Frankreichs etwas anderer 14. Juli - Weiße Kittel und ein Präsident

Foto: Pixabay
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PARIS: Absperrungen, soweit das Auge reicht, und Zugang nur für geladene Gäste. Frankreichs Nationalfeiertag stand ganz in Zeichen von Corona - und den Heldinnen und Helden der Krise. Doch auch Macron wollte an diesem Tag einen Punkt machen - und hob seine Leistungen hervor.

So etwas gab es seit Ende des Zweiten Weltkrieges nicht: Statt einer kilometerlangen Militärparade beschränkte sich die Feier zum Nationalfeiertag auf die Place de la Concorde im Herzen der Hauptstadt. Das Publikum war handverlesen und wurde von Sicherheitskräften kontrolliert. An diesem besonderen 14. Juli war alles anders als sonst - das Militär machte etwas Platz. Vor allem für die Pflegekräfte, deren Einsatz während der Corona-Krise gewürdigt wurde. Doch auch noch jemand anders setzte sich in Szene: der Präsident höchstpersönlich.

Emmanuel Macron hatte schon vor Wochen erklärt, dass dieser 14. Juli ein anderer sein werde. Auf den Tribünen rund um den Platz saßen Menschen in weißen Kitteln - aber auch Sicherheitskräfte, Lehrkräfte, Menschen, die im Supermarkt arbeiten. Es wurden diejenigen geehrt, die während der Krise den Laden sozusagen am Laufen gehalten haben. Von einer Volksfeststimmung, die sonst am Nationalfeiertag aufkommt, war überhaupt nichts spüren.

Unter wolkenverhangenem Himmel paradierten Angehörige aller Armeegattungen. Gut 2000 Militärs präsentierten sich vor der Ehrentribüne mit Macron - das war etwa die Hälfte des sonst üblichen Aufgebots. Unter den Ehrengästen war auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der unweit der Präsidentengattin Brigitte Macron Platz nahm. Am Ende mischten sich dann Krankenhaus- und Pflegekräfte unter die Soldaten. Es brandete Applaus auf - und fing an zu tröpfeln.

Und auch noch etwas war anders als sonst an diesem Tag: Macron gab nach den Feierlichkeiten ein Fernseh-Interview. Das ist äußert selten für ihn. Mehr als eine Stunde stellte sich der Staatschef den Fragen der bekannten Journalisten Léa Salamé und Gilles Bouleau. Und er nutzte die Zeit, um seine Politik vehement zu verteidigen - wenn er diese auch manchmal nicht gut kommuniziert habe.

Macron diagnostizierte seinem Land eine Vertrauenskrise. Frankreich habe «im Grunde Angst». Vor der Gesundheitskrise sei im Land der Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit gewonnen worden, sagte er. Er habe Reformen durchgeführt, «die man für unmöglich hielt». Gleichzeitig gebe es «spaltende Kräfte». Diese sorgten dafür, dass es nicht vorwärts gehe. Er machte klar, dass er an den Grundsätzen seiner Reformpolitik festhalten will.

Das Lob für die eigenen Leistungen und Pläne ist bitter nötig. Denn mit der Corona-Krise ist Frankreich in eine schwere wirtschaftliche Krise geschlittert. Bis zu eine Million Arbeitslose zusätzlich könne es im kommenden Frühjahr geben, prognostizierte Macron. Nicht unwahrscheinlich, dass dann die Wut in Frankreich wieder aufflammt. Die Wut, die der Staatschef schon bei den Protesten der «Gelbwesten» zu spüren bekommen hat - oder bei dem wochenlangen Streiks gegen seine Rentenpläne.

Macron hat nicht mehr viel Zeit, das in Ordnung zu bringen - noch zwei Jahre bleiben ihm bis zur Präsidentenwahl. Deshalb zieht er jetzt alle Register - und zückt das Scheckbuch. Hunderte Milliarden sollen helfen, das Land aus der Krise zu führen. Neben dem Geld setzt der Präsident auch auf seine neue Regierung. Über die wurde in der vergangenen Woche viel geätzt. Kaum einer wollte verstehen, warum der beliebte Premier Édouard Philippe gehen musste und durch den spröden Jean Castex ersetzt wurde.

Beobachter sahen eher einen Rechtsruck. Mit dieser Analyse sei er «radikal nicht einverstanden», betonte Macron. Er glaube immer noch an das Konzept der «politischen Überwindung». Und überhaupt: Castex sei ein Mann vom Land, habe menschliches Gespür und beherrsche den sozialen Dialog. Dass gegen seinen neuen Innenminister wegen Vergewaltigung ermittelt wird - das wischte Macron weg und pochte auf die Unschuldsvermutung.

Fast schon trotzig twitterte der Präsident nach dem Interview mit Blick auf seine Politik: «Ich habe das getan, was ich gesagt habe, das ich tun werde.» Doch der andauernden Kritik konnte der Präsident auch bei den Feierlichkeiten am Nationalfeiertag nicht entfliehen.

Zu Beginn der offiziellen Zeremonie flogen Ballons über die riesige Place de la Concorde, an denen ein Transparent hing: «Hinter den Hommagen (an das Gesundheitspersonal) erstickt Macron das Krankenhaus.» Wer die Ballons aufsteigen ließ, blieb offen - es war auf jeden Fall ein deutlicher und sichtbarer Hinweis von unbekannten Kritikern an den Präsidenten. Die Gesundheitskrise ist noch lange nicht vorbei - auch das war eine Botschaft vom 14. Juli.

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