Nahostkrise: Aktuelles Geschehen am Freitag

Nahostkrise: Aktuelles Geschehen am Freitag

Israel gibt vor Rafah-Angriff Geisel-Deal «letzte Chance»

TEL AVIV/KAIRO: Israel sieht die jüngsten Bemühungen um eine Feuerpause und einen Geisel-Deal im Gaza-Krieg Medienberichten zufolge als «letzte Chance» vor dem geplanten Angriff auf die Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens. Die am Freitag in Tel Aviv erfolgten Gespräche zwischen ägyptischen und israelischen Vertretern seien nach Angaben eines ranghohen israelischen Beamten «sehr gut» und konzentriert verlaufen. Die Ägypter seien offenbar bereit, die islamistische Hamas unter Druck zu setzen, um eine Einigung zu erzielen. Es seien bei den Gesprächen in allen Bereichen Fortschritte erzielt worden, zitierte die «Times of Israel» am späten Freitagabend entsprechende Berichte. Zuvor hatte auch der staatsnahe ägyptische Fernsehsender Al-Kahira News von erheblichen Fortschritten berichtet.

Israel werde nicht zulassen, dass die Hamas, insbesondere ihr Anführer im Gazastreifen, Jihia al-Sinwar, einen Geisel-Deal hinauszögert, um die geplante Militäroffensive in Rafah zu verhindern, wurde der israelische Beamte zitiert. Die Armee hatte vor wenigen Tagen zwei weitere Reservebrigaden mobilisiert. Al-Sinwar gilt als Planer des Massakers in Israel vom 7. Oktober vergangenen Jahres, in dessen Folge rund 1200 Israelis getötet und rund 250 Menschen nach Gaza verschleppt wurden. Er wird in Tunneln unterhalb Rafahs vermutet.

«Dies ist die letzte Chance, bevor wir nach Rafah gehen», zitierte die «Times of Israel» den namentlich nicht genannten israelischen Regierungsbeamten. «Entweder ein Abkommen in naher Zukunft oder Rafah». Israel will in der an Ägypten grenzenden Stadt im Süden Gazas die letzten dort verbliebenen Bataillone der Hamas zerschlagen. Ägypten will laut israelischen Medien eine Einigung erreichen, um den Angriff in Rafah abzuwenden. Ägypten ist besorgt, dass Palästinenser in großen Zahlen über die Grenze kommen könnten.

In Rafah haben Hunderttausende Zuflucht vor den Kämpfen im übrigen Gazastreifen gesucht. Bei dem jüngsten Gespräch zwischen ägyptischen und israelischen Vertretern sollte es israelischen Medien zufolge zunächst um ein begrenztes Abkommen mit der Hamas gehen, wonach nur einige weibliche, ältere und kranke Geiseln freikommen. Einen Vorschlag der USA, 40 solcher Verschleppten freizulassen, hatte die Hamas abgelehnt. Ihr zufolge sollen nicht mehr so viele Geiseln am Leben sein, die in diese Kategorien fallen. Die Hamas fordert einen dauerhaften Waffenstillstand in Gaza, was Israels Regierung jedoch ablehnt.


Gericht entscheidet am Dienstag über Nicaragua-Klage gegen Deutschland

DEN HAAG: Der Internationale Gerichtshof (IGH) wird am kommenden Dienstag über einen Eilantrag im Rahmen der Klage Nicaraguas gegen Deutschland wegen Beihilfe zum Völkermord im Gazastreifen entscheiden. Das teilte das höchste UN-Gericht am Freitag in Den Haag mit. Das mittelamerikanische Land forderte als vorläufige Maßnahmen den sofortigen Stopp deutscher Rüstungslieferungen an Israel sowie die Wiederaufnahme von Zahlungen eingefrorener Beiträge für das UN-Palästinenserhilfswerk UNRWA im Gazastreifen.

Nicaragua beschuldigt Deutschland vor dem Gericht der Beihilfe zu einem Völkermord im Gazastreifen durch die Lieferung von Waffen an Israel. Deutschland hat die Klage als haltlos zurückgewiesen. Gleichzeitig hatte die Bundesregierung diese Woche bereits angekündigt, sie wolle ihre Zusammenarbeit mit UNRWA im Gazastreifen in Kürze fortsetzen.

Der Internationale Gerichtshof ist das höchste Gericht der Vereinten Nationen. Dieses Weltgericht ist nicht zu verwechseln mit dem Internationalen Strafgerichtshof, der sich ebenfalls in Den Haag befindet. Dieser befasst sich mit individuellen Anklagen, während der UN-Gerichtshof über Konflikte zwischen Staaten entscheiden soll. Entscheidungen des IGH sind bindend.


Mutmaßliche Messerattacke - Frau schwer verletzt

TEL AVIV: Bei einer mutmaßlichen Messerattacke in Israel ist Sanitätern zufolge am Freitag eine 18-Jährige schwer verletzt worden. Der mutmaßliche Täter sei «neutralisiert» worden, teilte die Polizei mit. Ob er getötet wurde, war zunächst unklar. Auch zum Motiv des mutmaßlichen Angriffs in der Stadt Ramle bei Tel Aviv war zunächst nichts bekannt. Die junge Frau wurde laut dem Rettungsdienst Magen David Adom mit einer Stichwunde am Oberkörper in eine Klinik gebracht. Sie sei bei Bewusstsein, aber in ernstem Zustand.

