Der VW Golf wird 50

​«Vom Rechtsanwalt bis zum normalen Arbeiter»  

Volkswagen (VW) Golf in der Volkswagen Glaesernen Manufaktur in Dresden. Foto: epa/Filip Singer
Volkswagen (VW) Golf in der Volkswagen Glaesernen Manufaktur in Dresden. Foto: epa/Filip Singer

WOLFSBURG: Er drückte einer ganzen Modellklasse seinen Stempel auf, ist aber selber irgendwie klassenlos: Der VW Golf, das beliebteste Auto der Deutschen, wird 50. Und er soll auch als E-Auto weiterleben.

Außenministerin Annalena Baerbock hatte früher einen, Musiker Peter Maffay schon mehrere, VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo sowieso. Der Volkswagen Golf ist das mit Abstand beliebteste Auto in Deutschland. Ganze Generationen machten ihre Fahrerlaubnis in dem Klassiker aus Wolfsburg. Nun wird der Käfer-Nachfolger 50 Jahre alt

1974 hatte er Premiere, als Golf I. Am 29. März lief damals in Wolfsburg der allererste Golf vom Band. Außen kompakt und kantig, innen dennoch geräumig, mit Frontantrieb, umklappbarer Rückbank und großer Heckklappe. Deutlicher konnte die Abkehr vom Käfer, an dem VW seit fast drei Jahrzehnten festgehalten hatte, kaum ausfallen.

Golf rettete VW vor dem Aus

Für VW war es ein Schicksalsjahr, das 807 Millionen D-Mark Verlust einbringen sollte und fünf Prozent Rückgang bei der Belegschaft. Die Gründe: Absatzrückgang, Währungsschwankungen und vor allem steigende Kosten für Material und Personal. Viel zu lange habe die Marke am Käfer festgehalten, der sich immer schlechter verkaufte, sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer vom Bochumer Center Automotive Research. Der neue Hoffnungsträger Golf I war zum Erfolg verdammt - und für den sorgte er auch. «Ohne den Golf», sagt Dudenhöffer, «würde es VW heute in der Form wohl nicht geben.»

Mehr als 37 Millionen «Gölfe», wie man die Mehrzahl in Wolfsburg liebevoll nennt, wurden seit dem Start weltweit verkauft. Inzwischen läuft im Werk die achte Generation vom Band. «50 Jahre, das gibt es nicht so oft, dass eine Ikone so alt wird und sich immer wieder neu erfindet», sagt der heutige Markenchef Thomas Schäfer, der beim Anlauf des Modells kurz vor seinem vierten Geburtstag stand. «Das ist schon ein Phänomen.» Vor allem, weil das Auto quer durch alle Käuferschichten punkte. «Der Golf war immer wirklich klassenlos», sagt Schäfer. «Den kann jeder fahren. Vom Rechtsanwalt oder Vorstandsvorsitzenden bis runter zum normalen Arbeiter. Es gibt wenige Autos, die das geschafft haben.» Auch er selbst fahre privat natürlich Golf.

Begründer der Golfklasse

Der Golf hat einer ganzen Klasse seinen Stempel aufgedrückt. Was das Kraftfahrtbundesamt Kompaktklasse nennt, heißt in der Branche ganz einfach Golfklasse. Florian Illies benannte in seinem Bestseller «Generation Golf» sogar die ganze Altersgruppe, die zwischen 1965 und 1975 geboren wurde, nach dem Auto. «Was eigentlich als Definition eines automobilen Lebensgefühls gedacht war, wurde zum passenden Polsterüberzug für eine ganze Generation», so der Autor. Die Stadt Wolfsburg benannte sich 2003 für einige Monate auf den Ortsschildern in «Golfsburg» um. Und setzte dem Modell 2015 mit einer von VW geschenkten übergroßen Golfskulptur ein Denkmal, das zum 50. Geburtstag nun mit einer goldenen Schleife versehen wurde.

Der heutige Konzernchef Oliver Blume, aufgewachsen in Braunschweig, saß schon als Kind im Golf. Sein Vater hatte in den Siebzigern einen der ersten Golf GTI, mit dem die Marke den Kompaktwagen 1976 auf Sportlichkeit trimmte. Zusammen mit dem Vater habe er den dunkelgrünen GTI Ende der Siebziger dann mit silbernen Seitenstreifen versehen, erinnert sich der heute 55-Jährige. Und am Wochenende wurde das Auto gemeinsam gewaschen, «mit der Fußball-Bundesliga-Konferenzschaltung im Radio», wie der bekennende Fan von Eintracht Braunschweig hinzufügt.

