Pistorius distanziert sich von Mützenich

​Einfrieren des Kriegs? 

Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, spricht bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem polnischen Verteidigungsminister Kosiniak-Kamysz. Foto: Kay Nietfeld/dpa
Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, spricht bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem polnischen Verteidigungsminister Kosiniak-Kamysz. Foto: Kay Nietfeld/dpa

WARSCHAU: Mit seiner Idee, den Ukraine-Krieg einzufrieren, hat SPD-Fraktionschef Mützenich bisher vor allem die Koalitionspartner gegen sich aufgebracht. Jetzt bekommt er auch Gegenwind aus der eigenen Partei.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat sich von den Äußerungen des SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich zum Einfrieren des Ukraine-Kriegs distanziert. «Es würde am Ende nur Putin helfen», sagte Pistorius am Montag nach einem Treffen mit dem polnischen Verteidigungsminister Wladyslaw Kosiniak-Kamysz in Warschau. Dies sei zwar eine Position, die man vertreten könne, um sich für den Frieden auszusprechen. «Aber einen Diktatfrieden darf es nicht geben und keinen Frieden, der dazu führt, oder einen Waffenstillstand oder ein Einfrieren, bei dem Putin am Ende gestärkt herausgeht und den Konflikt fortsetzt, wann immer es ihm beliebt.»

Mützenich hatte vergangenen Donnerstag in der Bundestags-Debatte über eine Lieferung der Taurus-Marschflugkörper gefragt: «Ist es nicht an der Zeit, dass wir nicht nur darüber reden, wie man einen Krieg führt, sondern auch darüber nachdenken, wie man einen Krieg einfrieren und später auch beenden kann?» Dafür war er auch schon aus den Reihen der Koalitionspartner Grüne und FDP kritisiert worden.

So warnte Außenministerin Annalena Baerbock vor solchen Überlegungen. «Heute vor 10 Jahren hat Wladimir Putin die Krim annektiert», schrieb die Grünen-Politikerin auf der Plattform X (früher Twitter). «Wer glaubt, seinen Krieg gegen die Ukraine einfrieren zu können, der sollte in die Geschichte schauen.» Auch sollte er den Bericht der UN-Untersuchungskommission zu russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine lesen. Diesen Report nannte Baerbock bei einem EU-Außenministertreffen in Brüssel «ein absolutes Horrorbuch». «Wer diesen Bericht liest, der wird aus meiner Sicht nicht wieder darüber sprechen, dass man vielleicht den Konflikt einfrieren sollte.»

Mit den Äußerungen von Pistorius in Warschau bekam Mützenich jetzt auch Gegenwind aus der eigenen Partei - aber nicht nur. Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) nahm ihn am Montag in Schutz. «Mir scheint, dass der Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Rolf Mützenich, auf dem richtigen Weg ist. Seine Position sollte von der Partei und Fraktion unterstützt werden», forderte der 79-Jährige.

Schröder ist seit seiner Kanzlerschaft von 1998 bis 2005 mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin befreundet und weiterhin für die mehrheitlich russischen Gesellschaften der Nord-Stream-Pipelines durch die Ostsee tätig. Von der SPD-Spitze wird er ausgegrenzt, ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn scheiterte aber.

Auch der polnische Minister Kosiniak-Kamysz kritisierte den Vorstoß Mützenichs. «Das ist keine Idee, die man erwägen sollte», sagte er laut offizieller Übersetzung bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Pistorius. Sie sei sogar «gefährlich».

Gleichzeitig erteilte der polnische Minister der Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine eine Absage. «Polen hat keine Absicht, Truppen in die Ukraine zu schicken.» Das sei die Position der Regierung. «Und ich werde das wiederholen in allen Foren.»

Der französische Präsident Emmanuel Macron hatte vor drei Wochen gefordert, den Einsatz von westlichen Truppen in der Ukraine als Option auf dem Tisch zu lassen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hielt dagegen und schloss das aus. Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk hatte sich bereits wie sein Verteidigungsminister geäußert. Der polnische Außenminister Radek Sikorski hat den Vorstoß Macrons allerdings unterstützt.

Pistorius und Kosiniak-Kamysz kündigten an, dass sie sich so bald wie möglich zu dritt mit ihrem französischen Kollegen Sébastien Lecornu treffen wollen. Die Dreier-Treffen haben Tradition, aber bisher vor allem auf Ebene der Staats- und Regierungschefs und der Außenminister. Sie werden nach dem Ort des Auftakts im Jahr 1991 als «Weimarer Dreieck» bezeichnet.

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Ling Uaan 20.03.24 12:10
Khun Wirth – sprechen die sich nicht ab?
Das ist bestimmt so mit dem Kanzler abgesprochen und damit haben wir die Meinung des Kanzlers ohne dass er etwas gesagt hat. Und das passt auch zu seinem diesbezüglichen Verhalten. Sehr vernünftig wie ich finde und gemäß seinem Amtseid.

