Polizisten verdienen zu wenig

Uniformierte leiten gerne mal ein Bussgeld in die eigene Tasche um

Ein Polizist regelt den Verkehr. Bei tatsächlichen oder vermeintlichen Verstössen gegen die Strassenverkehrsordnung zahlen viele Motorisierten, bevor ein Strafzettel ausgefüllt wird. Ein Zubrot für den Beamten.
Ein Polizist regelt den Verkehr. Bei tatsächlichen oder vermeintlichen Verstössen gegen die Strassenverkehrsordnung zahlen viele Motorisierten, bevor ein Strafzettel ausgefüllt wird. Ein Zubrot für den Beamten.

Von Günther Ruffert

Viele Missverständnisse und Klagen von Farang entstehen dadurch, dass an das Pflichtverständnis der thailändischen Polizisten dieselben Erwartungen gestellt werden, wie an das Arbeitsethos derPolizei in Deutschland. Da gibt es aber erhebliche Unterschiede, die Ausländer beachten sollten, wenn sie mit den Ordnungshütern hier im Land zu tun haben.

Obwohl beide Uniform tragen und die Aufgabe haben, den Bürger zu schützen und das Gesetz durchzusetzen, haben ein deutscher Polizist und sein Kollege in Thailand nicht viel gemeinsam. Wer inDeutschland zur Polizei geht, der kann damit rechnen, als unkündbarer Beamter zwar keine Reichtümer zu erwerben, aber doch genug zu verdienen, um den Lebensunterhalt für sich und seine Familiebestreiten zu können.

In Thailand hingegen bekommt ein Polizist in den ersten Dienstjahren ein Gehalt von etwas mehr als 4.000 Baht, das sind umgerechnet keine 100 Euro. Dieses Minigehalt reicht trotz der relativniedrigen Lebenshaltungskosten in Thailand nicht für den Beamten und schon gar nicht für seine Familie zum Lebensunterhalt aus.

Wie Polizei-General Sant Sarutanont, der nationale Polizeichef, als Ergebnis einer Untersuchung mitteilte, wären, um in Bangkok halbwegs vernünftig überleben zu können, 15.000 Baht mindestenserforderlich.

Zwar sind die Nahrungsmittel und auch die Wohnungen allgemein nur etwa halb so teuer wie bei uns, andere, nicht in Thailand hergestellte Gebrauchsgüter wie Elektrogeräte, Fahrzeuge usw. kommenaber meist teurer. Dem Polizisten bleibt also gar nichts anderes übrig, als zu sehen, wie er zusätzlich an ein paar Baht kommt, vor allem wenn er dann auch noch Kinder auf eineschulgeldpflichtige Oberschule schicken will. Und da das Leben, insbesondere für Thais, nicht nur aus Arbeit, sondern vor allem auch aus „Sanuk“ (Spass) besteht, muss auch das finanziertwerden.

Wenn trotzdem ein Riesenandrang zu diesem Beruf herrscht, dann deswegen, weil er für die meisten jungen Leute ohne Hochschulausbildung oft die einzige Möglichkeit für eine gesicherte Existenzin Staatsdiensten ist. Wie begehrt dieser Beruf ist, zeigte sich im August 2000, als sich für 1.800 freie Stellen etwa 75.000 Kandidaten bewarben und für die obligatorische Einstellungsprüfunganmeldeten.

Ein wichtiges Motiv, Polizist zu werden, ist die Möglichkeit, sich etwas ausserhalb der Legalität Nebeneinnahmen zu verschaffen, indem man die Hände aufhält und dafür die Augen zumacht. Wennman von der Polizei bei Rechtsverstössen ertappt wird, so hat man - zumindest solange die Sache noch nicht aktenkundig ist - in der Regel die Möglichkeit, sich durch eine entsprechendeAblösungssumme aus der Affäre zu ziehen.

Jeder, der sich im Strassenverkehr auskennt, weiss, dass - von Ausnahmen abgesehen - jeder Polizist, der einen Fahrer wegen Verstosses gegen die Verkehrsvorschriften anhält, bei einem in dieHand gedrückten 100- Baht-Schein die Augen zumacht und den Verkehrssünder unbehelligt weiterfahren lässt. Autofahrer haben deswegen immer einige 100-Bahtscheine im Handschuhfach liegen, die sieschnell durch das Fenster reichen können. Würde der Fahrer erst in der Brieftasche kramen und einen 500- oder 1000-Bahtschein hervorholen, könnte er auch diesen abliefern.

