JAKARTA: Indonesien ist einer der mächtigsten Akteure im Indopazifik und für Deutschland ein wichtiger Partner. Jetzt steht ein Machtwechsel bevor. Favorit ist ein Ex-General mit dunkler Vergangenheit.
Indonesien ist ein junges Land. Wenn die Menschen in dem riesigen Inselreich am Mittwoch zu den Urnen gehen, um den Nachfolger des populären Präsidenten Joko Widodo (genannt Jokowi) zu bestimmen, dann sind mehr als die Hälfte der 205 Millionen Wahlberechtigten zwischen 17 und 39 Jahren alt - und somit Millennials oder der Generation Z zugehörig. Ein Großteil war noch nicht geboren, als der brutale Langzeit-Diktator Suharto 1998 gestürzt wurde.
Jetzt strebt Suhartos früherer Schwiegersohn Prabowo Subianto an die Macht: In Umfragen liegt der ehemalige General gegenüber seinen beiden Mitbewerbern klar vorn. Gerade bei der jungen Wählerschaft kommt der 72-Jährige gut an - nicht zuletzt wegen einer extrem cleveren Social-Media-Kampagne. «Ich werde ihn wählen, er steht für Wirtschaftswachstum und Kontinuität», sagt Fensenius Arianto, ein Taxifahrer auf der Urlaubsinsel Bali.
Mit Clips und Fotos seiner Katze Bobby Kertanegara, die einen eigenen Instagram-Account hat, hat sich Prabowo im Wahlkampf eine große Fanbase geschaffen. Er selbst präsentiert sich als netter Opa, der sich in TikTok-Videos etwas ungelenk zu indonesischen Rhythmen wiegt. «Die jungen Leute hier finden ihn einfach «cute» (niedlich), obwohl er über 70 Jahre alt ist», sagt Denis Suarsana, Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Jakarta.
Dass auch Prabowo Menschenrechtsverletzungen während der Suharto-Jahre vorgeworfen werden und ihm viele Jahre die Einreise in die USA untersagt war, scheint vergessen. Unter Jokowi, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidieren darf, war Prabowo zuletzt Verteidigungsminister. «Die Themen aus der Vergangenheit spielen in der allgemeinen Wahrnehmung gar keine Rolle mehr», sagt Suarsana.
Als Vize-Präsidenten hat Prabowo Jokowis ältesten Sohn Gibran Rakabuming Raka (36) nominiert, selbst ein Millennial. Viele rieben sich die Augen, war Prabowo doch bei der letzten Wahl 2019 noch Jokowis erbitterter Gegner. Kritiker werfen dem Noch-Präsidenten nun vor, eine politische Familiendynastie aufbauen zu wollen.
Gegen Prabowo treten der Gouverneur der Provinz Zentraljava, Ganjar Pranowo (55) und der frühere Gouverneur von Jakarta und Ex-Bildungsminister Anies Baswedan (54) an. Alle drei stehen für eine Fortführung der erfolgreichen, auf wirtschaftliche Entwicklung ausgerichteten Politik der Jokowi-Ära. Jüngsten Umfragen zufolge käme Prabowo aber schon am Mittwoch auf mehr als 50 Prozent der Stimmen - und müsste somit nicht einmal in eine Stichwahl.
Eine Wahl im G20-Mitgliedstaat Indonesien - dem größten muslimischen Land der Erde - ist in globalen Krisenzeiten auch international bedeutsam. Mit seinen 274 Millionen Einwohnern ist das Archipel das viertbevölkerungsreichste Land und die drittgrößte Demokratie der Welt. Seit 1976 hat die südostasiatische Staatengemeinschaft Asean ihren ständigen Sitz in der Hauptstadt Jakarta. Überhaupt gilt Indonesien als mächtigster Akteur in ganz Südostasien und eines der wichtigsten Länder im gesamten Indopazifik.
In Europa könnte ein Wahlsieg des früheren Generals angesichts dessen möglicher Verwicklungen in Morde, Folter und Entführungen seit den 1980er Jahren mit Besorgnis aufgenommen werden. «Das wird aber nicht unbedingt die Haltung der EU gegenüber Indonesien verändern, da noch viele andere Faktoren zu berücksichtigen sind», sagte Shafiah Fifi Muhibat, Expertin am indonesischen am Zentrum für strategische und internationale Studien, der Deutschen Presse-Agentur.
Denn Indonesien ist ein aufstrebendes Powerhouse. Bereits heute ist das Land unter anderem dank riesiger Nickelerzvorkommen die größte Volkswirtschaft Südostasiens. Prognosen zufolge wird es bis 2045 weltweit unter die Top 5 aufsteigen - und Deutschland überholen.
Derzeit ist Deutschland der größte Handelspartner in der EU - vor allem bei Maschinen, Chemie, Autos und Elektronik. Nach Angaben des indonesischen Außenministeriums haben rund 400 deutsche Unternehmen in Indonesien investiert und sind dort tätig. Die wirklich wichtigen Partner sind aber andere. China und die USA vor allem, wobei Jakarta immer um eine möglichst neutrale Haltung gegenüber den beiden Großmächten bemüht ist. Und auch andere Handelspartner stehen Schlange. Die Beziehungen zu Europa bröckeln hingegen mächtig.
Denn Indonesien hat 2020 ein Ausfuhrverbot für Nickelerz verhängt, das für die Autoindustrie wichtig ist. Grund: Die Regierung will eine Verarbeitungsindustrie im eigenen Land aufbauen, um die Wirtschaft von innen heraus weiter anzukurbeln. «Das kommt natürlich im Land unheimlich gut an», sagt Suarsana. Die EU klagte zwar erfolgreich dagegen bei der Welthandelsorganisation (WTO), aber Indonesien legte Widerspruch ein. Bis zur Entscheidung könnte es Jahre dauern.
Der Inselstaat ist zudem der größte Palmölproduzent der Erde. Dafür werden Regenwälder vor allem auf Borneo geopfert, Palmöl gilt als Klimakiller. Im vergangenen Jahr kündigte die EU an, das Öl nur noch importieren zu wollen, wenn es ohne Entwaldung produziert wurde. Die komplexen Vorgaben der Verordnung sorgen seit Monaten für Knatsch: In Indonesien wird Europa zunehmend als überheblich und moralisch belehrend wahrgenommen.
Wohin die Reise im Falle eines Wahlsiegs gehen könnte, machte Prabowo unverhohlen klar. «Wir öffnen Euch unseren Markt für Eure Mercedes, Eure Volkswagen, Eure Airbus, aber ihr erlaubt uns nicht, Palmöl zu verkaufen», sagte er im November und setzte hinzu: «Es gibt einen Wandel in der Welt. Wir brauchen Europa nicht mehr wirklich, um ganz offen zu sein. Wir lieben Europa, aber wenn Europa uns nicht liebt, dann gibt es eine Doppelmoral.»