Mit «Wumms» aus der Krise?

​Wer vom Konjunkturpaket profitieren soll

BERLIN: In Deutschland wird infolge der Corona-Krise eine schwere Rezession erwartet, die Arbeitslosigkeit ist bereits gestiegen. Die Koalition will nun mit einem milliardenschweren Konjunkturprogramm gegensteuern - «Aufschwung für alle»?

Es ist ein beispielloses Konjunkturpaket. Die Spitzen der schwarz-roten Koalition wollen mit vielen Milliarden die Wirtschaft in Deutschland wieder ankurbeln, die wegen der Corona-Krise eingebrochen ist. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) gab am Mittwochabend den Ton vor, nachdem sich die Koalition nach einem langen Ringen geeinigt hatte: «Wir wollen mit Wumms aus der Krise kommen.» Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) legte am Donnerstag nach: Das Programm solle einen «Aufschwung für alle» ermöglichen. Wer soll von den Milliarden profitierten?

VERBRAUCHER:

Überraschend einigten sich die Spitzen von CDU, CSU und SPD auf eine befristete Senkung der Mehrwertsteuer. Damit soll der Konsum gestärkt werden, das kostet rund 20 Milliarden Euro. Konkret soll vom 1. Juli an bis zum 31. Dezember 2020 der Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent auf 16 Prozent, der ermäßigte Satz von 7 Prozent auf 5 Prozent gesenkt werden - dieser gilt für Waren des täglichen Bedarfs, etwa für Lebensmittel.

Der Schritt soll vor allem Geringverdiener entlasten, denn die Mehrwertsteuer ist oft die einzige Steuer, die sie in nennenswerter Höhe zahlen. Die große Frage aber ist, ob die Senkung wirklich den erwarteten Konsumschub bringt - oder ob viele Bürger mit großen Anschaffungen wie neuen Autos nicht lieber doch noch warten, bis sie genauer wissen, was die Zukunft bringt. Dazu kommt, ob die Unternehmen die Senkung wirklich eins zu eins an die Kunden weitergeben.

FAMILIEN UND ALLEINERZIEHENDE:

Familien bekommen mehr Geld. Geplant ist ein einmaliger Kinderbonus von 300 Euro pro Kind für jedes kindergeldberechtigte Kind. Der Bonus muss versteuert werden, er wird aber nicht auf die Grundsicherung angerechnet. Dadurch sollen vor allem Geringverdiener profitieren. Der Bonus ist zum einen dafür gedacht, dass der Konsum angekurbelt wird - aber auch als «Dankeschön» für Familien, die angesichts der Corona-Beschränkungen oft große Belastungen hatten im Spannungsfeld zwischen Homeoffice und Kinderbetreuung.

Die Extrazahlung soll «aller Wahrscheinlichkeit nach» in drei Raten in Höhe von jeweils 100 Euro überwiesen werden, wie Familienministerin Franziska Giffey (SPD) sagte. Wann genau der Bonus ausgezahlt wird, ist noch offen. Familien mit sehr hohen Einkommen sollen von der Leistung nichts haben, weil sie bei der Steuer mit den Kinderfreibeträgen verrechnet werden soll.

Hilfen soll es daneben auch für Alleinerziehende geben: der steuerliche Entlastungsbeitrag soll befristet auf 2 Jahre von derzeit 1908 Euro auf 4000 Euro mehr als verdoppelt werden.

AUTOFAHRER UND AUTOBRANCHE:

Es war einer der größten Knackpunkte bei den Verhandlungen der Koalition: eine Kaufprämie beim Kauf moderner und abgasärmerer Benziner und Dieselautos. Die Hersteller und die «Autoländer» Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg hatten diese gefordert. Umweltverbände liefen dagegen Sturm, weil eine Verbrenner-Prämie dem Klima wenig nütze. Sie scheiterte schließlich am Widerstand der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans.

Die eingebrochene Nachfrage nach Benzinern und Dieselautos soll nun mit der niedrigeren Mehrwertsteuer angekurbelt werden. Beschlossen wurden zudem deutlich höhere Prämien für Elektroautos. So soll für E-Fahrzeuge mit einem Nettolistenpreis von bis zu 40.000 Euro die Förderung des Bundes befristet bis Ende 2021 von 3000 auf 6000 Euro steigen. Dazu kommt eine Förderung der Hersteller in Höhe von 3000 Euro. Außerdem soll das Ladenetz für E-Autos ausgebaut und Firmen beim Strukturwandel gefördert werden.