Strassenhändler, die verbotswidrig ihre Verkaufstände auf den Bürgersteigen aufstellen, sind nur eine von vielen anderen Einnahmequellen für Bangkoks Polizisten. Der Gouverneur von Bangkok hatkürzlich mit einer unkonventionellen Massnahme versucht, die überhand nehmende Erpressung der Strassenhändler durch die mit der Überwachung der Ordnung beauftragten Ortspolizisten einzudämmen.Er hat alle Polizisten, die von den Händlern Bestechungsgelder bzw. nicht durch Vorschriften gedeckte Gebühren für die eigene Tasche fordern, mit einem öffentlichen Fluch belegt. Der Fluch sollzwar nur die „Schwarzen Schafe“ unter den Ortspolizisten treffen, hat aber trotzdem grosse Unsicherheit bei den an schwarze Magie glaubenden Ordnungshütern ausgelöst, weil sich wohl fast jedermit diesen Bestechungsgeldern ein zusätzliches Einkommen zu seinem schmalen Gehalt verschafft.

Es gibt auch durchaus legale Möglichkeiten, sich als Polizist etwas nebenbei zu verdienen, wie folgendes Beispiel zeigt: In jedem Dorf gibt es einen oder mehrere Händler, die von den Bauernsackweise Reis aufkaufen, um ihn dann, wenn eine Lkw-Ladung zusammen gekommen ist, zum Grosshändler in die Stadt zu fahren. Reis ist ein schweres Gut, der Sprit teuer, und die Lastwagen sinddeshalb immer heillos überladen. Nun baut die Polizei an einer Hauptstrasse eine Sperre auf und kontrolliert die mit Reissäcken beladenen Fahrzeuge. Für die Kontrolle der Ladung brauchen diePolizisten keine Fahrzeugwaage, sie zählen nur die Säcke. Ein Sack Reis wiegt 80 kg, also bringen die normalerweise 80 Sack auf dem für 4,5 Tonnen zugelassenem Lkw etwa 6 1/2 Tonnen.Der Fahrermuss also ein Bussgeld bezahlen und den überladenen Wagen an Ort und Stelle erleichtern. Nun steht „zufällig“ ein paar hundert Meter weiter ein Gross-händler, und die Polizei erlaubt dem Fahrergrosszügig, bis dorthin weiter zu fahren, um seinen Reis abzuladen und zu verkaufen. Der Händler zahlt aber für den im Notverkauf abgegebenen Reis 1 Baht pro Kilo weniger als andere Händler.Das macht bei 6.500 kg rund. 6500 Baht zusätzlichen Gewinn. Der Händler muss natürlich mit den Polizisten teilen, die freundlicher- weise gerade vor seiner Haustür die Kontrollstelleeingerichtet haben. Alles völlig legal, denn die Lastwagen sind tatsächlich überladen, und der Händler kann für den ihm angebotenen Reis soviel zahlen, wie er will.Von Polizisten darf man nichtzuviel selbständiges Denken erwarten. Ein typisches Beispiel für deren Scheuklappendenken ist die Kontrolle der Einhaltung der Gurtpflicht. Als ich mit zehn Leuten hinten auf der Ladeflächeeines Pickups, darunter ein paar Kinder, vom Markt kam, geriet ich in eine Polizeikontrolle und musste 300 Baht „Bussgeld“ bezahlen, weil meine Frau auf dem Beifahrersitz keinen Gurt angelegthatte, da der auf ihren ansehnlichen Busen drückt. Dass alle Personen, die ungeschützt hinten auf der Ladefläche des Pickups sassen - vor allem die Kinder - bei einem Unfall schwer verletztoder gar zu Tode kommen würden, interessiert die kontrollierenden Polizisten dagegen überhaupt nicht. Es gibt nämlich kein Gesetz, dass das Mitfahren von Personen auf der Ladefläche einesPickups regelt. Falls es ein solches Gesetz gäbe, würde allerdings auch der Verkehr auf dem Lande zusammenbrechen.Bemerkenswert ist auch die Konzentration der Verkehrspolizei auf ganz bestimmteAufgaben. Obwohl in Thailand für Motorradfahrer Helmpflicht besteht, auch der Beifahrer auf Motorrädern ist gesetzlich zum Helmtragen verpflichtet, kann man, ausser in Bangkok, einigengrösseren Städten und den Fremdenverkehrsorten, meistens unbehelligt ohne Helm an Polizisten vorbeifahren. Plötzlich wird eine Helmaktion gestartet, und alle Helmsünder haben ihren Obolus zubezahlen. Es ist kaum einem Polizisten bewusst, dass seine Aktionen nicht der privaten Geldbeschaffung, sondern dem Schutz der Verkehrsteilnehmer zu gelten haben.Der Farang, der an einerStrassensperre 100 Baht losgeworden ist, ohne recht zu wissen wofür, mag sich damit trösten, dass das Geld ja nicht in irgendeiner anonymen öffentlichen Kasse versickert, sondern einemunterbezahlten Polizisten hilft, sich das Leben ein bisschen angenehmer zu gestalten.

