PATTAYA: Covid-19 allerorten – die Einwohner Pattayas können es so langsam nicht mehr hören. Um die Sorgen der Pandemie einen Nachmittag lang zu vergessen, verbringen viele Menschen jetzt deutlich mehr Zeit an den fast menschenleeren Stränden der Stadt, mit denen die im Tiefschlaf schlummernde Touristenmetropole reichlich gesegnet ist. Der Blick aufs Meer und das Rauschen der Brandung sind Balsam für die coronageplagte Seele.
Mit Tourismus ließ sich früher in Pattaya viel Geld verdienen, dann kam Corona. Eineinhalb Jahre nach dem Ausbruch der weltweiten Viruspandemie hat die aggressive Deltavariante das zuvor bedeutendste thailändische Urlaubsziel fest im Griff – und treibt die Menschen an die weitläufigen Strände. Schließlich lassen sich dort soziale Distanzierung und Vergnügen auf so einfache Weise miteinander kombinieren wie wohl an keinem anderen Ort der Stadt. Das Schöne an der Distanzregel am Strand ist natürlich, dass sie bereits auch vor der Pandemie von jedem Strandgänger bei Trost befolgt wurde!
Nach dem internationalen Tourismus hat die ungebändigte Corona nun auch noch dem lokalen Besucheraufkommen aus Bangkok – insbesondere an Wochenenden und an Feiertagen – den Garaus gemacht. Mit dramatischen Folgen: Pattaya, die Stadt, die doch eigentlich niemals schläft, liegt im zweiten Seuchenjahr im Covid-19-Koma.
Flucht aus der Corona-Tristesse
Die angeordnete Schließung der Unterhaltungsbranche, für die das Seebad am östlichen Golf von Thailand weltberühmt war, folgte eine beispiellose Pleitewelle. Der Zusammenbruch der gesamten Reisebranche schlägt sich nicht nur im Stadtbild nieder, sondern auch im Freizeitverhalten der Menschen, die ihren Job in der Tourismus- und Unterhaltungsindustrie verloren haben. Sie müssen sich in der jetzt reichlich vorhandenen arbeitsfreien Zeit mit Aktivitäten begnügen, die kein oder nur wenig Geld kosten. Doch auch denjenigen, die noch über ein geregeltes Einkommen verfügen, stehen aufgrund strikter Corona-Regeln und zahlreicher Beschränkungen nicht viel mehr Freizeitaktivitäten zur Auswahl. Ob mit oder ohne Geld in der Tasche – viele zieht es deshalb in Pandemie-Zeiten an den Strand, um dem Corona-Frust ein Schnippchen zu schlagen.
Viel Freizeit aber wenig Geld
Die Auswirkungen der Covid-19-Krise wie Massenarbeitslosigkeit, Leerstände in zuvor sündhaft teuren Top-Lagen und die Vernichtung der Unterhaltungsbranche, die Pattaya zwar jahrzehntelang einen zweifelhaften Ruf bescherte, doch die Touristenmetropole weltbekannt machte, drücken sowohl bei Einheimischen als auch bei ausländischen Residenten aufs Gemüt. Auch wenn die meisten Einwohner gehorsam die Covid-19-Präventivmaßnahmen wie Maskenpflicht, Distanzhaltung und das unzählige Desinfizieren der Hände mit alkoholbasierten Flüssigkeiten und Gels befolgen, gehen sie ihnen zunehmend auf die Nerven. Die Verbote und Anordnungen zur Unterdrückung der Virusausbreitung haben das Leben der Menschen auf den Kopf gestellt, denn Routinen, soziale und berufliche Kontakte sowie Freizeitaktivitäten fallen weg. Da die Psyche von negativen Gefühlen und Gedanken geradezu „geflutet“ wird, ist es umso wichtiger, etwas für‘s seelische Wohlbefinden zu tun. Zum „Vitamin Sea“ tanken an den Strand ist deshalb in Pattaya das Rezept der Stunde gegen den „Corona-Blues“.
Aufgrund seiner vielen schattenspendenden Bäume ist der auch „Schweinebucht“ genannte Abschnitt des Wongamat-Strandes am Ende der Soi 18 in Naklua bei den Einheimischen beliebt. Wo sich früher viele wohlgenährte – vorwiegend deutschsprachige Besucher – in der Sonne aalten und dem neckischen Beinamen der Bucht alle Ehre machten, verbringen heutzutage in den späten Nachmittagsstunden auffallend viele thailändische Familien ihre Freizeit. Mit Kind und Kegel angereist, schauen Eltern ihren Kindern beim Spielen im Sand oder Wasser zu, genießen leckere Meeresfrüchtegerichte aus einem nahegelegenen Strandlokal oder führen ihr Schoßhündchen zum Schaulaufen am Strand aus.
Distanzhaltung ein Kinderspiel
Den Gefahren der Pandemie vollkommen bewusst, bleiben sowohl die Familiengrüppchen als auch die im Schatten der Bäume relaxenden Pärchen unter sich, weshalb in der „Schweinebucht“ Verstöße gegen die Corona-Distanz-Regeln die Ausnahme sind. Das bestätigt auch ein lokaler Ordnungshüter im betagtem Alter, der allabendlich – wenn die Sonne am Horizont unterzugehen scheint – allein am Strand nach dem Rechten schaut. Lediglich an langen Feiertagswochenenden, sei es dem Polizisten folgend das ein oder andere Mal zu Verstößen gegen das Alkoholverbot am Strand gekommen, doch ließen sich Probleme wie diese in den meisten Fällen mit einer mündlichen Verwarnung lösen, da sich alle Beschuldigten kooperativ zeigten.
Auch eine – nicht weniger betagte – Som-Tam-Verkäuferin dreht in der „Schweinebucht“ täglich ihre Runden. Schließlich herrscht dort, wo sich viele Einheimische aufhalten, stets eine ungezügelte Nachfrage nach dem feurig-scharfen Nationalgericht aus dem thailändischen Nordosten, dessen Hauptzutat zerstampfte unreife Papayas sind, abgeschmeckt mit viel Chili – und „Pla Raa“, einer zugleich geliebt und gehassten Spezialität aus vergorenem Fisch. Auf ihre Kosten kommen hier natürlich auch auch alle Hobbyfotografen, denn der freie Blick aufs Meer, die Skyline vom Wongamat Beach und der hier besonders dramatische Sonnenuntergang sind atemberaubend.
Zurück in die Corona-Realität
So entspannend ein Nachmittag am Strand auch ist, bleibt zumindest eine Gewissheit: Die schnelle Rückkehr in die bittere Corona-Realität. Läuft man zum Beispiel von der „Schweinebucht“ zu seinem in der Soi 18 geparkten Motorrad oder Auto zurück, kommt man am „Rim Talay Seafood & Steak Restaurant“ vorbei, beziehungsweise, was von dem einst populären Strandlokal und Sundowner-Hotspot noch übrig ist.
Der benachbarte „The Paradise Spa“, einst ein riesiges Massage-Imperium mit Massenabfertigungsrestaurant für chinesische Reisegruppen, die vor Pandemie-Beginn noch busladungenweise hierher gekarrt wurden, ist ein weiteres Opfer der dritten Corona-Welle: Das gesamte Areal wurde komplett dem Erdboden gleichgemacht.