Golf-Produktion steht still - VW und Zulieferer verhandeln weiter

Foto: epa/Sebastian Gollnow
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WOLFSBURG/BERLIN (dpa) - An den Golf-Bändern im Stammwerk Wolfsburg schlägt das Herz von VW. Weil sich der Konzern mit zwei Zulieferern zankt, geht dort bis zum nächsten Wochenende nichts mehr. Finden die Kontrahenten zusammen?

Der heftige Krach mit zwei Zulieferern hat die Produktion des wichtigsten Volkswagen-Modells Golf lahmgelegt - zum Wochenbeginn wollen beide Seiten wieder nach einer Lösung suchen.

Am Samstag hatte Europas größter Autokonzern das Herunterfahren der Golf-Fertigung im Stammwerk Wolfsburg vorbereitet. Ab Montag fallen dort bis einschließlich zum kommenden Samstag (27.08.) die Schichten aus. Auch die Montage des Golf und Passat in Zwickau ist betroffen.

Der Grund sind fehlende Getriebeteile und Sitzbezüge der Lieferanten ES Automobilguss und Car Trim, die zur Unternehmensgruppe Prevent gehören. Zwischen den Firmen und VW tobt ein Streit um die Kündigung von Aufträgen. In der Nacht zum Samstag hatten beide Seiten ihre Verhandlungen unterbrochen, am Montag wollen sie diese fortsetzen.

Neben der Auseinandersetzung in der Sache gab es unterschiedliche Darstellungen zum Ablauf der Gespräche. Aus Kreisen der Zulieferer hieß es, VW habe ein Durchverhandeln am Wochenende abgelehnt. Die Wolfsburger wiesen dies scharf zurück und betonten, man habe in gegenseitigem Einvernehmen besprochen, am Montag weiterzureden. Die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» und «Süddeutsche Zeitung» (SZ) meldeten vorab ebenfalls, es gebe zum Wochenstart Beratungen.

VW hatte mitgeteilt, den Kontakt zu Prevent nicht abreißen lassen zu wollen: «Wir arbeiten nach wie vor an einer Einigung.» Der Konzern kündigte aber zugleich an, notfalls alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um an die dringend benötigten Teile zu kommen.

Prevent hatte ebenfalls Bereitschaft signalisiert: «Wir streben nach wie vor eine einvernehmliche Lösung mit VW an und sind offen für entsprechende Vorschläge.» Die Zulieferer wiesen eine Verantwortung an der Entwicklung zurück und gaben dem Autoriesen die Schuld.

Viele Hintergründe des Streits sind unklar. Aus Sicht von ES und Car Trim ist er Folge einer frist- und grundlosen Kündigung von Aufträgen durch VW. Der Konzern habe keinen Ausgleich dafür gewährt.

Deswegen «sahen sich Car Trim und ES Automobilguss letztlich zum Lieferstopp gezwungen», hieß es. Nach Informationen der beiden Zeitungen soll es um eine ausgesetzte Zusammenarbeit bei Bezügen von Ledersitzen für den VW Touareg und Porsche Cayenne gehen. Dies sei nicht rechtens gewesen, habe Car Trim argumentiert und Schadenersatz in zweistelliger Millionenhöhe verlangt. Ein Teil der Forderungen wurde demnach dann auf das Prevent-Unternehmen ES übertragen, wodurch es auch bei den Getriebeteilen zu einem gefährlichen Engpass kam. Ähnliche Angaben lagen der Deutschen Presse-Agentur vor - darunter die Dokumentation einer offenen Rechnung von ES an VW in China.

