WOLFSBURG: Seit Wochen ringen VW und Betriebsrat um mögliche Werkschließungen und Entlassungen. Jetzt liegen laut Betriebsrat erste konkrete Pläne auf dem Tisch. Was bisher bekannt ist.
Volkswagen will sparen und womöglich ganze Werke schließen. Laut Betriebsrat liegen nun erste konkrete Pläne auf dem Tisch. Die Antworten auf die wichtigsten Fragen:
Was genau plant VW?
Laut Betriebsrat will VW in Deutschland mindestens drei seiner bisher zehn Werke der Kernmarke schließen. An den übrigen Standorten solle die Kapazität sinken. Geplant seien auch betriebsbedingte Kündigungen, die bei VW seit 1992 ausgeschlossen waren. Zudem wolle der Konzern den Haustarif für seine rund 120.000 Mitarbeiter pauschal um zehn Prozent kürzen und fordere für die kommenden beiden Jahre Nullrunden. Über diese Pläne habe der Konzern kürzlich die Arbeitnehmerseite informiert, der Betriebsrat machte sie nun auf Informationsveranstaltungen an allen Standorten öffentlich.
VW selbst wollte die Angaben zunächst nicht bestätigen. Man halte sich an den Grundsatz, darüber zunächst intern mit der Arbeitnehmerseite zu sprechen. Für die am Mittwoch anstehende Tarifrunde kündigte der Konzern «konkrete Vorschläge zur Senkung der Arbeitskosten» an.
Wie reagieren IG Metall und Betriebsrat?
Gewerkschaft und Betriebsrat kündigten umgehend Widerstand gegen die Sparpläne an. Der Konzern stehe «ganz kurz vor der Eskalation», warnte Betriebsratschefin Daniela Cavallo. Niedersachsens IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger hatte schon zuvor gewarnt, dass es ab 1. Dezember auch zu Warnstreiks kommen könnte. Dann läuft bei VW die Friedenspflicht ab, in der nicht gestreikt werden darf. «Wenn die Chefetage den Abgesang Deutschlands einläuten will, müssen sie mit Widerstand rechnen, den sie sich so nicht ausmalen kann!», sagte Gröger.
Welche Standorte sind gefährdet?
Genaue Angaben machen dazu bisher weder Unternehmen noch Arbeitnehmervertreter. Laut Betriebsratschefin Daniela Cavallo sind aber keiner der zehn Standorte in Deutschland sicher. «Alle deutschen VW-Werke sind von diesen Plänen betroffen. Keines ist sicher!» Als besonders gefährdet gilt das Werk in Osnabrück, das kürzlich einen erhofften Folgeauftrag von Porsche verloren hat. Auch die Gläserne Manufaktur in Dresden steht seit langem vor einer unsicheren Zukunft. VW denkt inzwischen offen über Ende der Fahrzeugfertigung in Dresden nach.
Allerdings handelt es sich bei Dresden und Osnabrück nur um die beiden kleinsten Standorte in Deutschland mit geringen Stückzahlen. Das dürfte nicht ausreichen, um die bestehende Überkapazität zu beseitigen. Finanzvorstand Arno Antlitz hatte im September erklärt: «Es fehlen uns die Verkäufe von rund 500.000 Autos, die Verkäufe für rund zwei Werke.» Laut Betriebsrat will der Konzern das Problem aber zumindest zum Teil dadurch lösen, dass überall die Kapazität reduziert wird.
Wie viele Stellen könnten wegfallen?
Betriebsratschefin Daniela Cavallo spricht von Zehntausenden Arbeitsplätzen, die bei VW auf dem Spiel stehen. Nach einem Bericht des «Manager-Magazin» von Mitte September könnte der angeschlagene Konzern mittelfristig bis zu 30.000 Stellen in Deutschland abbauen. Das Unternehmen selbst nannte bisher keine Zahl. Insgesamt beschäftigt die Volkswagen AG - ohne Töchter wie Audi und Porsche - in Deutschland rund 120.000 Menschen.
Ab wann sind Kündigungen möglich?
