30 Jahre nach Tian'anmen-Massaker

Warnung vor Bedrohung durch China

Foto: epa/Michael Reynolds
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TAIPEH (dpa) - Die Hoffnungen, dass sich China mit Handel und Modernisierung auch politisch öffnen würde, wurden enttäuscht. Drei Jahrzehnte nach dem Massaker in Peking will China jetzt seinerseits die Welt verändern.

Vor dem 30. Jahrestag des Massakers vom 4. Juni 1989 haben Aktivisten und Akademiker vor wachsenden Gefahren durch das repressive System in China für die Welt gewarnt. Auf einer Konferenz in Taipeh riefen frühere Studentenführer, Bürgerrechtler, Politiker, Forscher aus Hongkong, Taiwan und den USA am Samstag auch zu einer ehrlichen Aufarbeitung des dunklen Kapitels der chinesischen Geschichte auf. Es dürfe nicht in Vergessenheit geraten.

Bei der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung in China waren einige hundert Menschen ums Leben gekommen. Der renommierte Forscher Wu Renhua hält sogar 2600 für realistisch, wie er auf dem zweitägigen Treffen sagte. So viele habe damals das chinesische Rote Kreuz genannt. Die genaue Zahl ist aber bis heute nicht bekannt. Tausende wurden verletzt und inhaftiert.

«Ich will die Wahrheit wissen», sagte der heute in den USA lebende Bürgerrechtler Fang Zheng. Als Student hatte er bei der Evakuierung des Tian'anmen-Platzes seine beiden Beine verloren. Ein Panzer war darüber gerollt, nachdem er eine Kommilitonin in Sicherheit gebracht hatte, die vom Tränengas ohnmächtig geworden war. Die kommunistische Führung schweigt die damaligen «Zwischenfälle» bis heute tot und zensiert alles zu dem Massaker, das offiziell als Tabu gilt.

Die Repression in China habe unter Staats- und Parteichef Xi Jinping noch zugenommen, während das stärker werdende China immer größeren Einfluss auf der Weltbühne ausübe, beklagten Redner. «China streckt seinen Arm nach der westliche Welt aus», sagte der ehemalige Studentenführer Wang Dan. «Unter Xi Jinping tritt die Welt in eine neue imperiale Ära ein», fand der Politiker Albert Ho aus Hongkong.

Da China auch den Druck auf die frühere britische Kronkolonie verstärkt, «bleibt nur noch Taiwan als Ort, wo die chinesische Gemeinschaft frei sprechen kann», sagte einer der Organisatoren, Tseng Chien-yuan, Vorsitzender der Neuen Schule für Demokratie in Taiwan. Seit der Rückgabe 1997 an China wird Hongkong als Sonderverwaltungsregion mit größeren Freiheitsrechten als in der Volksrepublik autonom regiert, doch verstärkt Peking den Griff.

Der bekannte amerikanische Demokratieforscher Larry Diamond übte scharfe Kritik an dem «bösartigen und aggressiven Verhalten» der chinesischen Führer gegenüber ihrem eigenen Volk. Der kommunistische Staat stelle zunehmend auch eine Bedrohung weltweit für Freiheit, Demokratie und den freien Fluss von Informationen dar, sagte der Stanford-Professor. «Wir können nicht trennen, was sie in China tun und was sie auf der Weltbühne tun», sagte Diamond.

«Die Hoffnungen, dass das beständig voranschreitende globale Engagement Chinas und seine Modernisierung zu einer offeneren Gesellschaft führen würde, haben keine Früchte getragen», sagte Diamond. Er berief sich dabei auf das Ergebnis einer Studie mit namhaften Chinaforschern. «Es versucht zunehmend, seine globale Macht und seinen Einfluss durch versteckte, erzwungene und korrupte Mittel auszuweiten, was eine Bedrohung für die Demokratien der Welt ist.»

Die westlichen Regierungen hätten nach dem Massaker «naiv» die Beziehungen wieder normalisiert - in der falschen Hoffnung, dass sich China politisch und wirtschaftliche reformieren würde, sagte der Studentenführer Wang Dan. Das sollte ihnen heute eine «große Lehre» sein. Doch jetzt seien sie «wieder naiv».

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