Doku beleuchtet russische Wagner-Söldner

6. Juni: Putins «Bluthunde»

Nach einer Haftstrafe wegen Mordes trat der russische Berufssoldat Marat Gabidullin der Wagner-Gruppe bei. Foto: Forbidden Stories/Arte /dpa
Nach einer Haftstrafe wegen Mordes trat der russische Berufssoldat Marat Gabidullin der Wagner-Gruppe bei. Foto: Forbidden Stories/Arte /dpa

MOSKAU: Eiskalte Morde, Folter und sexuelle Gewalt durch seine Truppen bestreitet der Chef der russischen Privatarmee Wagner, Jewgeni Prigoschin, immer wieder und fordert Beweise für Kriegsverbrechen. Nun liefert die Dokumentation «Die Wagner-Gruppe - Russlands geheime Söldner», die Arte am 6. Juni (20.15 Uhr) ausstrahlt und bis 9. Dezember in der Mediathek vorhält, rund zwei Stunden lang jede Menge Indizien für die Brutalität der Söldner. In dem Zweiteiler geht der Franzose Benoît Bringer den Verbrechen der «Bluthunde» von Kremlchef Wladimir Putin in Syrien und auf dem afrikanischen Kontinent nach – mit prominenten Zeitzeugen.

Bringers Film ist nicht nur eine Spurensuche in Mordfällen, die international Aufsehen erregen. Er ist auch eine Würdigung des Mutes einzelner Russen, die unter Lebensgefahr die finstersten Geheimnisse des Kremls aufdecken wollen.

Der 2021 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete Chefredakteur der in Russland inzwischen verbotenen kremlkritischen Zeitung «Nowaja Gaseta», Dmitri Muratow, klagt etwa darüber, dass der Mord an drei russischen Journalisten auch nach fünf Jahren nicht aufgeklärt ist. Er erinnerte schon bei seiner Nobelpreisrede daran, dass UN-Generalsekretär António Guterres selbst zugesichert habe, sich für die Aufklärung des Verbrechens einzusetzen. Auch die internationale Gemeinschaft habe eine Verantwortung, betonte Muratow.

Die tödlichen Schüsse auf die Reporter Kirill Radtschenko, Alexander Rastorgujew und Orchan Dschemal in der Zentralafrikanischen Republik 2018 lösten damals breites Entsetzen aus. Die Männer wollten im Auftrag des Kremlgegners Michail Chodorkowski aufdecken, wie Wagner agiert. Chodorkowski erklärt in dem Film, er mache Wagner-Chef Prigoschin persönlich verantwortlich für den Auftragsmord. Getötet worden seien die Männer als Warnung für andere Journalisten, sich von Wagner fernzuhalten.

Inzwischen - auch das wird in der Dokumentation deutlich - gibt es nicht zuletzt dank Augenzeugen längst viel Material dazu, dass Wagner Diktaturen in Afrika mit militärischer Hilfe stützt – und sich etwa mit Bergbaukonzessionen bezahlen lässt. Demnach verdient unter anderem Prigoschin mit Gold und Diamanten aus Afrika sein Geld.

Chodorkowski, der auch das Recherchenetzwerk Dossier.Center finanziert, hat sich im Exil im Ausland darauf spezialisiert, kriminelle politische Strukturen in Russland zu enthüllen. Kremlchef Putin sieht er als Drahtzieher des Systems. Bringers Dokumentation dreht sich vor allem um die These, dass Wagner als Stoßtrupp für Putins geopolitische Interessen unterwegs ist – und einen «Krieg um Einfluss» auf dem afrikanischen Kontinent führt.

Dabei gibt es in Russland bis heute kein Gesetz, das die etwa auch im Krieg in der Ukraine aktive Wagner-Gruppe oder andere Privatarmeen legitimiert. Nobelpreisträger Muratow betont, das sei Absicht, damit sie frei agieren können, ohne sich an irgendwelche Regeln zu halten.

Unabhängige Experten, die im Auftrag der Vereinten Nationen recherchieren, bescheinigen der Privatarmee in dem Film unfassbare Brutalität. Menschen würden mit Elektroschocks, dem Abtrennen von Körperteilen, Schlafentzug und sexueller Gewalt gefoltert, sagt etwa die Menschenrechtlerin Jelena Aparac. Sie untersucht Verbrechen gegen die Menschlichkeit in bewaffneten Konflikten.

Im ersten Teil seines Films zeichnet Bringer einen Mord in Syrien nach, wo Wagner kämpfte, um dem von Russland unterstützten Machthaber Baschar al-Assad in dem Krieg das politische Überleben zu sichern. Auf einem im Internet verbreiteten Video ist zu sehen, wie ein Mann von zwei Uniformierten, die Russisch sprechen, gefoltert, getötet und verbrannt wird. Bringer zeigt unscharf gemachte Ausschnitte aus dem Video. Das Opfer war demnach Mohammad, ein junger Familienvater. Er soll den Dienst in Assads Armee verweigert haben.

Wagner-Chef Prigoschin, der in russischen Medien inzwischen omnipräsent ist, kommt selbst nicht zu Wort in dem Film. Der 62-Jährige erklärt zu Anfragen westlicher Journalisten immer wieder, dass er nicht mit ihnen rede. Nicht selten droht er Kritikern offen mit Gewalt. Nachdem er lange wie ein Phantom im Verborgenen handelte, berichtet der Geschäftsmann nun täglich aktiv mit Posts, Videos und Sprachaufnahmen in seinem Telegram-Kanal über sich und Wagner.

Der Vertraute von Kremlchef Putin kritisiert da nicht nur immer wieder die russische Militärführung in Moskaus Krieg gegen die Ukraine als schwach, überbürokratisiert und unorganisiert. Insbesondere zu Afrika erklärte er, er wolle seinen Einfluss dort weiter ausbauen. «Ob die militärische Spezialoperation (in der Ukraine) erfolgreich läuft oder misslingt – in jedem Fall muss Russland auf der internationalen Bühne präsent sein, diplomatisch und militärisch», sagt er. Es gehe ihm um eine «Befreiung des afrikanischen Kontinents von westlichen Besatzern».

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Thomas Sylten 07.06.23 16:10
@Ingo
Wie sollten sie in Afrika aktiv sein, wenn sie RUS nie verlassen würden?
Ingo Kerp 06.06.23 12:20
Was hat man von der Wagner-Truppe anders erwartet? Es sind Moerder in seiner Truppe, denen das Toeten leicht von der Hand ging und weiterhin so ist. Da war mit einem Handeln außerhalb der Gesetzgebung zu rechnen. Da diese Gesellen sicherlich nie RUS verlassen werden, ist mit einer Verurteilung durch ausl. Gerichte nicht zu rechnen.