VW hatte die seit 1992 geltende Beschäftigungssicherung, die betriebsbedingte Kündigungen bis 2029 ausschloss, im September gekündigt. Der Vertrag laufe Ende des Jahres aus. Sechs Monate später sind dann betriebsbedingte Kündigungen möglich, also ab Juli 2025. Ob und wann VW dann von der Möglichkeit Gebrauch macht, lässt das Unternehmen bisher offen. Der Konzern will mit Gewerkschaft und Betriebsrat nun zügig über eine Neureglung verhandeln. Ziel sei es, bis zum Auslaufen der Beschäftigungssicherung Mitte 2025 eine Anschlussregelung zu vereinbaren.
Wie begründet VW die Maßnahmen?
Markenchef Thomas Schäfer begründete geplante Einschnitte mit den hohen Kosten an den deutschen Standorten. «So wie bisher können wir nicht weitermachen», sagte er laut Mitteilung. «Wir sind an den deutschen Standorten nicht produktiv genug und liegen aktuell bei den Fabrikkosten 25 bis 50 Prozent über dem, was wir uns vorgenommen haben. Damit sind einzelne deutsche Werke doppelt so teuer wie der Wettbewerb.» VW hatte daher im vergangenen Jahr ein Sparpaket geschürt. Wegen der sich seither zugespitzten Lage der Autobranche reiche das aber nicht mehr. Ziel bleibe, die Umsatzrendite bis 2026 auf 6,5 Prozent zu steigern. Nur so ließen sich die nötigen Investitionen in die Zukunft finanzieren.
Wird sich das alles so umsetzen lassen?
Dass die Pläne genauso umgesetzt werden, ist nach Einschätzung von Experten eher unwahrscheinlich. Betriebsrat und Gewerkschaft haben in Wolfsburg traditionelle eine starke Stellung und haben angekündigt, Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen nicht hinnehmen zu wollen. Beides hatte Betriebsratschefin Daniela Cavallo mehrmals als «rote Linien» genannt.
Zudem ist das Land Niedersachsen mit 20 Prozent der Stimmrechte an VW beteiligt und hat eine Sperrminorität gegen wichtige Entscheidungen. Im Aufsichtsrat haben Arbeitnehmer und die beiden Vertreter des Landes gemeinsam eine Mehrheit. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat VW mehrfach aufgefordert, die Schließung von Standorten möglichst zu vermeiden.
Was fordert der Betriebsrat?
IG Metall und Betriebsrat forderten den Konzern auf, eine Gesamtperspektive für VW vorzulegen und nicht nur einzelne Sparmaßnahmen. «Wir erwarten, dass statt Kahlschlagfantasien von Volkswagen und seinem Vorstand am Verhandlungstisch tragfähige Zukunftskonzepte skizziert werden», forderte IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger.
Betriebsratschefin Daniela Cavallo erklärte: «Natürlich wissen auch wir im Betriebsrat, wie die Lage derzeit ist. Sie ist ernst, in der gesamten Branche. Wir haben heftige Probleme.» Bei der Analyse der Probleme liege man nicht auseinander. «Aber meilenweit bei der Antwort auf die Probleme.» Konkret kritisiert Cavallo etwa, dass der Konzern kein günstiges E-Auto im Programm hat. Die ab 2026 geplanten Einstiegsmodelle ID.2 und ID.1 kämen zu spät. Zudem gebe es nach wie vor zu viele Doppelarbeiten unter den Konzernmarken. Hier seien große Einsparungen möglich.
Wie geht es weiter?
Am Mittwoch kommen Konzern und IG Metall in Wolfsburg zu ihrer zweiten Tarifrunde zusammen. Neben der eigentlichen Entgeltrunde soll es dabei auch um die von VW nun gekündigten Tarifverträge zur Beschäftigungssicherung und Leiharbeit gehen. Im November steht bei VW zudem die wichtige Planungsrunde an, in der über Investitionen und die Werksbelegung der kommenden fünf Jahre beschlossen wird. Dann, so Cavallo, müsse es auch Klarheit für die Standorte geben.