Trumps Vabanquespiel

Foto: epa/Shawn Thew
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WASHINGTON (dpa) - Manche nennen es eine politische Bombe. Andere sehen darin ein Beispiel für das fortlaufende Chaos im Weißen Haus unter Donald Trump. Mit seiner Migrationspolitik hat der US-Präsident jede Menge Verwirrung gestiftet.

Sein Vorgehen weist aber auch auf eine komplexe Gemengelage hin: Dem Spannungsfeld zwischen Präsidenten, einer Partei, mit deren Seele er offensichtlich fremdelt und der Opposition, die er nicht mag, der er aber politisch auch manches Mal gar nicht so fern steht. Er sei «Republikaner durch und durch», ließ Trump am Donnerstag wissen - der Parteibasis fehlt inzwischen der Glaube. Die wichtigsten Fragen:

Warum macht Trump gemeinsame Sache mit den Demokraten, die er vor kurzem noch völlig ablehnte?

Der Schmusekurs mit der Opposition ist offenbar auch einem gewissen Frust gegenüber seiner eigenen Partei geschuldet. Die Republikaner haben ihn bei der Gesundheitsreform schwer enttäuscht, als sie trotz klarer Mehrheit keine Einigkeit im Kongress hinbekamen. Der Präsident sei «genervt» von der mangelnden Effizienz der Parlamentarier seiner Partei, schreibt etwa CNN-Kommentator Chris Cillizza. Dass Trump nun mit dem demokratischen Senats-Fraktionschef Chuck Schumer gemeinsame Sache macht, könnte eine Retourkutsche gegenüber den Republikanern sein. Schumer kommt wie Trump aus New York, beide kennen sich lange. «Ich glaube, er mag mich», sagte Schumer am Donnerstag über Trump. Beide hatten erst vor einer Woche einen Deal bei der Schuldenobergrenze ausgehandelt - damit hatte der Präsident seit langer Zeit so etwas wie einen kleinen Erfolg feiern können.

Warum spielen die Demokraten das Spiel mit?

Es könnte ein gefährlicher Balanceakt für die Demokraten werden. Zielrichtung scheinen die Midterm-Wahlen 2018 zu sein, wo sie den republikanischen Abgeordneten im Senat und Abgeordnetenhaus möglichst keinen Stich lassen wollen. Andererseits: Einem republikanischen Präsidenten die Steigbügel zu halten - noch dazu einem, der Trump heißt - könnte zum Bumerang werden. Der Immobilien-Milliardär zeichnete sich bisher nicht durch Verlässlichkeit und Worttreue aus.

Muss Trump auch Zugeständnisse machen?

Das ist noch nicht klar. Trump hat sich etwa mehrmals dahingehend geäußert, dass der Bau der von ihm favorisierten Grenzmauer nach Mexiko möglicherweise verzögert werden könnte. «Daca jetzt, Mauer später», sagte er am Donnerstag. Außerdem waren seine Aussagen, die Mauer sei ja ohnehin schon im Bau, weil man dabei sei, bestehende Zäune zu verbessern, interpretationsbedürftig. Minuten später richtete sein Wahlkampflager eine Nachricht an die Anhängerschaft, mit der Botschaft, selbstverständlich werde die Mauer gebaut. Und zwar nicht als Zaun, sondern als Mauer, aus echtem Beton.

Was sagen die Republikaner dazu?

Sie schäumen vor Wut. Schon vor einer Woche hatte der republikanische Senats-Fraktionschef Mitch McConnell, ein mit allen Wassern gewaschener Polit-Haudegen in Washington, äußerst geknickt gewirkt, als sein Präsident die Demokraten umgarnte. Der strikt konservative Kongressabgeordnete Steve King aus Iowa erklärte, Trumps Basis sei «in die Luft gesprengt, zerstört, irreparabel und desillusioniert, ohne Aussicht auf Heilung». Die Republikaner stehen nur vor einem Debakel: Im Herbst müssen viele wichtige Entscheidungen getroffen werden - und sie wissen nicht, wie sehr sie sich auf ihren Präsidenten verlassen können.

Ist das Ganze ein Ausdruck eines «neuen« Weißen Hauses?

Die Regierung befindet sich in der Tat im Aufräummodus. Mit dem neuen Stabschef John Kelly hat eine Phase neuer Disziplin eingesetzt, zumindest versucht der Ex-General diese durchzusetzen. Eine Annäherung an die Demokraten ist möglicherweise auch Ausdruck des erzwungenen Abgangs populistischer Hardliner im Umfeld von Trump, allen voran Steve Bannon und Sebastian Gorka. Andererseits: Die Provokation gegenüber der eigenen Partei dürfte nicht für Ruhe sorgen.

Was bedeutet der Schritt für die jungen Migranten?

Trump ließ erst vor zwei Wochen die «Dreamer»-Regelung aus der Obama-Zeit abschaffen. Unklar ist, ob er dies tatsächlich mit der Absicht tat, eine noch bessere Regelung mit Gesetzeskraft zu schaffen. Bei der Abschaffung des Obama-Dekrets bekam er Beifall von Rechtsaußen. Jetzt schäumt die rechtsgerichtete Trump-Basis vor Wut. Von Verrat ist die Rede und von Amnestie für illegale Einwanderer. «Wir denken nicht an Amnestie», ließ Trump sogleich vorbeugend wissen. Die Migranten befürchten, zur Manövriermasse für politische Machtspiele gemacht zu werden.

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Ingo Kerp 17.09.17 16:23
Es wird eng für ihn. Die Basis ist immer mehr enttäuscht.