ORF: Social-Media-Richtlinie provoziert Kritik

ORF-Chef Alexander Wrabetz wies die Kritik zurück. Foto: epa/Florian Wieser
ORF-Chef Alexander Wrabetz wies die Kritik zurück. Foto: epa/Florian Wieser

WIEN/BERLIN (dpa) - Der öffentliche-rechtliche ORF in Österreich und die Regierungspartei FPÖ haben ein schwieriges Verhältnis. Nach viel Kritik will der ORF nun eine Social-Media-Richtlinie einführen. Selbst im österreichischen Kanzleramt ist man skeptisch.

Eine vom ORF geplante Social-Media-Richtlinie für die Mitarbeiter hat intern sowie bei vielen Journalisten und Medienvertretern heftige Kritik ausgelöst. Auf Druck der rechten Regierungspartei FPÖ soll die ORF-Führung einen Entwurf erarbeitet haben, der den ORF-Mitarbeitern künftig auch auf privaten Accounts eine «einseitige oder parteiische Haltung» untersagt. Dagegen protestiert nun unter anderem der bekannte ORF-Nachrichtenmoderator Armin Wolf - und bekommt von vielen Kollegen Unterstützung.

«Ich twittere nichts, was ich nicht auch bei einer Podiumsdiskussion oder in einem Interview sagen würde», erklärte Wolf in einem Tweet. «Auch wenn dort das ORF-Gesetz nicht gilt, ist mir immer bewusst, was und wo ich arbeite. Hat bisher tadellos gereicht.»

ORF-Chef Alexander Wrabetz wies die Kritik, der ORF erlasse einen «Maulkorb» für die Mitarbeiter, im Gespräch mit der österreichischen Nachrichtenagentur APA als «absurd» zurück. In der zweiten Julihälfte werde es demnach Gespräche mit Betriebs- und Redakteursrat zu dem Thema geben. Wrabetz erklärte in dem Gespräch, dass die Richtlinie eine Maßnahme sei, die den kritischen Journalismus im ORF absichern solle. «Wenn man sich kritisch mit Fragen auseinandersetzt, muss man das so tun, dass nicht der Eindruck der Voreingenommenheit der journalistischen Arbeit im ORF entsteht.»

Der ORF und die FPÖ liegen bereits seit längerem im Clinch. Die FPÖ, die seit Dezember mit der ÖVP die Regierung bildet, fordert nicht zuletzt das Aus der Gebührenfinanzierung für den Sender. Seit Mai stellt die FPÖ mit Norbert Steger den Vorsitzenden des ORF-Stiftungsrats. Der hatte bereits im April angedroht, dass bei Verstößen gegen die bereits damals angekündigte Richtlinie nach einer Verwarnung die Entlassung folge.

Im Februar hatte ein Facebook-Beitrag von Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache Ärger provoziert, in dem er Wolfs Nachrichtensendung als einen «Ort, an dem Lügen zu Nachrichten werden», bezeichnete. In einem offenen Brief an Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) kritisierten daraufhin führende deutsche Journalisten und Kulturschaffende die Attacken der FPÖ gegen den Sender. Strache entschuldigte sich bei Wolf.

Am Dienstag sagte Strache in Wien, dass die Richtlinie eine interne Angelegenheit des ORF sei. Er erwarte vom ORF aber selbstverständlich eine parteipolitisch unabhängige Berichterstattung. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zeigte sich hingegen überrascht über die Pläne. «Ich halte die Meinungsfreiheit für ein hohes Gut. Insofern sehe ich persönlich diesen Erlass, diese Idee, sehr sehr skeptisch.»

Diese Einschätzung teilt der Deutsche Journalisten-Verband (DJV): Aus Sicht des Verbandsvorsitzenden Frank Überall ist es eine befremdliche Tendenz beim ORF, politische Meinungsäußerungen mit «Guidelines» verbieten zu wollen. «Wenn eine Äußerung in sozialen Medien wie auf Twitter als privat erkennbar ist, kann man sie nicht untersagen», erklärte Überall gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Alles andere sei eine Einschränkung ihrer Meinungsfreiheit.

Das gelte auch für Deutschland. «Auch wir Journalisten sind ja immer noch Staatsbürger.» Es sei ihr gutes Recht, in privaten Accounts oder Blogs ihre Meinung zu sagen. Etwas anderes sei es, wenn sie sich zum Beispiel in Blogs oder auf den Webseiten der Medien äußerten für die sie arbeiten, dann seien sie in einer anderen Rolle, sagte Überall.

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