Natürlich ist das nicht mit dem ganzen Kabinett abgesprochen, was aber auch ein Fraktionsvorsitzender nicht muss. Und mit den Kriegstreibern und –hetzern Kiesewetter, Hofreiter und vor allem der Frau Dr. phil. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Mitglied des Bundestags, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses und Rüstungslobbyistin nicht.
Jürgen Franke 20.03.24 11:20
Es ist zu hoffen, dass diese
Kriegstreiber bald abgewählt werden, wenn sich die Mehrheit der Wähler mit den Fakten beschäftigt und ihre eigene Meinung gebildet haben.
Thomas Sylten 20.03.24 02:40
@Herr Schwake
Nun sagen Sie mir doch bitte, was Ihrer Ansicht nach geschieht, wenn wir die Ukraine tatsächlich so weit aufrüsten, dass sie die Russen konventionell auf dem Schlachtfeld besiegen könnte: Glauben Sie ernsthaft daran, dass Putin sich dann zu einem Frieden nach westlichen (oder wenigstens ukrainischen) Vorstellungen bereit erklären würde?

So, wie Sie ihn charakterisieren, doch wohl eher nicht. Was also lässt Sie hoffen, dass er dann NICHT zu seinem schärfsten Schwert, nämlich seinen Nuklearwaffen greift? Erwarten Sie ernsthaft, dass er dann plötzlich vernünftig würde?? Das glauben Sie doch wohl selbst nicht. D.h., Sie rechnen damit und nehmen in Kauf, dass die Tage der Erde gezählt sind und wir nun definitiv zu einem Ende kommen?? Wie irre muss man sein, das in Kauf zu nehmen, ohne wenigstens VERSUCHT zu haben, es mittels ernsthafter Verhandlungen zu vermeiden??

Ich hoffe für Ihre Kinder, dass Sie keine haben - oder wie wollen Sie denen diese Konsequenzen, die sie hier so lapidar anleiern, erklären?
Rolf W. Schwake 19.03.24 23:31
Es gibt aber mehrere Probleme ...
... wenn man diesen verbrecherischen Überfall auf die Ukraine durchdenkt: Zunächst sollte man die Entscheidung darüber, ob versklavt zu sein oder in Freiheit zu leben, den Betroffenen überlassen, also den Ukrainern selbst, es ist deren Land, deren Freiheit, deren Blut.
Dann sollte man darüber nachdenken, ob man einem notorischen Lügner vertrauen darf, der sich an keine Verträge pp oder abgegebenen Zusagen hält, an nichts, was nicht nach seinem Willen ist.
Ferner sollte man überdenken, welchen Wert sogenannte "Garantiezusagen" für den Erhalt der eigenen Souveränität haben, so wie z.B. im Budapester Abkommen von 1994, mit dem alle Atomwaffen an Russland übergeben wurden und dafür GB, USA und Russland die Souveränität "garantieren" wollten.
Und es stellt sich die Frage, ob ein Verbrecher für seine Verbrechen auch noch belohnt werden darf oder ob dadurch nicht erst recht sein Hunger (und der möglicher Nachahmer) angefeuert wird.
Außerdem: Kann sich die Weltgemeinschaft jemanden im Sicherheitsrat leisten, der ständig gegen die auch von ihm akzeptierten Grundlagen verstößt?
Die Antwort mag sich jeder objektive Betrachter selber geben. Für mich ist aber wieder einmal der Beweis erbracht, dass man für den Krieg bestmöglich gerüstet sein muss, wenn man den Frieden will - so wie es bereits die altem Römer wussten.
Gebt den Ukrainern somit alles, damit sie den verbrecherischen Angriff abwehren!
Thomas Sylten 19.03.24 16:50
Immer wenn jemand etwas Vernünftiges sagt in der Richtung, dass nicht die Waffen, sondern die Diplomatie noch jeden Krieg beendet haben, bekommt derjenige sofort "Gegenwind" von Leuten, die meinen, es sei noch nicht genug Unheil angerichtet und gestorben worden, und man müsse das unbedingt bis zu einem imaginären, in immer weitere Ferne rückenden Endsieg fortsetzen. Denn wir MÜSSEN gewinnen, und Putin DARF NICHT gewinnen - als ob Kriege ein Kindergeburtstags-Wünsch-dir-was wären.

Die früher selbstverständliche Erkenntnis, das Kriege gegen Atommächte nicht gewonnen, sondern nur im gemeinsamen Untergang verloren werden können, ist abhanden gekommen zugunsten eines füßestampfenden "ich WILL aber!!" - ohne je das logische, also unvermeidliche Ende zu bedenken, wenn man so fortfährt.

Die Behauptung, dass "Verhandler" die Ukraine dann offenbar Russland kampflos überlassen wollen, ist stupide Propaganda: Natürlich NICHT - wie das Wort "Verhandeln" eigentlich ausreichend ausdrückt. Aber das ERGEBNIS von Verhandlungen kann halt weder vorweggenommen noch die Maximalforderung sein - immerhin würden nach einem Verhandlungsfrieden noch weit mehr Ukrainer leben als bei einer Fortsetzung des letztlich aussichtlosen Kampfes, was mir Antrieb genug wäre.

Meine Meinung -
egal wie sehr von der kriegsbesoffenen, völlig geschichtsvergessenen Durchhalte-Fraktion dagegen gegeifert wird.
Hartmut Wirth 19.03.24 13:10
Mützenich und Schröder
Dass der Herr Merzenich so einen Vorschlag macht, ist ja schon erstaunlich: bespricht sich ein Fraktionsvorsitzender nicht mit seinen Kollegen. Oder sind das in der Fraktion alles Einzelkämpfer?
Und dass sich ein Herr Schröder nun zu Worte meldet und diesen Vorschlag gut findet, das darf ja niemanden verwundern: spielt dieser "Gedanke" doch seinem Spezi voll in die Karten.