Riesiger Pestfriedhof in Nürnberg entdeckt

Archäologen graben die menschlichen Überreste aus einem der bisher größten in Deutschland entdeckten Pestgräber aus. Foto: Daniel Löb/dpa
Archäologen graben die menschlichen Überreste aus einem der bisher größten in Deutschland entdeckten Pestgräber aus. Foto: Daniel Löb/dpa

NÜRNBERG: Die Knochen vieler Hundert Pestopfer legen Fachleute aktuell im Süden Deutschlands in der Stadt Nürnberg frei. Bei dem Fundort handelt es sich laut Archäologin Melanie Langbein um den größten Pestfriedhof Deutschlands - womöglich sogar Europas.

Die Ausgrabung in der Stadt im Bundesland Bayern habe einen hohen wissenschaftlichen Wert, sagte Langbein am Dienstag. Diese könnte wichtige Erkenntnisse über die Entwicklung der Pest bringen. Eine Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig sei bereits in Aussicht.

Die Fachleute gehen davon aus, dass sich etwa acht Massengräber auf dem Gelände befinden. Eine Grabungsfirma arbeitet gerade an dem Dritten davon. Etwa 800 Tote seien bisher dokumentiert, erläuterte der Grabungsleiter Florian Melzer. Laut den Hochrechnungen könnten weit über Tausend Tote dort bestattet sein.

Diese starben Langbein zufolge wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. 1632/33 habe es in Nürnberg eine große Pestwelle mit mehr als 15.000 Toten gegeben, sagte die Stadtarchäologin. Erste Hinweise auf die Gräber hatten Erkundungsarbeiten im vergangenen August ergeben. «Dass es diese Ausmaße annimmt, hat uns auch überrascht», sagte Langbein. Auf dem rund 5900 Quadratmeter großen Grundstück sollen ein Pflegeheim und Wohnungen für Seniorinnen und Senioren entstehen.

Die archäologischen Grabungen gestalten sich nach Angaben der Fachleute kompliziert. Die Knochen seien sehr fragil, sagte Melzer. Zudem liegen die Toten in den Gräbern in vielen Schichten übereinander. Ein Teil der Skelette sei beschädigt, weil auf dem Grundstück im Zweiten Weltkrieg eine Bombe eingeschlagen sei.

Insgesamt seien die Toten aber verhältnismäßig gut erhalten, sagte Langbein. Darunter seien Kinder, alte Menschen, Frauen und Männer - also ein Querschnitt der damaligen Bevölkerung. Teilweise seien Überreste von Kleidung wie Knöpfe, Ösen, Haken erhalten. Manche der Toten wurden laut Melzer in Leichentüchern ins Grab gebettet, andere scheinen hineingeworfen worden zu sein.

Vor den Fachleuten liegt nun noch viel Forschungsarbeit, wie Langbein betont. Es gebe auch Hinweise darauf, dass auf dem Gelände ebenfalls Tote einer anderen Krankheits-Epidemie im 19. Jahrhundert liegen. «Unter Umständen haben wir nicht nur Pest, sondern Pest und Cholera.»

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