Entrüstung nach Freilassung von Chef der Schifa-Klinik

Ein allgemeiner Überblick über das Jordantal im besetzten Westjordanland (West Bank). Foto: epa/Abed Al Hashlamoun
Ein allgemeiner Überblick über das Jordantal im besetzten Westjordanland (West Bank). Foto: epa/Abed Al Hashlamoun

GAZA/TEL AVIV: In Israels Augen war Gazas größtes Krankenhaus stets eine verkappte Hamas-Hochburg. Nun ist der Direktor der Klinik wieder ein freier Mann. Die Reaktionen lassen nicht auf sich warten.

Nach mehr als siebenmonatiger Haft hat Israel den Direktor des Schifa-Krankenhauses in der Stadt Gaza, Mohammed Abu Salamija, freigelassen. Die Entscheidung beruhe auf Empfehlungen des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet und der Militäraufklärung, berichteten israelische Medien unter Berufung auf Sicherheitskreise. In Israels Öffentlichkeit löste sie einen Sturm der Entrüstung aus, weil Salamija mit terroristischen Aktivitäten der islamistischen Hamas in Zusammenhang gebracht wird.

Israelische Truppen hatten Salamija im November vergangenen Jahres festgenommen, nachdem sie den weiträumigen Komplex des größten Krankenhauses im Gazastreifen unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Teile des Krankenhauses soll die Hamas nach israelischer Darstellung jahrelang als Rückzugsort und Waffenlager genutzt haben. Nach der Eroberung des Komplexes stießen die Israelis auf Bunker und Tunnels direkt unter der Klinik. Ein Bunker soll der Hamas als Kommandozentrale gedient haben. Auch sollen israelische Geiseln zeitweise im Schifa-Krankenhaus festgehalten worden sein.

Kritik an «hemmungsloser» Regierung

Salamija wurde am Montagmorgen in einer Gruppe von 50 palästinensischen Gefangenen aus israelischen Haftzentren entlassen und in den Gazastreifen gebracht. Israelische Politiker zeigten sich entrüstet. Oppositionschef Jair Lapid sagte: «Das ist eine direkte Folge der Hemmungslosigkeit und Funktionsunfähigkeit einer Regierung, die der Sicherheit der Bürger Israels schadet.» Benny Gantz, bis vor kurzem Mitglied des inzwischen aufgelösten Kriegskabinetts, schrieb auf X: «Wer auch immer diese Entscheidung traf, muss gefeuert werden.» Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Joav Galant distanzierten sich von dem Vorgang, in den sie nicht eingebunden gewesen seien. Netanjahu kündigte eine Untersuchung an.

Der aus der Haft entlassene Krankenhaus-Direktor erklärte nach seiner Freilassung, dass palästinensische Gefangene in israelischen Gefängnissen physisch und psychisch misshandelt würden. Einige seien sogar an den Folgen von Misshandlungen gestorben. Israel hat nach dem Überfall der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober des Vorjahres auf den Süden Israels einen Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen gestartet. Bei dem beispiellosen Massaker hatten die Terroristen aus Gaza 1200 Menschen getötet und weitere 250 als Geiseln in den abgeriegelten Küstenstreifen verschleppt. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden seit Kriegsbeginn mehr 37.000 Menschen im Gazastreifen getötet und mehr als 86.000 verletzt.

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