In Wolfsburg prüfte Volkswagen unterdessen Kurzarbeit. Betroffen sind Beschäftigte unter anderem in Montage, Karosseriebau, Lackiererei, Presswerk und Qualitätssicherung. Für die Standorte Braunschweig, Zwickau und Kassel wird dies ebenfalls erwogen. Im Passat-Werk Emden wurde schon für 7500 Beschäftigte Kurzarbeit angemeldet. Die Bänder der in Wolfsburg hergestellten Tiguan und Touran laufen weiter. Auf das Getriebewerk in Kassel sollte der Konflikt mit Prevent nach Angaben eines VW-Sprechers noch keine Auswirkungen haben: «Wir planen für Montag keine Kurzarbeit und haben auch noch keine beantragt.»

Niedersachsens Wirtschaftsminister und VW-Aufsichtsrat Olaf Lies will in dem Streit vermitteln. Er werde mit seinem sächsischen Amts- und Parteikollegen Martin Dulig darüber sprechen, sagte der SPD-Politiker bei NDR Info. Im Interesse der Mitarbeiter müsse der Konflikt rasch gelöst werden: «Wenn sich das lange hinzieht, mag ich über die Auswirkungen (...) noch gar nicht nachdenken.» Der beträchtliche Schaden würde sich mit jedem Tag vergrößern, warnte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Sollten die Verhandlungen scheitern, müsse mehr Druck her: «Dann wird man auch Zwangsmaßnahmen aufnehmen müssen.»

Das Landgericht Braunschweig hatte am Freitag mitgeteilt, Volkswagen habe bereits alle nötigen Voraussetzungen für die Herausgabe der fehlenden Teile erwirkt. Es gebe einstweilige Verfügungen hierzu.

Auch VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh verurteilte den Lieferstopp. «Hier läuft ein ganz mieses Spiel», sagte er der «Bild»-Zeitung (Samstag). Das Blatt berichtete zudem über geplante Auszeiten in der Golf-Fertigung vom 4. bis 7. Oktober sowie vom 19. bis 22. Dezember. Diese hätten aber nichts mit dem aktuellen Lieferstreit, sondern mit einer geringeren Golf-Nachfrage infolge der Abgas-Krise zu tun.

VW betonte, es handle sich um ein Ergebnis der üblichen Produktionsplanung für das vierte Quartal - die Tage lägen überdies in den Herbstferien und kurz vor Weihnachten. Entscheidend sei stets die Auslastung über das Gesamtjahr. So habe man etwa in den Sommer-Werksferien wegen der guten Nachfrage «durchproduziert».

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Jürgen Franke 23.08.16 17:08
Inzwischen haben sich
beide Seiten geeinigt. Hintergründe sind noch im Dunkeln. Es können wieder Autos gebaut werden.
Jürgen Franke 23.08.16 14:46
Lieber Michael, da hast Du völlig recht
nur das ist nicht hier das Thema. Just in Time bedeutet lediglich, dass die Autohersteller ihre gesamte Lagerfläche für die Teile, die sie für das Zusammenbauen eines Autos benötigen, eingespart haben und die Teilehersteller jetzt punktgenau die Teile an das Band zu liefern haben, wo sie in dem Augenblick auch benötigt werden. Das Teilelager der Autobauer ist jetzt die Autobahn. Aber hier geht um die Teile, die noch nicht hergestellt worden sind. Wenn es lediglich um Logistik gehen würde, könnte VW die Teile selbst von den Herstellern abholen. Hier wird lediglich deutlich, wie die Teilehersteller schon seit Jahren von den Autofirmen geknechtet werden.
Jürgen Franke 23.08.16 11:30
Bekanntlich werden bis zu 60% der Teile,
die im Auto verbaut werden, von fremden Firmen hergestellt auch wenn sie dort nicht konstruiert werden. Der Autohersteller muss in jedem Fall sicherstellen, dass bei dem Ausfall eines Lieferanten sofort eine andere Firma einspringen kann. Das zu gewährleisten ist eigentlich die Aufgabe des Leiters des Einkaufes. Hier hat erneut VW versagt. Die Zulieferer sind eigentlich das schwächste Glied in der Kette. Den Reibach machen die Autohersteller.