Schock und Ärger nach schlimmem Adelboden-Sturz

«Lebensgefährlich»

Sieger Marco Schwarz aus Österreich jubelt auf dem Podium des Slalomrennens der Herren beim FIS Alpinen Skiweltcup in Adelboden. Foto: epa/Jean-christophe Bott
Sieger Marco Schwarz aus Österreich jubelt auf dem Podium des Slalomrennens der Herren beim FIS Alpinen Skiweltcup in Adelboden. Foto: epa/Jean-christophe Bott

ADELBODEN: Der böse Sturz von Tommy Ford trübt das lange Adelboden-Wochenende. Obwohl aus dem Krankenhaus erste vorsichtige Entwarnung kommt, sorgt der Unfall des Amerikaners für Ärger in der Ski-Gemeinde. Vor allem ein norwegischer Technik-Star ist empört.

Der Anblick war furchtbar. Tommy Ford liegt am Rand der Piste in Adelboden, den Kopf zur Seite gedreht, einen Arm nach hinten verkrümmt, die Beine noch im Fangnetz. Er bewegt sich nicht. Helfer eilen herbei und beginnen, sich um den US-Skirennfahrer zu kümmern. Das in normalen Jahren von einer großen Wintersport-Sause mit Zigtausenden Fans samt Partymusik geprägte Alpin-Wochenende im Berner Oberland ist von einem schlimmen Unfall - und etlichen weiteren folgenschweren Stürzen - überschattet worden. Nach bangen Stunden gab es am Samstagabend immerhin erste gute Nachrichten.

«Tommy Fords Kopf- und Nackenverletzungen sind nicht schwerwiegend und entwickeln sich gut. Er hat noch eine Knieverletzung, die weiter untersucht wird», twitterte der US-Skiverband. Die Erleichterung über dieses erste Bulletin war groß in der Ski-Welt. «Wir denken alle an dich», schrieb die frühere amerikanische Alpin-Dominatorin Lindsey Vonn in den sozialen Medien und wünschte gute Besserung.

In das kollektive Aufatmen mischte sich aber auch Ärger darüber, dass es überhaupt zu derart schweren Unfällen bei den beiden Riesenslaloms am Freitag und Samstag gekommen war. Am ersten Renntag auf dem schwierigen Chuenisbärgli-Hang in der Schweiz hatten sich bereits die norwegischen Youngster Lucas Braathen und Atle Lie McGrath verletzt, deren WM-Saison vorzeitig zu Ende ist. Auch bei Tommy Ford geht niemand mehr von einem Comeback in diesem Winter aus.

Von einer «komplett kopflosen» Kurssetzung sprach Norwegens Henrik Kristoffersen im Sender TV2. Er kritisierte, dass die Fahrer deshalb extrem schnell wurden, und das just in einem so steilen Abschnitt wie dem berüchtigten Schlusshang von Adelboden. «Wenn der Schnee dann noch so aggressiv ist, ist das lebensgefährlich», fand Kristoffersen. «Das ist echt eine Schande, weil es unnötig ist.» Den Riesenslalom könne man so gleich in Super-G umtaufen, schimpfte er.

Der erfahrene Ford hatte in vollem Speed eines der letzten Tore des Kurses nicht mehr erwischt. Er strauchelte, kam zu Fall, überschlug sich, schlitterte auf Kopf und Nacken über den Schnee, krachte dann noch gegen zwei Pistenarbeiter und blieb neben der Strecke liegen.

Durch den Aufprall auf den Kopf dürfte der 31-Jährige das Bewusstsein verloren haben. Als er nach einer fast halbstündigen Behandlung am Unfallort in einen Rettungsschlitten gelegt und danach von einem Helikopter weggeflogen wurde, konnte er aber mit Helfern reden, wie das US-Team mitteilte. Weitere Details zu den Verletzungen verriet eine Sprecherin unter Verweis auf Fords Privatsphäre zunächst nicht.

Der sportliche Wettkampf und die beiden famosen Siege des französischen Weltcup-Gesamtführenden Alexis Pinturault gerieten angesichts des Vorfalls in den Hintergrund. Der deutsche Hoffnungsträger Alexander Schmid kam mit dem Chuenisbärgli wie von ihm selbst befürchtet überhaupt nicht zurecht und landete auf Platz 22 - am Freitag hatte er als 21. ebenfalls enttäuscht. Stefan Luitz fehlte verletzt und schrieb bei Instagram: «Es ist hart, die Rennen zuhause zu gucken. Aber es ist noch schlimmer, die Jungs so stürzen zu sehen.»


