, dass mit solchen Abkommen die Flüchtlingszahlen schnell sinken werden, der irrt gewaltig. Über Jahrzehnte hat Europa die Augen verschlossen, das rächt sich nun.


«Los Angeles Times»: Gewalt bei Uni-Protesten muss Folgen haben

LOS ANGELES: Zu den Protesten an US-Universitäten gegen den Gaza-Krieg und dem gewalttätigen Zwischenfall zwischen proisraelischen und propalästinensischen Demonstranten auf dem Campus einer Universität in Los Angeles schreibt die «Los Angeles Times»:

«Es ist niemals in Ordnung, körperliche Gewalt gegen Menschen anzuwenden, mit denen man nicht einverstanden ist. Das sollte eigentlich klar sein, aber die Ereignisse, die sich am frühen Mittwoch auf dem UCLA-Campus abgespielt haben, zeigen, welche Folgen es hat, wenn diese Botschaft verloren geht. (...) Es waren keine Campus-Behörden, die auf Anweisung der Universität handelten, (...) sondern Leute, die mit den propalästinensischen Demonstranten nicht einverstanden waren und beschlossen, das Camp selbst zu räumen. Es wurde schnell hässlich.(...)

Wir hoffen, dass sich feststellen lässt, ob die Universität mehr hätte tun können, um zu verhindern, dass die Situation am Dienstagabend eskalierte, warum die Sicherheitskräfte des Campus tatenlos zusahen und warum es etwa drei Stunden dauerte, bis Polizisten (...) die Lage unter Kontrolle hatten. (...) Jeder, der nachweislich an der Gewalt beteiligt war, sollte zur Rechenschaft gezogen werden, wie (Kaliforniens) Gouverneur Gavin Newsom am Mittwoch sagte. Andernfalls werden solche Angriffe zwangsläufig weitergehen, da die Protestbewegung an den Universitäten landesweit wächst.»


«Information»: Russlands elektronischer Krieg ist wachsende Bedrohung

KOPENHAGEN: Die linksliberale dänische Tageszeitung «Information» kommentiert am Donnerstag die GPS-Störungen über der Ostsee, für die Estland Russland verantwortlich macht:

«Zwei Flugzeuge der finnischen Fluggesellschaft Finnair mussten im Laufe weniger Tage umdrehen, weil ihr GPS-Signal während der Landung in einem estnischen Flughafen gestört wurde. Estland ist überzeugt davon, dass Russland für die Störungen verantwortlich ist. Der estnische Außenminister Margus Tsahkna hat die GPS-Störungen als «völlig vorsätzliches Handeln» und als Hybridangriff bezeichnet.

In den vergangenen Monaten wurden GPS-Signale über der Ostsee regelmäßig gestört. Das Ausmaß der Störungen ist so gewaltig, dass Piloten fast routinemäßig verschiedene Warn- und Navigationssysteme ausschalten, während sie die betroffenen Gebiete passieren. Ende April meldeten mehrere Schiffe zwischen Bornholm und der südschwedischen Hafenstadt Karlshamn GPS-Störungen.

Die Störungen müssen auch als ein Teil des Machtkampfes zwischen Russland und der Nato gesehen werden. Es ist wichtig, auf diese Bedrohung zu reagieren, auch wenn es nicht leicht wird, da sich das Verhältnis zu Russland auf einem absoluten Tiefpunkt befindet.

Unabhängig davon, ob die Störungen auf russische Selbstverteidigung zurückzuführen sind oder ob es sich um eine nach außen gerichtete Hybrid-Operation handelt, stellen die GPS-Störungen ein ernstes und wachsendes Problem für den zivilen Flug- und Schiffsverkehr in der Ostsee dar.»


«Pravo»: Deutsch-tschechische Beziehungen so gut wie noch nie

PRAG: Nach dem Besuch des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier Anfang der Woche in Prag schreibt die Zeitung «Pravo» aus Tschechien am Donnerstag:

«Es ist eine beliebte Phrase, die man immer dann benutzt, wenn jemand zu Besuch kommt: Unsere Beziehungen sind so gut wie noch nie. Doch für die deutsch-tschechischen Beziehungen, deren Stärke der Besuch des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier in dieser Woche in Prag unter Beweis stellte, gilt das tatsächlich. (...) Zwanzig Jahre in der Europäischen Union haben dazu beigetragen, dass Tschechien endgültig begriffen hat, dass Deutschland weder eine Gefahr noch ein großer Manipulator ist, der kleine Staaten für Machtspielchen missbraucht. (...) Die Streitereien um die Sudetendeutschen, um die Traumata der fernen Vergangenheit und um die aus dem Zweiten Weltkrieg herrührenden Schmerzen, welche Steinmeier immer mit Demut und wichtigen symbolischen Gesten anerkennt, sind zu Ende. (...) Deutschland ist für Tschechien eine bedeutende wirtschaftliche und sicherheitspolitische Kraft. (...) Wenn Europa sich selbst verteidigen können soll, wie es die USA fordern, wird das ohne Deutschland nicht gehen.»


«El País»: Campus gegen den Krieg in Gaza

MADRID: Die spanische Zeitung «El País» kommentiert am Donnerstag die propalästinensischen Proteste an amerikanischen Universitäten gegen den Gaza-Krieg:

«In vielen westlichen Demokratien ist Benjamin Netanjahus brutaler militärischer Vergeltungsschlag gegen die Zivilbevölkerung des Gazastreifens nach dem Hamas-Terroranschlag vom 7. Oktober über die Außenpolitik hinaus zu einem innenpolitischen Thema geworden. Den Demonstrationen immer an Wochenenden in Städten wie London, Paris und New York haben sich (...) Studenten (...) einiger der renommiertesten amerikanischen Universitäten angeschlossen, die ein sofortiges Ende des Krieges fordern. (...)

Es sollte keine Regierung überraschen, dass die Bilder der Tragödie im Gazastreifen Tausende von Kilometern entfernt die Gewissen aufrütteln und diejenigen zum Handeln auffordern, die eingreifen können, um sie zu beenden. (US-Präsident Joe) Biden ist wahrscheinlich der Politiker, auf den Netanjahu am meisten angewiesen ist und der ihn dazu zwingen kann, einen Waffenstillstand auszurufen und die verzweifelte Notlage der palästinensischen Zivilisten zu lindern. Und so verstehen es auch die amerikanischen Studenten.»

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.