Nachhaltigkeit erfordert mehr als bloßes Design

Im Gespräch mit Elmar Kleiner vom Architekturbüro OIA in Jomtien

Nachhaltigkeit erfordert mehr als bloßes Design

Elmar Kleiner ist in Lindau am Bodensee aufgewachsen und begann seine berufliche Karriere 1995 als offizielles Mitglied der Bundesarchitektenkammer mit einem Architektur-Gemeinschaftsbüro in Berlin. Nach seiner Übersiedlung nach Thailand gründete er 2006 in Pattaya-Jomtien das multidisziplinäre Architekturbüro OIA (Office for Interior & Architecture), um seine Leidenschaft für nachhaltige Design-Visionen und sein Wissen auf die aufstrebende südostasiatische Region auszudehnen. Anlässlich seines 25. Berufjubiläums traf sich DER-FARANG-Redaktionsleiter Björn Jahner mit Elmar Kleiner und befragte ihn zu den Anforderungen nachhaltiger Architektur, zur Vereinbarkeit von nachhaltigem Design und Ästhetik sowie über seine entwickelte E3-Methode.

DER FARANG: Sie können auf eine 25-jährige Erfolgsgeschichte als Architekt zurückblicken. Was war für Sie persönlich auschlaggebend für Ihre Berufswahl?

Kleiner: Unsere Familie war immer sportlich aktiv aber auch musikalisch und kunstbegeis­tert. Mein Traum war eigentlich Sportarzt zu werden. Da ich jedoch keinen Studienplatz in Medizin erhielt, entschied ich mich für ein Studium der Künste und begann 1986 in Konstanz mein Architekturstudium, das ich 1991 mit dem Diplom abschloss. 1992 bis 1994 bot sich mir die Möglichkeit eines Fulbright-Stipendiums am weltbekannten Southern California Institute of Architecture (SCI-Arc), das eine hervorragende Ergänzung zu meinem Studium an einer deutschen Hochschule darstellte. Dort erlangte ich den Master of Architecture & Arts.

DER FARANG: Ist Ihre anfängliche Faszination auch heute noch vorhanden oder bestimmt professionelle Routine Ihre Arbeit?

Kleiner: Für Architekten gibt es keinen Tag ohne neue He­rausforderungen und Überraschungen, was für mich als neugieriger Mensch sicherlich auch einer der Gründe war, einen Beruf zu ergreifen, der mich nie langweilen wird.

DER FARANG: Welche Architekten haben Ihr berufliches Schaffen beeinflusst?

Die neue Pandora-Produktionsstätte in Nord-Thailand ist das bisher größte fertiggestellte Projekt von OIA.
Die neue Pandora-Produktionsstätte in Nord-Thailand ist das bisher größte fertiggestellte Projekt von OIA.

Kleiner: Natur – dann kommt erst einmal lange nichts (lacht)! Sehr prägend und gleichermaßen lehrreich war mein einjähriges Zwischenpraktikum bei Herbert Schaudt, einem im süddeutschen Raum bekannten Architekten. Da wir rasch bemerkten, dass wir eine ähnliche Auffassung zu Leben und Arbeit hatten – und somit auch zur Architektur – hatte ich als Praktikant plötzlich mehr Projekte auf dem Tisch als die meisten seiner Mitarbeiter. Aus dem Dunstkreis international bekannter Architekten fällt mir spontan der Schweizer Eigenbrötler Peter Zumthor ein oder auch die leider viel zu früh verstorbene iranisch-britische Visionärin Zaha Hadid. Was mich an diesen sehr unterschiedlichen Vorbildern beeindruckt, ist ihre ausgeprägte Persönlichkeit, die sie auch stets in ihrem beruflichen Schaffen mit Leib und Seele eingebracht haben. Meiner Meinung nach ist eine der unabdingbaren Charaktereigenschaften eines Architekten, dass er über organisatorische oder merkantile Anforderungen hinaus auch einen kulturellen Anspruch verfolgt.

DER FARANG: Seit der Gründung im Jahr 1995 ist OIA seinem Grundsatz von nachhaltigen Designvisionen treu geblieben. Welchen Anspruch sollte nachhaltige Architektur Ihrer Meinung nach erfüllen?

Kleiner: Ein Bauwerk ist in meinen Augen nur dann wirklich nachhaltig, wenn es viele Jahre, gar Generationen, sinnvoll genutzt wird. Um diesen Anspruch zu erfüllen, ist Teamarbeit unabdingbar, vom Auftraggeber über den Projektleiter und Designer bis hin zum ausführenden Unternehmen, um das komplexe Zusammenspiel von Design, Ökonomie, Ökologie, sozio-kulturellen Aspekten sowie technischen und organisatorischen Herausforderungen erfolgreich zu meistern.