Slalom-Ass Straßer auch in Adelboden auf Podest
Manuel Schwarz (dpa)

ADELBODEN: Linus Straßer ist keine Eintagsfliege. Nach seinem Sieg-Coup in Zagreb schafft es der Münchner auch in Adelboden auf das Podest, diesmal als Zweiter. Auf seinem Lieblingshang in der Schweiz zeigt der Deutsche nicht nur seine Ski-Klasse, sondern auch Köpfchen.

Das breite Podiums-Grinsen im Gesicht von Linus Straßer war hinter der obligatorischen Maske deutlich zu erahnen. Der beste deutsche Slalomfahrer hat nach dem Sensationssieg von Zagreb erneut seine Ausnahmeform im Weltcup gezeigt und ist in Adelboden als Zweiter wieder auf das Podest gerast. Auf dem komplizierten Chuenisbärgli war der Münchner am Sonntag nur von Marco Schwarz aus Österreich zu schlagen, der 0,14 Sekunden schneller war.

«Das war ein unglaublich schwieriges Rennen und eher ein Arbeitserfolg», sagte Straßer zum famosen Finale auf seinem Lieblingshang. Der deutsche Alpinchef Wolfgang Maier freute sich über ein «absolutes Weltklasse-Ergebnis» seines Comeback-Künstlers, der auf beachtliche Art gezeigt hat, keine Eintagsfliege zu sein.

Wie schon am Mittwoch in Kroatien hatte Straßer im zweiten Lauf eine beeindruckende Aufholjagd gestartet und war von Rang zwölf noch fast ganz nach vorne gefahren. «Das war mehr ein Kampf als ein Genuss», sagte der Edeltechniker im ZDF. «Ich bin wirklich zufrieden.»

Im Berner Oberland erlebte Straßer das Happy End eines spannenden Ski-Krimis. Er verwies den Briten Dave Ryding um eine Hundertstelsekunde auf den dritten Rang. Auch dahinter ging es eng zu: Wäre Straßer 0,06 Sekunden langsamer gefahren, hätte es nur zu Rang fünf gereicht. «Das Hundertstelglück war heute definitiv auf meiner Seite, aber das darf es ja auch mal sein», flachste er.

Nach Jahren der Suche nach dem perfekten Schwung und der richtigen Einstellung im Schatten von Felix Neureuther scheint Straßer nun sein Erfolgsrezept gefunden zu haben - zwei derartige Rennen sind der Beweis. «Es passt gerade einfach», sagte Maier. Nachdem Straßer im ersten Lauf noch nicht die ideale Ski-Abstimmung zu dem aggressiven Schnee gefunden hatte, klappte es im Entscheidungslauf besser. «Das war von oben bis unten eine gute Vorstellung», lobte Maier. Statt wild zu attackieren, fand Straßer besonnen die schnellste Spur.

Trainer und Betreuer sind erleichtert, dass der talentierte Athlet cool genug ist, um aktuell genau die richtige Mischung zu finden. Gefordert bleibe er aber weiterhin. «Man darf nicht in Hysterie verfallen und glauben, es geht immer so weiter», sagte Bundestrainer Christian Schwaiger im ZDF. «Er muss versuchen, relaxed zu bleiben und gut Ski zu fahren. Dann erledigen sich die Dinge von allein.»

Dabei hatte sich der Sportler in Adelboden nach eigener Aussage gar nicht so gut gefühlt. Aber dann konnte er im Ziel doch erschöpft und glücklich ausschnaufen und den Zeigefinger in die Höhe recken.

Nach seinem Zagreb-Coup war Straßer mit ganz neuen Gefühlen in einer eigens für die Rennfahrer gecharterten Maschine in die Schweiz geflogen. «So ein Sieg macht etwas mit einem», erzählte der Sportler vom TSV 1860 München am Wochenende. «Jetzt muss man das nur in die richtige Richtung lenken. Ich habe gemerkt, dass es machbar und menschlich ist, ein Rennen zu gewinnen.» Dieses Selbstbewusstsein kann er nun mitnehmen in den nächsten Slalom am Sonntag in Wengen.

Dort wird übrigens trotz Corona-Meldungen aus der Region gefahren, wie die örtlichen Behörden und der Weltverband Fis am Sonntag bekanntgaben. Der formstarke Linus Straßer wird sich freuen.

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