VENEDIG: Papst Franziskus hat davor gewarnt, die Kunst alleine den Gesetzen des Marktes zu überlassen. «Gewiss, der Markt fördert und kanonisiert, aber es besteht immer das Risiko, dass er die Kreativität «vampirisiert», die Unschuld raubt und am Ende kalt entscheidet, was zu tun ist», sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche am Sonntag auf der Kunstbiennale in Venedig bei einer Ansprache vor Künstlern. «Heute ist es nötiger denn je, klar zwischen Kunst und Markt zu unterscheiden», betonte der Pontifex.
Kurz zuvor war der Papst im Frauengefängnis auf der venezianischen Insel Giudecca mit rund 80 Gefangenen zusammengetroffen und hatte dabei auf das Problem der Überfüllung vieler Haftanstalten hingewiesen. Zugleich betonte er die Chancen, die die Haft für einen Neuanfang biete. «Paradoxerweise kann der Aufenthalt in einem Gefängnis den Beginn von etwas Neuem darstellen, die Wiederentdeckung ungeahnter Schönheiten in uns und den anderen, wie es das künstlerische Ereignis symbolisiert, das ihr beherbergt und zu dessen Projekt ihr aktiv beitragt», sagte der Papst mit Blick auf den von den Insassinnen mitgestalteten Pavillon des Heiligen Stuhls im Frauengefängnis.
Es war das erste Mal, dass ein Papst die große Ausstellung zeitgenössischer Kunst besuchte, die alle zwei Jahre Hunderttausende Besucher aus aller Welt anzieht. Die 60. Ausgabe war am 20. April eröffnet worden und dauert bis zum 24. November. Die auf der Giudecca gezeigten Kunstwerke waren im Dialog mit den gefangenen Frauen entstanden. Die vom Vatikan beauftragten Künstler hatten sich bemüht, deren Realität einem Publikum begreifbar zu machen, das noch nie in einer Haftanstalt war. «Con i miei occhi» («Mit meinen Augen») heißt der Pavillon. Er kann per Voranmeldung im Internet besucht werden.
Der Papst war am frühen Morgen mit dem Hubschrauber von Rom nach Venedig geflogen. Bei einer heiligen Messe auf dem Markusplatz warnte er anschließend vor den Folgen des Klimawandels für die Stadt, seine Auswirkungen auf das Wasser der Lagune, auf Bauten und Kunstschätze und auf die Menschen. Er sprach sich für eine «angemessene Steuerung des Tourismus» aus. In Venedig müssen Touristen seit Donnerstag erstmals Eintritt bezahlen.