Tiefschlag in die Geschichtsbücher: Schmeling auf dem Box-Thron

Foto: Pixabay/WikiImages
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NEW YORK: Max Schmeling wird bereits angezählt. Im Ring herrscht Verwirrung. Am Ende des Kampfes gegen Jack Sharkey vor 90 Jahren wird der Welt der erste deutsche Weltmeister im Schwergewicht präsentiert.

Der Aufstieg auf den Thron des Schwergewichtsboxens begann für Max Schmeling auf den Knien. Mit schmerzverzerrtem Gesicht krümmte sich der damals 24-Jährige auf den Brettern des Rings im Yankee Stadium von New York. Fast 80.000 Zuschauer waren gekommen, um Schmeling gegen Jack Sharkey verlieren zu sehen. Es war weit nach 2.00 Uhr deutscher Zeit, als Schmeling an jenem 12. Juni 1930 vom Ringrichter angezählt wurde - und kurz darauf doch der erste europäische Weltmeister im Schwergewicht war.

Denn Punktrichter Harold Barnes hatte in der vierten Runde nicht nur den massiven linken Haken von Sharkey gesehen. Nein, er hatte auch registriert, dass der Schlag weiter unter der Gürtellinie gelandet war. Es wurde protestiert, gebuht, gebrüllt, gestikuliert. Am Ende war die Entscheidung klar. Sharkey wurde disqualifiziert, Ringsprecher Joe Humphrey rief ins Mikrofon: «Neuer Weltmeister: Max Schmeling.»

Es passte zum Charakter der 2005 verstorbenen Box-Legende, dass er mit diesem Verlauf selbst nicht glücklich war. «Das war so, dass ich so enttäuscht war, dass ich also den Titel am selben Abend noch zurückgeben wollte und verzichten wollte», sagte Schmeling einst in einem Interview. Zumal er bis zum Tiefschlag vom favorisierten Sharkey klar beherrscht worden war.

Sharkey war für damalige Verhältnisse ein richtiger Brocken. 93 Kilogramm brachte der Linksausleger auf die Waage, war allerdings mit 1,83 Meter gut zwei Zentimeter kleiner als Schmeling. Der als Joseph Paul Zukauskas geborene Sohn litauischer Einwanderer beherrschte Schmeling in den ersten Runden nach Belieben, deckte ihn immer wieder mit harten Schlägen ein. Schmeling, so hofften seine Fans, würde die Anfangsphase zur Analyse des Gegners nutzen.

Doch die gewonnenen Erkenntnisse brauchte er letztlich nicht. Nach dem Tiefschlag von Sharkey wurde Schmeling in seine Ecke gehievt, saß benommen da. Einen Tiefschutz gab es damals nicht. «Ich hatte sehr viel Schmerzen und hab' dann auch noch sehr lange darunter gelitten», erinnerte er sich. Der Kampf war zwar live im Hörfunk übertragen worden, doch Deutschland hatte das Signal wegen technischer Probleme nicht erreicht. So erfuhren die Leute aus der Zeitung vom Sieg Schmelings.

Erst als Schmeling seinen Titel drei Wochen später gegen Young Stribling erfolgreich verteidigte, galt er als wahrer Champion. Seinen größten Kampf lieferte er viel später und nicht als Weltmeister. Im Juni 1936 schlug er den als unbesiegbar geltenden Joe Louis in der zwölften Runde k.o. Es war eine wohl noch größere Überraschung als Schmelings Sieg im WM-Kampf sechs Jahre zuvor.

Schmeling und Sharkey standen sich gut zwei Jahre nach dem ersten Duell erneut gegenüber. Und wieder war das Urteil umstritten. Dieses Mal war Schmeling besser, dominierte Sharkey, ließ aber zwischendurch nach. Trotzdem erwarteten die meisten einen Sieg des Deutschen nach 15 Runden. Dann folgte das Urteil: Sharkey gewann nach Punkten.

Nach dem «Weltmeister durch Tiefschlag» hatte das Boxen seinen nächsten Skandal. Den fasste Ex-Champion Gene Tunney in Worte. «Ich gebe Sharkey einen neuen Titel, den Titel des ersten Weltmeisters, der durch Davonlaufen gewann», sagte der New Yorker. In Sachen Popularität war Schmelings trotz der Niederlage noch immer einer der Größten.

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