Über Killerzellen, Fresszellen und Hühnersuppe

Im Gespräch mit Hendrik Streeck über sein Buch „Unser Immunsystem“

Hendrik Streeck zeigt selbst gezeichnete Illustrationen für sein neues Buch „Unser Immunsystem“. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa
Hendrik Streeck zeigt selbst gezeichnete Illustrationen für sein neues Buch „Unser Immunsystem“. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Wenn Hendrik Streeck aufmalt, was in unserem Körper vorgeht, wirkt das fast putzig. Natürliche Killerzellen – oder kurz NK-Zellen – sehen aus wie kleine Ninja-Kämpfer, Makrophagen – sogenannte Fresszellen – erinnern an das Krümelmons­ter aus der „Sesamstraße“. Streeck hat sie für sein Buch „Unser Immunsystem“ gezeichnet, in dem er die menschliche Immunabwehr erklärt. Mit der Deutschen Presse-Agentur spricht er über die Gemeinsamkeiten von Kunst und Medizin, die Zukunft der mRNA-Technologie und über die wohlige Wirkung einer guten Hühnersuppe.

Frage: Herr Streeck, man sieht es ab und zu noch auf der Straße: Eine Großmutter oder ein Großvater, die auf ein Taschentuch spu­cken und dem Enkel damit das Gesicht sauber machen, wenn er hingefallen ist. So besonders ratsam ist das nicht, oder?

Antwort: Eines vorweg: Ich sehe nicht alles, was im Leben passiert durch die Linse des Virologen. Aber grundsätzlich kann man sagen, dass Spucke viele Stoffe enthält, die einen Schutzmechanismus gegen Erreger bilden. Sie macht es Bakterien und Viren schwieriger, sich festzusetzen und zu vermehren. Daher ist Spucke generell auch ein Mittel, das antibakteriell wirkt oder das man auf eine Wunde machen kann, wenn gar nichts anderes zur Hand ist. Das große Aber: Wichtig ist, dass man seine eigene Spucke benutzt und nicht die von jemand anderem. Wenn eine Oma das also so macht, kann es durchaus zu einer Infektion kommen.

Frage: Was fasziniert Sie am Immunsystem?

Antwort: Faszinierend ist, dass das Immunsystem überhaupt keinen Ort hat. Eine Leber kann man rausnehmen, auch von einer Niere weiß man, wo sie ist. Aber das Immunsystem kann man nicht lokalisieren. Zudem ist es so stark, dass es – wenn es ganz schlimm kommt – den Menschen umbringen kann, ihn aber in den allermeisten Fällen sehr erfolgreich vor Attacken beschützt. Es leistet eine Extrem­arbeit, von der wir aber nur ganz selten etwas bemerken.

Frage: Sie wählen zur Beschreibung mitunter Vokabeln, als sei es eine Armee.

Antwort: Es ist auf jeden Fall extrem schlagkräftig. Der militärische Vergleich ist nicht aus der Luft gegriffen - vor allem auch, weil es eine organisierte Abwehr ist. Nach einer ersten schnellen Reaktion wird sehr koordiniert vorgegangen. Das ist nicht wahllos.

Frage: Sie haben die Bilder in Ihrem Buch selbst selbst gezeichnet. Wo haben Sie so gut zeichnen gelernt?

Antwort: Ich will meine Zeichenkünste nicht überbewerten. Aber deswegen hat es auch so lange gedauert mit dem Buch. Ich habe 2015 schon damit angefangen – eigentlich für ein Kinderbuch. Ich selbst habe Medizin gelernt, in dem ich viel aufgemalt habe. Wenn man das Gefühl hat, dass es etwas Menschliches hat, dann kann man oft einfacher lernen und verstehen. So ist es zumindest bei mir.

Frage: Manche Experten glauben, dass sich mit der mRNA-Technologie auch viele andere Krankheiten bekämpfen lassen. Teilen Sie diese Hoffnung?

Antwort: Die große Hoffnung dieser Technologie liegt zunächst darin, dass man Impfstoffe vergleichsweise schneller als bei früheren Laborverfahren entwickeln kann. Wir haben aber noch keine Erfahrungen damit, wie gut das bei anderen Erregern als Corona gehen kann, und wie lange ein Schutz überhaupt anhält. Wir müssen erst noch mehr lernen, um beurteilen zu können, wie hoch der Quantensprung ist.

Frage: Welche Hausmittel kann ich einnehmen, um mein Immunsystem zu stärken?

Antwort: Das ist die große Preisfrage, mit der speziellen Problematik, dass man das eigentlich gar nicht richtig kann. Wenn man beispielsweise eine Multivitamintablette nimmt, produziert man leider nur hauptsächlich teuren Urin. Das Beste für ein Immunsys­tem ist es, wenn man sich körperlich und geistig fit hält. Da gibt es auch sehr interessante psychologische Effekte. Lachen zum Beispiel ist gut für das Immunsystem, das haben Studien gezeigt. Wenn man trotzdem krank wird, gibt es natürlich bestimmte Stoffe, die einen Vorteil bringen können. Etwa eine heiße Zitrone bei einer Erkältung.

Frage: Oder Hühnersuppe.

Antwort: Ja genau. Eine frische Hühnersuppe hat Vitamin C und Vitamin E, das hat einen positiven Effekt. Zudem regt sie die Schleimbildung im Rachen an. Mit einer größeren Schleimproduktion werden Erreger leichter rausgespült. Zudem: Wenn sich ein Immunsystem neu formt, braucht es dafür Bausteine, bestimmte Aminosäuren. Die findet es ebenfalls in der Hühnersuppe.

Frage: Sie würdigen in Ihrem Buch „intensives Küssen“ bei Paaren als Methode, wenn möglich, mehrmals täglich.

Antwort: Durch den Kontakt mit einer anderen Mundflora wird das Immunsystem etwas hochreguliert. Es geht in eine latente Alarmbereitschaft und kann Erreger so leichter abwehren. Zudem wird die Mundflora durch Küssen diverser, weil sich beide Floren anpassen. Dadurch wird sozusagen das eigene Immun-Arsenal erweitert.


Zur Person

Hendrik Streeck (44) ist Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn. Seine medizinische Laufbahn begann er an der Charité in Berlin. Eines seiner Spezialgebiete ist die HIV-Forschung. In der Corona-Pandemie wurde er als Virologe deutschlandweit bekannt und zu einem oft befragten Experten.

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