STROMKUNDEN:

Bürger und Unternehmen sollen bei den hohen Stromkosten entlastet werden. Dafür soll die EEG-Umlage zur Förderung von Ökostrom-Anlagen ab 2021 durch Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt abgesenkt werden. Sie soll nun 2021 bei 6,5 Cent pro Kilowattstunde liegen und 2022 bei 6 Cent - derzeit liegt die Umlage, die Bürger über die Stromrechnung bezahlen, bei 6,76 Cent. Ohne Gegensteuern droht sie Experten zufolge im kommenden Jahr vor dem Hintergrund der Corona-Krise stark anzusteigen.

Nach Berechnungen des Vergleichsportals Check24 entlastet die Senkung der Umlage die Haushalte in Deutschland um rund 900 Millionen Euro. Eine Familie mit einem Jahresverbrauch von 4250 Kilowattstunden spare 2021 etwa 11 Euro, im Jahr darauf betrage die Ersparnis 21 Euro. Die Stromverbraucher profitierten außerdem von der Senkung der Mehrwertsteuer.

BAHN UND NAHVERKEHR:

Die Bahn hatte zu Jahresbeginn bereits die Fahrpreise im Fernverkehr gesenkt, nachdem es Erleichterungen bei der Mehrwertsteuer gegeben hatte. Von der nun geplanten Senkung sollen Fahrgäste erneut profitieren, wie Bahn-Vorstandsmitglied Ronald Pofalla sagte.

Die Bahn bekommt außerdem Milliardenhilfen, weil in der Corona-Krise die Fahrgastzahlen eingebrochen waren, was zu starken Einnahmeausfällen führte. Der Bund will dem bundeseigenen Konzern nun weiteres Eigenkapital in Höhe von fünf Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Geplant sind außerdem Hilfen von 2,5 Milliarden Euro für den Öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV).

KOMMUNEN:

Den Kommunen drohen hohe Steuerausfälle, weil vor allem die Gewerbesteuer als wichtigste Einnahmequelle einbricht. Ausfälle sollen nun von Bund und Ländern zusammen ausgeglichen werden. Der Bund will knapp sechs Milliarden Euro übernehmen. Dazu will sich der Bund mehr an den Kosten der Unterkunft bei der Grundsicherung für Arbeitsuchende beteiligen.

Das Ziel: Die Kommunen sollen handlungsfähig bleiben und nicht aus Sparzwang Einrichtungen wie Bibliotheken oder Schwimmbäder schließen müssen. Und sie sollen investieren können - dies ist wichtig etwa für die Bauwirtschaft und das Handwerk. Eine Übernahme von Altschulden durch den Bund soll es nicht geben, Scholz scheiterte mit Plänen dazu am Widerstand der Union.

ARBEITNEHMER UND ARBEITGEBER:

Infolge der Corona-Krise steigen die Ausgaben in allen Sozialversicherungen. Um eine Steigerung der Lohnnebenkosten zu verhindern, plant die Koalition eine «Sozialgarantie 2021». Die Sozialversicherungsbeiträge sollen bei maximal 40 Prozent stabilisiert werden, durch milliardenschwere Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt. Dies soll die Nettoeinkommen der Arbeitnehmer schützen und Arbeitgebern Verlässlichkeit bringen.

FIRMEN:

Besonders belastete Branchen und Betriebe bekommen eine zusätzliche Unterstützung in Milliardenhöhe. Geplant sind «Überbrückungshilfen» im Umfang von maximal 25 Milliarden Euro. Ziel ist es, eine Pleitewelle vor allem bei kleinen und mittelständischen Firmen zu verhindern, deren Umsätze weggebrochen sind. Die Überbrückungshilfe soll für die Monate Juni bis August gewährt werden.

Sie soll gelten für Branchen wie das Hotel- und Gaststättengewerbe, Clubs und Bars, Reisebüros, Schausteller, aber auch Profisportvereine der unteren Ligen. Erstattet werden sollen fixe Betriebskosten bis zu einem Betrag von 150.000 Euro für drei Monate. Geplant ist auch ein Programm zur Milderung der Corona-Auswirkungen im Kulturbereich, und zwar in Höhe von einer Milliarde Euro.

Geplant sind daneben steuerliche Entlastungen für Firmen. So wird der sogenannte steuerliche Verlustrücktrag erweitert. Betriebe können damit aktuelle krisenbedingte Verluste schon im laufenden Jahr mit Gewinnen aus dem Vorjahr verrechnen - das soll die Liquidität stärken. Damit Unternehmen mehr investieren, will die Koalition außerdem Abschreibungsregeln verbessern.

MOBILFUNKKUNDEN:

Das Konjunkturprogramm soll auch einen Schub bei der Digitalisierung geben. Vor allem auf dem Land und in Zügen gibt es oft schlechten Empfang, diese Defizite sollen nun schneller und mit mehr Geld behoben werden. Auch die Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung soll vorangebracht werden, davon sollen nicht zuletzt die Bürger profitieren.

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