Erfreulich ist, dass Sustainability (Anm. d. Red.: der englische Begriff für Nachhaltigkeit) in den letzten Jahren eine zunehmende Bedeutung im Bewusstsein in weiten Teilen der Gesellschaft einnimmt. Leider geht mit dieser Entwicklung auch eine Banalisierung als bloßes Verkaufsinstrument einher, was für den Laien oftmals nur schwer zu unterscheiden ist.

DER FARANG: Sind nachhaltige Architektur und Ästhetik miteinander vereinbar?

Ursprüngliches Fundament von OIA ist und bleibt der private Wohnungsbau, im Bild eine luxuriöse Pool-Villa.
Ursprüngliches Fundament von OIA ist und bleibt der private Wohnungsbau, im Bild eine luxuriöse Pool-Villa.

Kleiner: Absolut! Betrachten wir doch mal Gebäude, welche die Jahrhunderte überdauert haben und welche wir mit Ehrfurcht bewundern. In diesem Zusammenhang fällt mir auch ein bekanntes Zitat von Adolf Loos ein – „Form folgt der Funktion“ – das auch nach 100 Jahren noch Gültigkeit hat, besonders für mich, für den die Natur die genialste aller Lehrmeisterinnen ist. Das soll jedoch nicht heißen, dass Architektur nicht auch Spaß machen darf. Doch sinnlos applizierte Gimmicks oder wichtigtuerische Gesten sind in unserem Vokabular nicht vertreten… das mussten wir vor der Aushändigung unseres Diploms sogar unterschreiben (lacht)!

DER FARANG: Bitte erläutern Sie Ihre entwickelte E3-Methode, die mit vielen Nachhaltigkeitszertifikaten ausgezeichnet wurde.

Kleiner: E3 steht für Efficiency + Economy + Ecology: Verantwortungsvolle Nutzung von Material/ Energie/ Humanressourcen (Effizienz), den zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln (Ökonomie) sowie einem respektvollen Umgang mit der Natur (Ökologie). E3 stellt die pragmatischen Hauptpfeiler für unsere holistisch integrierte Arbeitsweise dar, denn wie bereits erläutert, reicht „bloßes Design“ nicht aus, um mit einem Vorhaben einen nachhaltigen Erfolg zu erzielen.

Die langjährige intensive Zusammenarbeit mit den zuständigen deutschen Ministerien, der deutschen Botschaft in Bangkok, der Außenhandelskammer und nicht zuletzt der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) und der damit verbundenen Anerkennung – für die ich mich hiermit ausdrücklich bedanke – war stets eine große Motivation für unseren Einsatz. Dafür wurden unsere Projekte u.a. mit dem ersten in Südostasien vergebenen DGNB-Gütesiegel sowie mit dem ersten LEED-Gold-Zertifikat (Leadership in Energy and Environmental Design) für ein industrielles Projekt ausgezeichnet.

DER FARANG: Stoßen Sie in Thailand im Vergleich zu Europa auf erschwerende oder auf erleichternde Bedingungen für nachhaltige Architektur?

Kleiner: Die ersten 10 Jahre waren wirklich Pionierarbeit, aber gehören auch mit zu den Gründen, die meine Entscheidung zum Spatenstich in Thailand bekräftigten, angesichts des enormen Potentials hinsichtlich Nachhaltigkeit. Die Klimagespräche 2012 in Bangkok habe ich persönlich als Wendepunkt im Bewusstsein der thailändischen Bevölkerung wahrgenommen, auch wenn ein wirkliches Verständnis für die Idee nachhaltiger Entwicklung noch viel Überzeugungsarbeit erfordert, besonders bei asiatischen Kunden. Auch heute noch stellen Europäer das Gros unserer Auftraggeber mit Interesse an nachhaltigen Designvisionen dar, die Geschäftsmodelle langfristiger betrachten und – im Gegensatz zum sehr budgetorientieren lokalen Marktverhalten – auch ein RoI (Anm. d. Red.: Return of Investement) von mehr als drei Jahren akzeptieren. Unsere Kunden sind nach der Projektübergabe zumeist völlig von den Socken, was Architekten jenseits von Ästhetik in erprobter Zusammenarbeit mit unseren „grünen Ingenieuren“ in Bezug auf Wohnqualität, Wohlbefinden, Funktionsabläufen oder auch Energieeinsparung von bis zu 90 Prozent imstande sind beizutragen.

