Sicher zur Schule mit dem «Bici-Bus»

In einem Konvoi fahren Kinder und Erwachsene auf ihren Fahrrädern durch das Frankfurter Nordend. Foto: Boris Roessler/dpa
In einem Konvoi fahren Kinder und Erwachsene auf ihren Fahrrädern durch das Frankfurter Nordend. Foto: Boris Roessler/dpa

FRANKFURT/MAIN: «Wo ist der Bus?», fragt ein Junge. «Wir sind der Bus!», erklärt ihm ein Erwachsener. Und schon fährt der bunte Fahrrad-Konvoi mit lautem Geklingel los, dazu schallt fröhliche Musik aus Lautsprechern. Rund 25 Kinder und knapp 20 Erwachsene haben sich an diesem Morgen in Frankfurt am Main zu einem «Bici-Bus» zusammengefunden, einem «Fahrrad-Bus» zur gemeinsamen und sicheren Fahrt in die Schule.

Die Idee stammt ursprünglich aus England, bekannt wurde sie durch ihre Umsetzung im spanischen Barcelona, erläutert Simone Markl vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC), die das Konzept nach Deutschland brachte und es hier aufbaut. «Bici» ist das spanische Wort für «Fahrrad». Es geht um Alltagsbewegung für Kinder mit dem Fahrrad und einen sicheren Schulweg. Bei einem «Bici-Bus» werden die Kinder auf ihren Rädern von mitfahrenden Erwachsenen eingerahmt und so vom übrigen Straßenverkehr abgeschirmt.

Kinder hätten in der Stadt kaum die Möglichkeit, Fahrradfahren zu lernen und im geschützten Raum zu üben, sagt Markl. Sie zählten ohnehin zu den besonders gefährdeten Gruppen im Straßenverkehr. Im Verbund seien sie viel sichtbarer, als wenn sie alleine zur Schule fahren würden. Der ADFC empfiehlt die Mitfahrt auch für Kinder unter acht Jahren, für die die Straße sonst noch nicht erlaubt ist. Das Fahren im Verband ermögliche dies und biete ausreichend Schutz.

Anfragen aus vielen Städten Das Konzept ist stark nachgefragt, pro Woche habe sie ein bis zwei Anfragen aus anderen deutschen Städten, sagt Markl. In rund 40 deutschen Städten gibt es die bunten Konvois bereits, von Berlin über Grimma und Sylt bis Zweibrücken. Sie sind unterschiedlich häufig unterwegs.

In Frankfurt durchqueren die bunten Fahrradgruppen derzeit einmal pro Monat zwei Stadtteile. Ein weiterer soll in dieser Woche testweise hinzukommen, mit dabei auch Kita-Kinder - viele davon auf dem Laufrad, wie Markl sagt. Das Projekt «Bici-Bus Deutschland» wurde kürzlich mit dem Deutschen Fahrradpreis in der Kategorie Ehrenamt geehrt.

Die Kinder beim «Bici-Bus» im Frankfurter Nordend äußern sich begeistert. «Zusammen fahren macht viel mehr Spaß», sagt eine Neunjährige. Auch einem weiteren neunjährigen Mädchen geht es um Gemeinsamkeit, wie sie sagt. Sie ist das erste Mal dabei, zusammen mit ihrer Mutter. «Das ist eine super Aktion», freut sich diese. Eine andere Mutter betont, es sei für ihre Söhne wichtig, im geschützten Rahmen Straßen und Wege auf dem Fahrrad kennenzulernen. Ihr kleinster Sohn ist noch in der Kita und darf das erste Mal auf seinem eigenen Fahrrad mitfahren. Eifrig tritt er in die Pedale und hält mühelos mit.

Frühes Fahrradfahren wichtig Initiatoren seien meist eher die Eltern als die Schulen, sagt Markl, im ADFC Hessen Referentin für Kinder- und Schulwegsicherheit. In den Schulen heiße es oft, Kinder sollten zunächst den Fahrrad-Führerschein machen und dann mit dem Rad fahren. Sie sehe das anders: «Je früher sie es lernen, desto sicherer sind sie später unterwegs.» Es gehe auch darum, eine Alternative zum Prinzip Elterntaxi zu schaffen.

Auch der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) betont, Kinder sollten von klein auf mit ihren Eltern auf dem Laufrad oder Roller unterwegs sein, um richtiges Verhalten im Straßenverkehr zu lernen. Je öfter sie sich selbstständig bewegten, desto schneller könnten sie auch alleine sicher am Straßenverkehr teilnehmen.

Kinder im Alter zwischen 6 und 14 Jahren verunglückten im Jahr 2022 montags bis freitags besonders häufig zwischen 7 und 8 Uhr, errechnete das Statistische Bundesamt mit den zuletzt verfügbaren Zahlen. Bis 13 Uhr waren die Unfallzahlen niedriger, zwischen 15 und 16 Uhr wieder höher. Die Kinder der Altersgruppe 6 bis 14 Jahre verunglückten 2022 zudem besonders häufig mit dem Fahrrad: Die Radunfälle machten 42 Prozent aller Unfälle in dieser Altersgruppe aus.

Konzept schafft Verbindung Der «Bici-Bus» im Frankfurter Nordend ist als Versammlung angemeldet und wird von der Polizei begleitet, die dafür kurz Straßen und Kreuzungen sperrt. Wenn die Teilnehmerzahl ausreichend gewachsen sei, werde man auch ohne Polizei fahren, sagt Organisator Jörn Felgendreher. Für die Kinder sei die gemeinsame Fahrt etwas ganz Besonderes. Ihm gefalle an dem Konzept auch, dass es Verbindung schaffe - zwischen Kindern und zwischen Eltern.

An diesem Morgen stoppt der «Bici-Bus» an zwei Schulen, kurz vor 8 Uhr ist die zweite erreicht. Organisator Felgendreher bedankt sich rasch bei allen Teilnehmern, die Kinder schließen ihre Fahrräder an und strömen in das Gebäude.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.