Parlamentswahl: Freie Fahrt für Macron?

Foto: epa/Charles Platiau
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PARIS (dpa) - Es läuft rund für Emmanuel Macron. In seinen ersten Wochen im Élyséepalast hat der junge französische Staatschef viele Punkte gemacht, vor allem mit beherzten Auftritten auf dem internationalen Parkett. Doch ob aus dem «Zauber des Anfangs», von dem Bundeskanzlerin Angela Merkel bei Macrons Antrittsbesuch in Berlin gesprochen hatte, ein dauerhafter Erfolg werden kann, entscheidet sich bei der Parlamentswahl. Am kommenden Sonntag (11. Juni) sind die Franzosen zum ersten von zwei Wahlgängen aufgerufen.

Macron braucht eine Mehrheit in der Nationalversammlung, um sein Reformprogramm umsetzen zu können, mit dem er Frankreichs Wirtschaft wieder Schwung verschaffen will. Ansonsten könnte er sogar gezwungen sein, eine neue Regierung aus politischen Gegnern zu ernennen. Doch die Chancen stehen gut für den 39-Jährigen, der in kürzester Zeit eine starke Formation in der politischen Mitte aus dem Boden gestampft hat. Mehrere Umfragen halten für seine Partei La République en Marche eine absolute Mehrheit für möglich.

Damit könnte die Wahl das Abrisswerk vollenden, das Macron am traditionellen Parteiensystem Frankreichs begonnen hat. Die Sozialisten von Macrons Amtsvorgänger François Hollande liegen ohnehin am Boden. Und die konservativen Republikaner, die sich vor einigen Wochen noch Hoffnungen auf eine Parlamentsmehrheit machten, sind ebenfalls in Bedrängnis. Der sozialliberale Macron hat in einem geschickten Schachzug bürgerliche Politiker an Schlüsselstellen der Regierung gesetzt, vorneweg Premierminister Edouard Philippe.

Allerdings gibt es auch einen Schatten über dem neuen Kabinett: Die Vorwürfe gegen den Wohnungsbauminister Richard Ferrand. Er soll in seiner Zeit als Geschäftsführer der Krankenversicherungsvereine der Bretagne bei einem Immobiliengeschäft seine Lebensgefährtin bevorzugt haben. Die Staatsanwaltschaft führt Vorermittlungen. Noch ist also unklar, ob Ferrand sich etwas hat zuschulden kommen lassen.

Trotzdem ist die Sache pikant, weil Macron es sich auf die Fahne geschrieben hat, anrüchigen Praktiken im öffentlichen Leben ein Ende zu setzen. Das ist auch eine Reaktion auf die Verwandtenaffäre um den konservativen Präsidentschaftskandidaten François Fillon. Da kommt der Verdacht gegen Ferrand zur Unzeit, der als Generalsekretär großen Anteil am Aufbau von Macrons Partei hatte. Trotzdem sieht es bislang nicht so aus, als ob das Thema die Wahlaussichten des Macron-Lagers gefährden könnte. Die Regierung argumentiert, dass Ferrand nur zurücktreten müsse, falls die Justiz ein Verfahren einleitet.

Macron hat sich zu dem Thema bislang sehr zurückgehalten. Ohnehin ist die Kommunikation des Präsidenten extrem kontrolliert und wohldurchdacht. Vorläufiger Höhepunkt: Seine TV-Ansprache nach der Abkehr der USA vom Pariser Klimaabkommen. Mit dem Slogan «Make our planet great again» - eine Anspielung auf die Parole von US-Präsident Donald Trump, Amerika «wieder großartig» zu machen - inszenierte er sich als Vorkämpfer für den Klimaschutz. Ein Renner im Internet.

Schon zuvor hatten Macrons erste Treffen mit Trump und dem russischen Staatschef Wladimir Putin für Schlagzeilen gesorgt: der kalkuliert feste Händedruck mit dem Amerikaner in Brüssel, die Propaganda-Standpauke für die kremlnahen Medien Sputnik und Russia Today beim Besuch Putins im Schloss von Versailles. Der Franzose feilt an einem Image als starker Staatsmann. Das kommt in Frankreich gut an - auch wenn die Rechtspopulistin Marine Le Pen bereits stänkerte, Macron solle «auf den Boden zurückkommen».

Wichtig ist auch, wie stark die Kräfte links- und rechtsaußen im Parlament werden. Immerhin hatte der erste Wahlgang der Präsidentenwahl ein beinahe viergeteiltes Land gezeigt: Macron in Führung, aber kurz dahinter mit geringem Abstand zueinander die Rechtspopulistin Le Pen, der Konservative Fillon und der Linksaußen-Politiker Jean-Luc Mélenchon.

Le Pens Front National (FN) ist nach ihrer Niederlage gegen Macron angeschlagen. Es gibt Streit über den harten Anti-Euro-Kurs, den einige Verantwortliche für das Ergebnis verantwortlich machen. Der Konflikt köchelt noch auf kleiner Flamme, doch nach der Wahl könnte es knallen. Zumal die FN laut Umfragen bangen muss, ob sie wie erhofft eine Fraktion erringt - dafür braucht es 15 Abgeordnete.

Das Mehrheitswahlrecht macht es für kleine Parteien schwer: In die Nationalversammlung kommen nur die Politiker, die ihren Wahlkreis gewinnen. Die FN etwa erzielte beim letzten Mal zwar landesweit 13,6 Prozent im ersten Wahlgang, gewann aber nur zwei Wahlkreise - und deshalb nur 2 der 577 Abgeordnetensitze. Auch Mélenchon könnte es deshalb schwer haben mit seinem Plan, seine Bewegung «Das aufsässige Frankreich» zu einer starken Stimme der linken Opposition zu machen.

In den meisten Wahlkreisen dürfte die Entscheidung erst in einer Stichwahl am 18. Juni fallen. Dann ist klar, ob Macron freie Fahrt hat. Das könnte vor allem für die brisante Lockerung des Arbeitsrechts wichtig sein, die Macron plant: Ein klares Mandat für die Linie des Präsidenten würde es den Gewerkschaften schwerer machen, sich bei dem Thema völlig querzustellen.

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