Polizist beginnt bei 4.100 Baht

Gehaltstabelle für Beamte

Ein Blick in die Gehaltsta-belle der Polizisten macht die Diskrepanz zwischen Verdienst und Ausgaben für den Lebensunterhalt deutlich. Uniformierte, die BMW, Volvo oder Mercedes-Benz fahren,ein stattliches Wohnhaus besitzen, ihre Kinder auf eine teure Privatschule schicken und mit ihrer Familie mehrfach im Monat ein Restaurant aufsuchen, geben bei einem solchen Lebensunterhaltmehr Geld aus, als sie vom Staat bekommen.

Der Beamte beginnt mit 4.100 Baht (ohne Zuschläge), und sollte der Hauptwachtmeister im Laufe der Jahrzehnte nicht aufrücken, würde er mit 7.260 Baht in Pension gehen. Leutnant und Hauptmannstarten bei 5.460 Baht, erreichen bis zum Ruhestand aber immerhin 19.740 Baht. Beim Major sind es 9.560/24.440, der Oberst verdient 13.650/42.170. Mit der höheren Beamtenlaufbahn nimmt dasGehalt zu auf monatlich 42.120/59.090 Baht. Das ist dann allerdings Spitze, so viel verdient nur der Leiter der Nationalen Polizeitruppe mit seinen 240.000 Untergebenen.

Der einfache Uniformierte bekommt also kaum mehr als eine Putzfrau, muss von seinem schmalen Salär aber noch Uniform und weitere Ausrüstung bezahlen.

Fast alle Polizeistationen klagen, sie bekämen zu geringe Mittel, um Verkehrssünder oder Kriminelle effektiv jagen zu können. Die wenigen den Beamten zur Verfügung stehenden Motorräder undPick-ups können an vielen Tagen nicht gestartet werden, weil für Benzin oder Diesel das Geld fehlt. Also setzen sich dienstbeflissene Beamte auf ihr eigenes Motorrad, andere benutzen ihreLimousine.

Und überall im Land kommen grosszüge Geschäftsleute ins Spiel. Sie sponsern ihre Polizeieinheit. Sie bezahlen Reparaturen, finanzieren eine neue Funkanlage, schenken, was auf der Wache geradebenötigt wird. Dass Uniformierte ihren Sponsoren freundlich gesinnt sind und bei Bedarf schon mal ein Auge zudrücken, ist nachzuvollziehen.

Die kürzlich in der Bangkok Post veröffentlichte Gehaltstabelle gilt nicht nur für Polizisten, sondern für alle Staatsdiener. Nur höhere Beamte der Justiz, Staatsanwälte und Richter, bringenetwa 30 Prozent mehr nach Hause.

Spannendes Buch über den Isaan

Günther Ruffert kam vor über zwei Jahrzehnten als Bauingenieur erstmals nach Thailand. Vor sieben Jahren baute er sich im Isaan bei Surin ein Haus, in dem er mit seiner thailändischen Frau undTochter lebt. Die Familie kauft bei Bauern nach der Ernte Reis auf und gibt ihn an Grosshändler weiter. Zudem hat der jetzt 75jährige auf 150 Rai mit dem Zuckerrohranbau begonnen. Da Anbau undErnte arbeitsintensiv sind, ist zeitweise die Hälfte der Dorfbewohner bei Ruffert beschäftigt. Der Deutsche spricht inzwischen fliessend Thai und versucht, sich dem alltäglichen Tagesablauf inseinem Dorf anzupassen. Im FARANG berichtet Günther Ruffert über das Leben in den Dörfern und die Jahrhunderte alten Sitten dieses Landes.

Wer mehr über das weitestgehend unbekannte Isaan erfahren möchte, sollte zu Rufferts neuem Buch greifen: „Ein Fenster zum Isaan“ beschreibt den Alltag der Menschen im Nordosten ausunterschiedlichen Perspektiven. Das Buch kostet 395 Baht und ist in Pattaya in der FARANG-Geschäftsstelle an der Thepprasit Road, in den Bookazine-Geschäften in der Royal Garden Plaza und imCentral Festival Center/Big C, bei Amigo Tailor an der Soi Diamond und im Restaurant Braustube an der Naklua Road erhältlich.

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