Parlamentswahl im Irak verläuft ruhig 

Großes Sicherheitsaufgebot

Parlamentswahlen im Irak. Foto: epa/Ahmed Jalil
Parlamentswahlen im Irak. Foto: epa/Ahmed Jalil

BAGDAD: Im Irak haben sich viele Menschen von der Politik abgewendet. Vor allem die junge Generation zeigt sich von der Führung des Landes enttäuscht. Aktivisten der Protestbewegung boykottieren die Wahl.

Inmitten einer politischen und wirtschaftlichen Krise haben die Iraker am Sonntag ein neues Parlament gewählt. Es ist die zweite Abstimmung seit dem militärischen Sieg gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) vor rund vier Jahren. Nach Angaben der Militärführung waren mehr als 250.000 Sicherheitskräfte im Einsatz, um Zwischenfälle zu verhindern. Auf den Straßen wurden zahlreiche Kontrollpunkte errichtet. Manche Wahllokale waren mit Stacheldraht gesichert. Bis zum Nachmittag verlief die Wahl weitgehend ruhig.

Allerdings kam es am Morgen zu Störungen beim elektronischen Wahlsystem, wie lokale Medien meldeten. In einem Wahlzentrum in Bagdad, das von dpa-Reportern besucht wurde, konnten mehrere Menschen nicht abstimmen, weil das System ihren Fingerabdruck nicht erkannte. «Ich bin traurig, weil ich seit 2003 an allen Wahlen teilgenommen habe», sagte eine 83 Jahre alte Frau, die nicht wählen konnte.

Ministerpräsident Mustafa al-Kasimi hatte die Abstimmung nach Massenprotesten gegen die politische Führung des Landes um mehrere Monate vorgezogen. Die im Oktober 2019 ausgebrochenen Demonstrationen richteten sich unter anderem gegen die grassierende Korruption, die schwache Wirtschaftslage und die schlechte Infrastruktur. Auch Zellen der IS-Terrormiliz sind in dem Land weiter aktiv. Die Extremisten hatten 2014 große Gebiete im Norden und Westen des Landes überrannt.

Der hohe Sicherheitsaufwand scheine die Menschen «ein bisschen abzuschrecken», sagte die Leiterin der EU-Wahlbeobachtermission, die Grüne-Europaabgeordnete Viola von Cramon. In mehreren Wahllokalen in Bagdad waren in den ersten Stunden nur wenige Wähler zu sehen. 2018 war die Wahlbeteiligung auf ein Rekordtief von 44,5 Prozent gefallen.

Von Cramon erklärte weiter, trotz aller guten technischen Voraussetzungen und Vorkehrungen seien Stimmenkauf und Manipulation nach wie vor möglich. Kritiker der Abstimmung hatten im Vorfeld deren Transparenz bezweifelt. dpa-Reportern wurde am Sonntag in Bagdad der Zugang zu mehreren Wahllokalen verweigert. Zutritt gab es für Journalisten nur zu bestimmten für Medien ausgewählten Wahlzentren.

Insgesamt waren rund 25 Millionen Menschen aufgerufen, die 329 Abgeordneten im Parlament zu bestimmen. Ein Viertel aller Sitze ist für Frauen reserviert. Erste Ergebnisse sollen Montag vorliegen.

Auch wirtschaftlich ist das Land unter Druck. Der Irak hängt stark vom Öl ab und hat unter den niedrigen Ölpreisen während der Corona-Pandemie gelitten. Vor allem junge Iraker klagen über Arbeitslosigkeit und mangelnde Chance auf ein besseres Leben.

Viele Iraker sind deshalb von der Politik enttäuscht. Anhänger der Protestbewegung hatten zum Boykott der Wahl aufgerufen. Sie wollen nicht abstimmen, weil sie innerhalb des bestehenden politischen Systems keine Änderung der Machtverhältnisse erwarten. «Bei dieser Wahl ist wenig Änderung zu erwarten», sagte der irakische Analyst Farhad Alaaldin. «Die herrschende Elite ist so gefestigt, dass sie nicht von der Macht verdrängt werden kann und ihren Einfluss behält.»

Als Favorit galt die Strömung des schiitischen Geistlichen Muktada al-Sadr, die bereits bei der Wahl 2018 die meisten Sitze gewonnen hatte. Gute Chancen rechnet sich auch die Iran-nahe Fatah-Koalition aus. Sie ist mit den von Teheran unterstützten schiitischen Milizen verbunden. Beide fordern den Abzug der US-Truppen.

Generell haben die USA als auch der Iran starken Einfluss auf die Regierungsbildung. Iraks politische System war nach dem Sturz von Langzeitherrscher Saddam Hussein im Jahr 2003 errichtet worden.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.