Zeitungen zum Geschehen am Mittwoch

Foto: Adobe Stock/©elis Lasop
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«Chicago Tribune»: Rückgabe toter Geiseln ist keine Rückgabe

CHICAGO: Zu den derzeit laufenden Verhandlungen über eine Waffenruhe und Freilassung von Geiseln im Gaza-Krieg schreibt die «Chicago Tribune»:

«Wenn eine Geisel tot ist, wenn sie ihrer Familie zurückgegeben wird, wird die Geisel dann überhaupt zurückgegeben? (...) Am Dienstag berichtete die «New York Times» (...), dass es sich bei einigen der 33 Geiseln, die die Hamas im Rahmen ihrer ausgehandelten Quote an Israel zurückgeben will, lediglich um menschliche Überreste handeln könnte. Unabhängig von der politischen Einstellung eines jeden ist dies eine ernüchternde Erinnerung an die menschliche Brutalität. (...)

Gibt man eine Geisel zurück, wenn diese tot ist? Wir werden diese Frage ohne Umschweife beantworten. Nein. Tausendmal nein. Wir vermuten schon lange, dass die Hamas einige Geiseln nicht freilassen würde, vor allem junge israelische Frauen, weil sie nicht will, dass deren Geschichten der Welt bekannt werden und ihre PR-Offensive stören. Eine Offensive, die vor allem auf amerikanischen Universitäten außerordentlich erfolgreich war. Aber Leichen können nicht sprechen oder aussagen.»


«Verdens Gang»: Demokratien sterben nicht von selbst

OSLO: ? Die norwegische Boulevardzeitung «Verdens Gang» (Oslo) meint am Mittwoch zum Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa:

«Heute, am 8. Mai, feiern wir die Freiheit, die Verfassung und die Gewaltenteilung. Und dass wir 1945 von einer nazistischen, totalitären und menschenfeindlichen Besatzungsmacht befreit wurden.

Norwegen steht an der Spitze des demokratischen Index. Das ist eine Verantwortung, keine Belohnung. Es bedeutet, dass es jedes Mal, wenn Norwegen Abkürzungen bei demokratischen Prinzipien nimmt, Autokraten Argumente dafür gibt, dass diese relativ sind.

Im Schatten des Krieges in der Ukraine, den viele zum Krieg zwischen Autokratie und Demokratie erklärt haben, findet ein stiller Krieg gegen Demokratien in mehreren europäischen Ländern statt. Die Tatsache, dass nur acht Prozent der Weltbevölkerung in einer Demokratie wie unserer leben, kann nicht nur unsere Werte, sondern auch unsere Sicherheit und Wirtschaft bedrohen.

Demokratien sterben nicht von selbst. Ihr Rückgang ist vielmehr eine von oben gesteuerte und bewusste Entwicklung, um sich der Machtkontrolle zu entziehen. Der 8. Mai ist der Tag, an dem wir dankbar sein sollten für unsere Freiheit - und an dem wir darüber nachdenken sollten, wie wir sie nutzen wollen.»


«El País»: Gewalt gegen Politiker stoppen

MADRID: Die spanische Zeitung «El País» kommentiert am Mittwoch die Angriffe auf Politiker in Deutschland:

«(...) Die Bundesregierung schätzt, dass es in den vergangenen vier Jahren mehr als 10.000 Angriffe auf Politiker gegeben hat. Allein 2023 waren es 2790. Besonders gravierend sind die Fälle in den östlichen Bundesländern, wo die Radikalisierung der extremen Rechten kein neues Phänomen ist. Leider auch nicht die Gewalt. Im Jahr 2019 griff ein Rechtsextremist eine Synagoge in Halle (...) an und tötete zwei Menschen. Im selben Bundesland hat sich die Zahl der Angriffe auf Politiker zwischen 2018 und 2023 verdoppelt, zwei Drittel davon stammen aus dem rechtsextremen Milieu. Hakenkreuze, Farbe und Fäkalien gegen Parteibüros und sogar Fackelzüge (die in Deutschland in düsterer Erinnerung sind) werden immer häufiger. Das alles ist natürlich nicht hinnehmbar, und die deutschen demokratischen Parteien täten gut daran, auf die Stimmen in ihren Reihen zu hören, die gesetzliche Maßnahmen zur Eindämmung und Umkehrung dieser Realität fordern.»


«de Volkskrant»: Russland ist nur schwer in die Knie zu zwingen

AMSTERDAM: Die niederländische Zeitung «de Volkskrant» beschäftigt sich am Mittwoch mit Folgen der Sanktionen gegen Russland:

«Russland wirtschaftlich in die Knie zu zwingen, ist keineswegs einfach. Solange Länder wie China und Indien keine Probleme damit haben, russisches Gas zu kaufen, schaden die europäischen Sanktionen nur wenig. Gas, das nicht von Europa gekauft wird, kann - zugegebenermaßen zu reduzierten Preisen - genauso gut an andere Länder geliefert werden.

Die Europäische Union setzt ihre Hoffnungen vor allem auf die USA. Präsident Joe Biden hat als Reaktion auf den Krieg in der Ukraine die Gasproduktion drastisch erhöhen lassen. Dafür wurden Umweltbedenken beiseitegeschoben, andere Interessen mussten erst einmal Vorrang bekommen. (...)

Diejenigen, die ihre Hände sauber und ihr Gewissen rein halten wollen, sollten sich viel stärker für Energieeinsparungen und für die Nutzung erneuerbarer Energiequellen wie Wind und Sonne einsetzen.»


«The Guardian»: Vorrücken in Rafah verschärft humanitäre Katastrophe

LONDON: Zum Vorrücken der israelischen Armee in die Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens meint der Londoner «Guardian» am Mittwoch:

«Die Fortsetzung der Kämpfe schließt Verhandlungen zur Beendigung des Konflikts nicht aus. Aber das Ende des Krieges wird wahrscheinlich das Ende von Benjamin Netanjahus Amtszeit als Premierminister bedeuten. Umfragen deuten darauf hin, dass die meisten Israelis einer Vereinbarung über die Freilassung der Geiseln den Vorzug vor einer Militäraktion in Rafah geben - was bei den rechten Wählern, von denen Netanjahus Zukunft abhängt, allerdings genau andersherum ist. (...)

Netanjahu - ein politischer Überlebenskünstler, der immer auf Zeit spielt - könnte die Luftangriffe und die Einnahme des Grenzübergangs zu Ägypten als ausreichend ansehen. Ohne weiter zu gehen, könnte er so die rechtsextremen Minister in seiner Regierung in Schach halten, die er braucht, um an der Macht zu bleiben. (...) Eine Verschärfung der Operation sollte undenkbar sein: Sie würde die Katastrophe nur noch vergrößern. Viele der Menschen, die sich jetzt in Rafah aufhalten, mussten aus anderen Teilen des Gazastreifens fliehen. Es ist sinnlos, eine Evakuierung anzuordnen, wenn es keinen sicheren Ort gibt, an den sie gehen können.»

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