In Israel und im besetzten Westjordanland ist es seit rund zwei Jahren verstärkt zu Anschlägen von Palästinensern gekommen. Seit Beginn des Gaza-Kriegs nach dem Massaker der Hamas in Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres hat sich die Lage noch einmal verschärft.


Erdogan unterstellt Westen Faschismus wegen Haltung zu Gaza-Krieg

ISTANBUL: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat vor dem Hintergrund des Gaza-Kriegs erneut mit scharfen Tiraden gegen den Westen ausgeholt. «Wir haben erlebt, wie diejenigen, die uns jahrelang über Demokratie und Meinungs- und Versammlungsfreiheit belehrt haben, plötzlich faschistisch werden, wenn es um Israel und Israels Interessen geht», sagte Erdogan am Freitag. Der Westen lege seine Werte ad acta, wenn es um Israel gehe.

Dem Land warf der türkische Staatschef erneut vor, einen «Genozid» im Gazastreifen zu verüben. Die islamistische Hamas nahm er hingegen in Schutz: «Nur weil Israel und seine westlichen Unterstützer das wollen, werden wir nicht zu denen gehören, die die Hamas beschuldigen, eine Terrororganisation zu sein.» Die Türkei stehe weiterhin hinter der Hamas.

Die Massaker vom 7. Oktober verurteilte Erdogan erneut ausdrücklich nicht: «Man kann die Vorfälle des 7. Oktober gutheißen oder nicht. Das ist vollkommen Ansichtssache.»

Israel hatte auf die brutalen Angriffe mit rund 1200 Toten im Süden des Landes mit massiven Militärschlägen reagiert. Mehr als 34.000 Menschen sind dabei nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde im Gazastreifen in den vergangenen sechs Monaten getötet worden.


Pro-Palästina-Protest in Paris - Studierende besetzen Uni-Gebäude

PARIS: Aus Protest gegen die Haltung ihrer Universität im Nahost-Konflikt haben Studierende der renommierten französischen Universität Sciences Po in Paris ein Gebäude blockiert. Die Universität teilte am Freitag mit, dass etwa 60 Protestierende in dem Gebäude im Herzen der französischen Hauptstadt seien. Die Hauptzugänge seien versperrt. Auf Videos war zu sehen, wie ein Eingang mit Mülltonnen und Gittern verbarrikadiert war. Auf einem Banner forderten die Studierenden die Universität unter anderem auf, die Verbindungen zu sämtlichen israelischen Unis zu kappen.

Die Universitätsleitung empfing am Freitag eine Delegation der protestierenden Studentinnen und Studenten, um eine Lösung des Konflikts zu finden. Von der Universität hieß es, man verurteilte das Vorgehen der Studierenden entschieden. Wegen des Protests blieben auch mehrere umliegende Gebäude am Freitag geschlossen. Kurse fanden online statt.

Auch in den USA gab es zuletzt propalästinensische Proteste an Universitäten. Mehrere Elite-Hochschulen gehen seit Tagen gegen Proteste rund um den Gaza-Krieg vor. Studierende wurden festgenommen, weil sie sich weigerten den nicht genehmigten Protest zu beenden.

Teilen der Protestierenden wird Antisemitismus und die Verharmlosung der islamistischen Hamas vorgeworfen, deren Ziel unter anderem die Beseitigung des Staates Israel ist. Die Hamas hatte mit ihren Massakern und den Geiselnahmen in Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres den Gaza-Krieg ausgelöst.


UN: 300 Kilogramm Schutt pro Quadratmeter im Gazastreifen

GENF: Im schwer zerstörten Gazastreifen liegen nach Schätzungen der Vereinten Nationen bereits rund 300 Kilogramm Schrott pro Quadratmeter Land herum. Mit 100 Lastwagen würde es 14 Jahre dauern, dies alles abzutransportieren, sagte Pehr Lodhammar vom Minenräumdienst der Vereinten Nationen (Unmas) am Freitag in Genf. Dazu komme die Gefahr von Blindgängern. Es gebe keine konkreten Schätzungen, wie viel scharfe Munition, die beim Aufprall nicht explodiert sei, in den Böden liege, sagte Lodhammar. Bekannt sei aber, dass typischerweise zehn Prozent der abgeschossenen Munition zunächst nicht explodierten und als Blindgänger zurückblieben.

Israel reagiert auf die verheerenden Angriffe von Terroristen aus dem Gazastreifen vom 7. Oktober im Süden des Landes mit massiven Militärschlägen. Mehr als 34.000 Menschen sind dabei nach Angaben der von der islamistischen Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde im Gazastreifen in den vergangenen sechs Monaten umgekommen und Zehntausende Häuser und Wohnungen zerstört worden.


