KOH TAO: Fünf Wochen vor Prozessbeginn im Doppelmordfall Koh Tao schlagen die Verteidiger der Angeklagten Burmesen Zaw Lin und Wai Phyo (beide 22) Alarm. Eine im April vom Provinzgericht versprochene Neuuntersuchung aller forensischen Spuren ist laut Angaben des Chefverteidigers Nakhon Chompuchat bis heute nicht realisiert worden.
Chompuchat hat mit Entsetzen vernommen, dass der Vorsitzende Richter der großen Strafkammer die DNA-Rückstände an den britischen Mordopfern Hanna Witheridge (23) und David Miller (24) sowie weitere am Tatort gesicherte Spuren nun erst zum Prozessbeginn am 8. Juli ins Kalkül ziehen will – das heißt: Sollte eine unabhängige neue Überprüfung durch das ‚Zentrale Forensische Institut‘ in Bangkok angeordnet werden, dann erst im Verlauf des Verfahrens.
Für die Verteidigung der wegen Doppelmordes und Vergewaltigung angeklagten Zaw Lin und Wai Phyo bedeutet die Verzögerung einer unabhängigen forensischen Untersuchung einen schweren Rückschlag. Rechtsanwalt Nakhon Chompuchat sagte, das Leben seiner Mandanten hänge im Wesentlichen von der Auswertung der gerichtsmedizinischen Spuren ab. „Wenn wir dies erst im laufenden Verfahren beantragen können und so spät erhalten, sind wir gar nicht in der Lage, eine angemessene Verteidigung aufzubauen.“
Die britische Touristin Hannah Witheridge und ihre Urlaubsbekanntschaft David Miller waren am frühen Morgen des 15. September 2014 vergewaltigt und erschlagen am Sairee Strand auf Koh Tao aufgefunden worden. Der Fall hatte weltweit für Entsetzen gesorgt. Insbesondere die turbulente Ermittlungsarbeit der Royal Thai Polizei nährte bei vielen Kritikern den Verdacht, dass mangels wirklicher Tatverdächtiger zwei illegale burmesische Gastarbeiter auf Koh Tao als Sündenböcke präsentiert wurden. Thailands Polizeispitze und Justiz haben solche Vorwürfe mit Entschiedenheit zurückgewiesen.
Der Prozess gegen Zaw Lin und Wai Phyo ist auf vorerst 15 Verhandlungstage festgesetzt worden. Start wird am Morgen des 8. Juli sein. Die Eltern der Opfer werden ebenso dem Verfahren beiwohnen wie Angehörige der mutmaßlichen Tatverdächtigen. Auf Koh Samui wird der grösste Ansturm von Journalisten in der Inselgeschichte erwartet.
Die Verteidigung beklagt sich seit Aufnahme ihrer Arbeit im Oktober 2014 über den schleppenden Informationsfluss und die mangelnde Kooperation der Justizvertreter. Monatelang sei ihnen Akteneinsicht verweigert und bis heute keine vollständige Liste von angeblichen Belastungszeugen vorgelegt worden.
In der thailändischen Bevölkerung hat der Doppelmord von Koh Tao ein unglaubliches Echo gefunden. Monatelang berichteten alle großen Zeitungen und Fernsehstationen über den Fall und seinen Fortgang. Auch in den Medien wurden immer wieder Zweifel an der Glaubwürdigkeit sichergestellter Tatortspuren geäußert.
Unmittelbar nach dem Auffinden der Leichen von Hannah Witheridge und David Miller am Sairee Strand waren Hunderte von Schaulustigen in der Nähe der Opfer herumgelaufen und hatten sogar Detailfotos geschossen, die später millionenfach in sozialen Netzwerken veröffentlicht wurden. Dabei seien möglicherweise wichtige Spuren vernichtet worden, argwöhnt die Verteidigung.
