He, alter Sack...

He, alter Sack...

Hat man Ihnen dieses Schimpfwort auch schon mal nachgerufen? Mir schon. Vor allem dann, wenn ich mich in Gegenden bewegt habe, wo sich vorwiegend junge Leute trafen. Das war in Deutschland.

Hier in Thailand ist mir das noch nie passiert. Hier habe ich nur Freundlichkeit und Respekt erfahren. Ich bin inzwischen nicht mehr ganz so mobil, aber für mein Alter noch ganz schön fit. Nicht jeder wird im Alter weiser, aber jeder wird die Veränderungen spüren, die sich im Körper abspielen. Yoga, Sport und Medikamente sind ebenso sinnlos, wie der vergänglichen Jugend nachzutrauern. Das Älterwerden bleibt niemandem erspart. Die Krankheiten, die mit zunehmendem Alter auftreten, sind unterschiedlich, abhängig von den eigenen Genen und der Lebensweise. Häufig leiten Demenz oder Alzheimer den Lebensabend ein.

Einige meiner gleichaltrigen Freunde und Bekannte sind darüber depressiv geworden. Sie sehen nur noch schwarz und verbittern. Meine Versuche, sie aufzuheitern, sind ausnahmslos gescheitert. Ich habe inzwischen das Lebensalter meines Vaters und meines Großvaters überholt und denke noch lange nicht an den Abschied, obwohl die nötigen Vorbereitungen abgeschlossen sind. Ich entwickele neue Pläne, habe neue Ideen und arbeite an einem neuen Buch. Dem Alter kann ich viele gute Seiten abgewinnen: Die Sorgen um den Lebensunterhalt haben sich mit dem Eintritt ins Rentenalter verflüchtigt, vor allem dann, wenn man vorausschauend noch die eine oder andere Zusatzrente abgeschlossen hat.

Freunde und Bekannte verhindern jede Form der Einsamkeit, und die Enkel sorgen dafür, dass mir nicht langweilig wird.

Ich weiß, Pessimisten haben keine Probleme mit der Zukunft, denn sie wissen ja schon vorher, dass alles schieflaufen wird. Ich hingegen bin und bleibe Optimist. Ich genieße jede Stunde, und am Abend freue ich mich schon auf den nächsten Tag.

Was bleibt mir im Alter versagt? Stress, Discos, Leidenschaften – ich habe alles erlebt und hinter mir gelassen. Jetzt merke ich, dass ich viel intensiver lebe. Ich bemerke die kleinen Dinge, die ich früher oft nicht beachtet habe, sei es in der Natur oder in der freundlichen Geste eines Menschen. Auch Musik und Literatur sind für mich viel wichtiger geworden. Die Gemeinsamkeit mit meinen Freunden hier in Thailand, gute Gespräche zu gutem Wein und ehrliche Anteilnahme an den gegenseitigen Problemen gehören zu den Freuden des Alters.

Trotzdem verstehe ich einige ältere Männer in meiner Umgebung nicht, wenn sie klagen:

„Herr, du hast mir das Wollen gegeben, warum nimmst du mir jetzt das Können?“

Da kann ich nur sagen: Ihr seid noch nicht bei euch angekommen.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.