Iran will militärische Kooperation mit China vertiefen

TEHERAN/ASTANA: Der Iran möchte seine militärische Kooperation mit China vertiefen. Nach Angaben aus Teheran einigten sich die Verteidigungsminister beider Länder auf eine engere Zusammenarbeit, wie die iranische Nachrichtenagentur Isna am Freitag berichtete. Bei einem Treffen mit seinem chinesischen Kollegen Dong Jun sagte Brigadegeneral Mohammed-Resa Aschtiani: «Um die regionalen und internationalen Sicherheitsprobleme zu lösen, ist eine stärkere Zusammenarbeit und Annäherung beider Seiten erforderlich.» Die Minister kamen am Rande eines Treffens der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit in Kasachstan zusammen.

Die Islamische Republik Iran ist wegen seines umstrittenen Atomprogramms und im Rahmen ihrer Unterstützung für nichtstaatliche militante Gruppen in Nahost zunehmend politisch isoliert. Die Staatsführung verstärkte in den vergangenen Jahren daher ihre Beziehungen zu Russland und China, suchte aber auch neue Partner. So ist die Islamische Republik inzwischen Mitglied der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit und seit Jahresbeginn Teil der Staatenvereinigung Brics. Die Strategie löst aber auch Kritik im Iran aus. Viele Menschen wünschen sich eine Verbesserung der Beziehung zum Westen.

China ist als wichtigster Abnehmer iranischen Öls auch ein wirtschaftlich bedeutsamer Partner für Teheran. Beide Länder schlossen 2021 ein Kooperationsabkommen über 25 Jahre.


Zwei Tote nach israelischem Beschuss im Libanon

BEIRUT/TEL AVIV: Bei einem israelischen Drohnenangriff im Libanon sind nach libanesischen Angaben am Freitag mindestens zwei Menschen getötet worden. Das israelische Militär zielte auf ein Auto im Osten des Libanons, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur NNA. Die israelische Armee sprach von einem getöteten hochrangigen Mitglied der Organisation «Al-Dschamaa al-Islamija». Diese kleine sunnitische Organisation aus dem Libanon hatte vor einiger Zeit verkündet, den Kampf der schiitischen Hisbollah-Miliz gegen Israel zu unterstützen. Die Gruppierung bestätigte den Tod zweier ihrer Mitglieder durch einen israelischen Angriff.

Das getötete ranghohe Mitglied der Organisation habe mehrere Terroranschläge auf Israel geplant, teilte die israelische Armee weiter mit. Die Gruppe habe dabei auch mit dem Ableger der islamistischen Hamas im Libanon kooperiert. Laut libanesischen Sicherheitskreisen gilt die Gegend um den Angriffsort als Hochburg der proiranischen Hisbollah.

Als Reaktion «auf das feige Attentat» habe die Hisbollah am Freitagabend Dutzende Raketen vom Typ Katjuscha in Richtung Israel abgefeuert, teilte die Miliz mit. Israelischen Angaben zufolge flogen rund 30 Geschosse aus dem Libanon auf das Gebiet um den Berg Hermon im Norden Israels. Einige Raketen seien abgefangen, andere auf offenem Gelände gelandet. Berichte über Verletzte gab es zunächst nicht.

Seit dem Beginn des Gaza-Kriegs schießt die Hisbollah aus dem Libanon mit Raketen, Artillerie- und Panzerabwehrgranaten auf den Norden Israels - nach eigenen Angaben aus «Solidarität» mit der Hamas im Gazastreifen. Israel antwortete mit Luftangriffen und Artilleriefeuer. Bei Beschuss aus dem Libanon wurde nach Angaben der israelischen Armee auch ein ziviler Arbeiter in Israel getötet. Bei den Gefechten im Grenzgebiet wurden bislang rund 280 Kämpfer der Schiitenmiliz getötet. Auch auf israelischer Seite gab es seitdem mehrere Todesopfer. Auf beiden Seiten sind auch Zivilisten ums Leben gekommen.


«La Repubblica»: Teheran schwankt zwischen Toleranz und Wut

ROM: Die italienische Tageszeitung «La Repubblica» meint am Freitag zum Todesurteil gegen den iranischen Rapper Tumadsch Salehi:

«Die interne Repression in Teheran erlebt einen weiteren Moment der Härte. Es ist eine Art Pendel, wie es das Land seit langem kennzeichnet. Dessen Führung schwankt zwischen Momenten schwacher und eisiger Toleranz und Phasen moralisch-repressiver Wut. (...) Dem Iran gegenüber sollte heute und morgen ein vielschichtiges und möglichst weitsichtiges Vorgehen ins Auge gefasst werden.

Die Abschreckung durch den Westen (aber auch der Golfstaaten) zur Verteidigung der roten Linie, die das «nicht-zivile» Atomprogramm Teherans darstellt, ist unvermeidlich. Daneben wird es notwendig sein, in der Konfrontation mit dem Iran von heute seine Zivilgesellschaft von morgen im Auge zu behalten, um zu gegebener Zeit auf eine mögliche, wenn auch langsame Besserung hinzuarbeiten, die von vielen Persern begrüßt würde. In der Hoffnung, dass eines Tages Regierungen an die Macht kommen, die frei sind von jener messianischen Komponente, die nur Reibung und Trauer hervorruft.»

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