DER FARANG: Zu Ihren Kunden gehören namhafte Unternehmen, für die Sie industrielle Großprojekte erfolgreich umgesetzt haben. Bieten Sie auch nachhaltige Designlösungen für Privatkunden an?

Häfele Design Studio in Phuket.
Häfele Design Studio in Phuket.

Kleiner: Selbstverständlich, denn privater Wohnungsbau ist das ursprüngliche Fundament unseres Schaffens und unsere Passion. Wer sich von einem Architekten das Zuhause planen lässt, gibt sich nicht mit einer vom Bauträger empfohlenen 08/15-Lösung zufrieden, sondern sucht nach maßgeschneiderten Ideen. Unser Repertoire schöpft dabei aus der Persönlichkeit der Bauherrschaft, den begleitenden Umständen (Budget, Grundstück, Anforderungen, etc.) und unserem Fachwissen, was jedem Projekt einen eigenständigen Charakter verleiht.

DER FARANG: Auf welche Projekte sind Sie besonders stolz?

Kleiner: Eines meiner ersten realisierten Projekte war ein Dachaufbau in der Schweiz aus vorgefertigter Holztafelbauweise, welches wir in enger Zusammenarbeit mit einem großartigen Bauherrn und einem absolut kompetenten Bauteam erstellten. Der Rohbau wurde innerhalb eines Tages montiert und das preisgekrönte Objekt ist auch heute noch – nach über 20 Jahren – „state of the art“ und in bestem Zustand.

Ein weiterer Meilenstein für OIA erfolgte zehn Jahre später mit dem Bau des Häfele Design Center in Phuket, ein mehrfach preisgekröntes Projekt, für das wir mit der Generalplanung betraut wurden. Dank des mutigen Auftraggebers konnten wir u.a. die Idee eines intelligenten Klima-Daches zur natürlichen Frischluftversorgung mit einbringen.

Eine Riesenüberraschung war für uns der Zuschlag, für den dänischen Schmuckgiganten Pandora eine neue Produktionsstätte in Nordthailand zu planen – unser bislang größtes realisiertes Projekt. Wir haben es zu einem „Industrial Lifestyle Complex“ mit attraktiven Aufenthaltsbereichen aufgewertet, den Produktionsablauf durch innovative Funktionsanordnung optimiert und mit regenerativen Energiesys­temen die Unterhaltskosten für das Unternehmen gewaltig reduziert. Das Projekt wurde als erster Industriebau in Südostasien mit dem international bekanntesten Zertifikat für grünes Bauen – LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) – in Gold ausgezeichnet.

DER FARANG: Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Kleiner: Derzeit arbeiten wir an Konzepten für das nachhaltige Wohnen der Zukunft, die sowohl den privaten Wohnungsbau als auch grüne Design­lösungen in einem verdichteten urbanen Umfeld umfassen. Ein weiteres Projekt, das uns seit vielen Jahren sehr am Herzen liegt ist unser „OIA Earth Positive Architecture Program“. Was ursprünglich mit dem „anarchistischen“ Pflanzen von Bäumen begann, wurde inzwischen auf eine Beteiligung am Thor Heyerdahl Climate Park (HCP) in der Region Ayeyarwady in Myanmar ausgedehnt. Im Rahmen dieses Projektes machen wir jedes Jahr eine Inventur der von uns geplanten und realisierten Flächen, die wir dann in Mangroven-Setzlingen verrechnen. OIA betreut inzwischen mehrere Tausend Mangrovenbäume, wodurch unser Unternehmen seit 2016 CO2-positiv ist. Unser Ziel ist, bis 2030 alle unsere Projekte CO2-positiv zu realisieren, bei zwei Projekten ist uns das bereits gelungen.

DER FARANG: Das klingt, als wenn Sie noch lange nicht ans Aufhören denken…

Kleiner: Ich gehöre zu der Kategorie „Junger Architekten“ – die reicht bis 60 Jahre. Das Prädikat eines erfahrenen Architekten steht mir demnach also noch bevor und viele Kollegen – denken wir an Lord Norman Foster oder Frank Gehry – arbeiten noch in ihren 90ern, wenn sie die Strapazen des Berufes solange überleben (lacht)!

DER FARANG: Sehr geehrter Herr Kleiner, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview genommen haben.

246/84 Moo 12
Jomtien Beach Road
Nongprue, Banglamung
Chonburi 20150, Thailand
www.o-i-a.com
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