Wie hart fällt die Strafe für IS-Sympathisantin Safia aus?

Foto: epa/Julian Stratenschulte
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CELLE (dpa) - Geboren in Hannover, schon als Grundschülerin von Salafisten indoktriniert, nach dem Scheitern ihrer Ausreise in Richtung Syrien zum Äußersten entschlossen: Wenn am kommenden Donnerstag das Urteil gefällt wird gegen die 16-jährige Safia wegen einer Messerattacke auf einen Polizisten, erreicht die lange Geschichte einer islamistischen Radikalisierung ihren vorläufigen Schlusspunkt. Sechs Jahre Haft wegen versuchten Mordes und Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat fordert die Anklage, die Verteidigung plädierte am Freitag auf ein mildes Urteil ausschließlich wegen gefährlicher Körperverletzung.

Wie hart das Urteil des Oberlandesgerichts Celle gegen die Deutsch-Marokkanerin ausfällt, hängt unter anderem davon ab, ob ihr der Vorsatz zum Töten und der Anschluss an die IS-Terrororganisation nachgewiesen werden kann. Der von den Fahndern ausgewertete Chatverkehr der Gymnasiastin ergab zumindest, dass sie offenbar mit IS-Strippenziehern in Kontakt stand und eine Gewalttat in Deutschland das Thema war. Auch der Umstand, dass sie wenige Wochen vor der Attacke Ende Februar 2016 - nach ihrer Rückkehr von einer gescheiterten Reise zum IS in Syrien - von der Polizei am Flughafen Hannover in Empfang genommen wurde, schreckte sie nicht ab.

Andererseits geriet Safia schon sehr früh unter islamistischen Einfluss, die aus Marokko stammende Mutter erzog ihre Kinder nach Darstellung des Vaters streng religiös. Auf Youtube ist Safia bereits 2008 mit dem Salafistenprediger Pierre Vogel beim Rezitieren des Korans zu sehen, als «Unsere kleine Schwester im Islam» präsentiert der Extremist die damals Siebenjährige. War die Schülerin womöglich auch Opfer einer langen Gehirnwäsche? Um die geistige und sittliche Reife der Angeklagten zu beurteilten, nahm auch eine Jugendpsychiaterin an dem Prozess teil. Ihre Befunde wurden, da das Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, nicht bekannt.

Zwar ist Safia wohl das erste junge Mädchen, das in Deutschland wegen einer gravierenden islamistisch motivierten Tat angeklagt wurde - unter dem radikalisierten Nachwuchs aber ist sie kein Einzelfall. Bei rund einem Viertel der Fälle der Beratungsstelle gegen islamistische Radikalisierung junger Leute in Niedersachsen geht es um Frauen, durchaus auch in Safias Alter, wie der Leiter der Präventionsstelle, Christian Hantel, erklärte.

Was Safia konkret in die Radikalisierung trieb, wird auch in dem Prozess am Oberlandesgericht Celle erörtert worden sein. Der Vater beschrieb seine Tochter in einem Interview als «liebes Mädchen» und als gute Schülerin. «Ich hätte ihr das nie zugetraut. Sie hat nie Gewalt gezeigt. Das muss irgendwo ein Aufruf aus dem Internet sein, da bin ich mir sicher. Sonst würde sie sowas nicht machen. Ich weiß nicht, was sie ihr versprochen haben.»

Und nach Urteil und Strafe? Kann es für Safia einen Weg zurück in die Normalität geben? Im Internet zumindest präsentierte sich die Schülerin vor der Tat genauso wie unzählige andere Mädchen ihres Alters: Selfies vor dem Kleiderschrankspiegel, Fotos mit Freundinnen, Bilder von Katzen, vom Schlittschuhlaufen und von einem Paris-Ausflug. Christian Hantel, der Leiter der Präventionsstelle weiß aus Erfahrung: «Bei der Radikalisierung gibt es auch einen Weg zurück.»

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