Hongkongs Regierungschefin «tanzt nach Pekings Pfeife»

Foto: epa/Jerome Favre
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PEKING (dpa) - Seit Samstag ist Carrie Lam neue Regierungschefin der chinesischen Sonderverwaltungszone Hongkong. Die 60-Jährige hat sich aus armen Verhältnissen nach oben gearbeitet. Eine Mehrheit der Hongkonger hätte aber lieber einen Mann im höchsten Amt der Stadt gesehen.

Carrie Lam verfügt über enormes Wissen darüber, wie Politik in Hongkong funktioniert. Die 60-Jährige, die am Samstag das Amt der neuen Regierungschefin antrat, hat bereits 1980 damit begonnen, sich in den Behörden der Wirtschafts- und Finanzmetropole nach oben zu arbeiten. Lange war sie in der Finanzverwaltung aktiv, zuletzt folgten fünf Jahre als Verwaltungschefin. Ein Posten, auf dem sie bei den Hongkongern nicht unbeliebt war.

Dass Lam allerdings seit Samstag das Amt der neuen Regierungschefin bekleidet, nehmen ihr viele Menschen in der chinesischen Sonderverwaltungszone übel. So flogen ihrem Gegenkandidaten John Tsang die Herzen der Hongkonger nur so zu. Kein Zweifel: Hätte das Volk wählen dürfen, wäre der 65-Jährige jetzt Regierungschef. Allerdings liegen die Dinge in Hongkong anders.

Statt in freien Wahlen, die Chinas Zentralregierung der ehemaligen britischen Kronkolonie schon lange verspricht, wurde Lam von einem mehrheitlich pekingtreuen Wahlkomitee mit nur etwa 1.200 Mitgliedern bestimmt.

Während Verbündete Lam als «sehr schlau und hart arbeitend» loben, lassen andere kein gutes Haar an der gebürtigen Hongkongerin, die aus armen Verhältnissen kommt und später dennoch einen Abschluss in Cambridge machte. «Sie tanzt nach der Pfeife Pekings», wie Anson Chan, Lams Vorgängerin als Verwaltungschefin, kritisiert. «Carrie Lam erscheint zunehmend autokratisch und unwillig, gegensätzlichen Rat zu hören», meint Chan.

Lam selbst sah nach ihrer Wahl, dass sich in der Metropole «viel Frust» aufgestaut habe. Sie werde sich als Regierungschefin daher vor allem darauf konzentrieren, diese gesellschaftliche Spaltung zu überwinden.

Tatsächlich warten auf die erste Frau an der Spitze der chinesischen Sonderverwaltungsregion schwere Aufgaben. Lam muss nicht nur die politische Spaltung der Stadt, sondern auch die Kluft zwischen Arm und Reich verringern. Doch viele Hongkonger erwarten nun vielmehr eine Fortsetzung der alten Politik ihres unpopulären Vorgängers Leung Chun-ying. Der war am Ende so unbeliebt, dass er nicht mehr zur Wahl antreten wollte.

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