In Deutschland ist der Golf seit Jahren das meistverkaufte Auto. Doch der Thron wackelt. In Deutschland konnte der er den Spitzenplatz auch 2023 verteidigen, in Europa insgesamt musste er ihn inzwischen an Teslas Model Y abgeben. Und auch konzernintern ist der Golf nicht mehr die Nummer eins: Beim jährlichen Absatz hat ihn das 2007 aufgelegte Kompakt-SUV Tiguan längst überflügelt. «Bis zu den insgesamt 37 Millionen Auslieferungen vom Golf braucht es beim Tiguan aber noch ein bisschen», sagt Schäfer. Was angesichts der bisher ausgelieferten gut acht Millionen Tiguan wohl noch Jahrzehnte dauern wird. «Er holt aber mit großen Schritten auf.»

Nächster Golf wird elektrisch

Ob es nach dem aktuellen Golf 8 noch eine neunte Generation geben wird? «Auf jeden Fall», sagt Schäfer. Aber nicht mehr als Verbrenner. «Die nächste Generation wird elektrisch.» Und sie werde auch wieder Golf heißen, und nicht ID, wie die bisherigen E-Modelle. «Dafür stehe ich.» Bis es soweit ist, werde es aber noch bis zum Ende des Jahrzehnts dauern. «Das muss dann auch ein Fahrzeug sein, das den Werten des Golfs entspricht. Sonst macht es keinen Sinn.»

Ob der Plan aufgeht? Experte Dudenhöffer hat seine Zweifel. «Der Golf ist ein tolles Auto. Aber jedes Auto hat seine Zeit.» Gefragt seien heute eher SUVs. Und den Namen Golf verbinden die Kunden vor allem mit Verbrennern. «Die Frage ist aus Kundensicht: Wie glaubwürdig ist ein Elektro-Golf?» Der Schritt, den Golf zum E-Auto zu machen, berge für VW auf jeden Fall Risiken. «Das wäre so, als wäre man damals vom Golf I zum Käfer zurückgegangen. Das hätte nicht funktioniert.»

Dem aktuellen Verbrenner-Golf spendiert VW zum Geburtstag jetzt noch einmal ein umfangreiches Facelift. «Damit ist das Fahrzeug für die nächsten Jahre gut aufgestellt», sagt Schäfer. «Und dann müssen wir schauen, wie sich der Hochlauf der Elektromobilität weiterentwickelt.» Sollte der derzeit mäßige Elektro-Absatz weiter so schwach bleiben, könne man beim Verbrenner später auch noch einmal ein weiteres Facelift nachlegen. Aber, so betont Schäfer: «Ein komplett neues Fahrzeug wird es als Verbrenner nicht noch einmal geben.»

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Jörg Obermeier 23.03.24 07:50
Peter Schäfer 23.03.24 00:54
"Elektro-Antriebe sind keine Alternative und schon gar keine Lösung." Für mich sehr wohl. Aber wir haben ja Religionsfreiheit. Das sollte man beim Thema Auto unbedingt auch beachten.
Andre Becker 22.03.24 20:37
E-Mobilität
Die Elektromobilität wird für die breite Masse erst dann eine echte Alternative sein, wenn im Bereich der Speichertechnik ein echter technologischer Durchbruch gelingt. Die Speicherung des elektrischen Stroms war schon immer das Problem: Es werden Akkus gebraucht, die nicht brennbar, nicht giftig, sehr leicht, vergleichsweise günstig zu produzieren, schnell und einfach zu Laden und in Autos eine Reichweite so um die 1000 Kilometer besitzen. Und das auch noch bei einer Haltbarkeit von mindestens 15 Jahren ohne nennenswerte Kapazitätsverluste. Bislang sind wir leider gefühlt noch Lichtjahre davon entfernt. Erst dann werden Elektroautos die Verbrenner verdrängen.
Dazu kommt noch, dass jede neue Akkugeneration den Widerverkaufswert der derzeit angebotenen E-Autos erheblich reduzieren dürfte. Die derzeit verbauten Li-Ionen-Akkus halten bei guter Pflege so im Schnitt 7 Jahre.
Kein Wunder, das die Autoindustrie über das EU weite Verbrenner-Aus jubelte. Hatte man doch mal eben so nebenbei eines der langlebigsten Wirtschaftsgüter (das Automobil) in seiner Lebensdauer um die Hälfte reduziert. Genau so ist die Begeisterung der Industrie eizuordnen. Kann man doch zukünftig doppelt so viele Fahrzeuge produzieren. Ob das dann tatsächlich ökologisch nachhaltig ist, möge sich jeder bitte selber beantworten.
Trotzdem wünsche ich VW und den übrigen deutschen Herstellern für die Zukunft viel Erfolg, wenn gleich ich da doch so meine Zweifel habe.