Kim Jong Uns Halbbruder gestorben - Wie starb der «kleine General»?

Foto: epa/Ahmad Yusni
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KUALA LUMPUR (dpa) - Der Halbbruder von Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un ist tot - gestorben in Malaysia, auf dem Weg ins Krankenhaus. Die Hintergründe liegen noch im Dunkeln. Aber die Spekulationen wuchern: War es ein Giftanschlag?

Es klingt wie eine dieser Agentengeschichten aus viel früheren Zeiten. Auf dem Flughafen von Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur macht sich ein Nordkoreaner namens Kim Jong Nam gerade auf den Weg zum Check-In nach Macau - nicht nur chinesische Sonderverwaltungszone, sondern auch eine Hochburg des internationalen Glücksspiels. Plötzlich nähern sich ihm zwei asiatisch aussehende Frauen und rammen ihm «Giftnadeln» in den fülligen Körper. Dann fliehen sie mit einem Taxi.

Ob sich das alles wirklich so zugetragen hat, wie es der südkoreanische Kabel-Fernsehsender TV Chosun und andere Medien aus Südkorea berichten, weiß man nicht. Was aber sicher ist: Kim Jong Nam, der ältere Halbbruder von Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un, ist tot. Nach Stunden wilder Spekulationen bestätigte Malaysias Polizei am Dienstagabend (Ortszeit), dass der 45-Jährige auf dem Weg vom Internationalen Flughafen ins Krankenhaus der nahegelegenen Stadt Putrajaya starb.

Zur Todesursache gab es offiziell zunächst keine Angaben. Der Leichnam wurde zur Obduktion gebracht. Die Vorsicht ist empfehlenswert. Aus Südkorea gab es in der Vergangenheit mehrfach Berichte über vermeintliche Racheakte gegen Gegner des Regimes in Pjöngjang, die sich später als falsch herausstellten. Doch einiges deutet tatsächlich daraufhin, dass der «kleine General», wie er früher genannt wurde, Opfer eines Mordanschlags wurde.

Kim Jong Nam - geboren am 10. Mai 1971 - war der älteste Sohn des früheren Machthabers Kim Jong Il - einer von drei Söhnen, die der Diktator mit unterschiedlichen Frauen hatte. Die Mutter war Schauspielerin, die Eltern heirateten nie. Als Erstgeborener galt er in der einzigen kommunistischen Dynastie der Welt trotzdem eine Zeit lang als potenzieller Nachfolger. Doch noch als Kim Jong Il, der «geliebte Führer», lebte, fiel er in Ungnade. Vergnügungssüchtig, Playboy, Sohn von Beruf - das waren Attribute, die man mit ihm verband.

Ausschlaggebender Grund soll letztlich eine Verhaftung 2001 am Flughafen von Tokio gewesen sein. Kim Jong Nam hatte damals angeblich einen gefälschten Pass der Volksrepublik China dabei, mit dem wenig schmeichelhaften Namen Pang Xiong darin. Zu deutsch: Fetter Bär. Ziel der Reise soll die japanische Variante von Disneyland gewesen sein.

Bis zum Tod des Vaters im Dezember 2011 flog er aber weiter recht frei um die Welt. Nach der Machtübernahme des jüngeren Halbbruders verschwand Kim Jong Nam jedoch ziemlich schnell von der Bildfläche. In Nordkoreas Machtgefüge spielte er keine Rolle mehr. Der japanische Journalist Yoji Gomi zitierte ihn in einem Buch mit den Worten, das Regime seines Halbbruders sei «ein Witz für die Welt außerhalb». Ohne Reformen werde es zugrunde gehen.

Die letzten 15 Jahre soll Kim Jong Nam überwiegend in Peking und in Macau verbracht haben. Immer wieder wurde er auch in Singapur und Malaysia gesichtet. Dem japanischen Sender Asahi TV sagte er 2010 - also kurz bevor sein Halbbruder an die Macht kam: «Ich persönlich bin gegen Nachfolge in der dritten Generation.» Möglich, dass Kim Jong Un ihm solche Sätze nie verzieh.

Falls sich die Spekulationen über einen Mordanschlag auf Order aus Pjöngjang als wahr erweisen, wäre dies ein weiterer gewaltsamer Tod in der Familie. Im Dezember 2013 hatte Kim Jong Un seinen Onkel und engen Berater Jang Song Thaek hinrichten lassen. Seither soll die Sorge bei Kim Jong Nam groß gewesen sein. Immer wieder gab es jedenfalls Gerüchte, dass ihn sein Halbbruder loswerden wollte.

Pjöngjang ist für einen äußerst brutalen Umgang mit Kritikern bekannt. 2012 war in Südkorea ein ehemaliges Mitglied von Nordkoreas Spezialkräften für schuldig befunden worden, einen Mordanschlag auf den Regimegegner Park Sang Hak geplant zu haben. Der potenzielle Killer hatte bei seiner Verhaftung unter anderem einen Füller dabei, mit dem man ein Projektil abfeuern konnte. Und einen Kugelschreiber, dessen Mine mit Gift präpariert war.

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