Von der Würde des Alters

Von der Würde des Alters

Von der Würde des Alters

Vor kurzem hörte Carlos den Satz: "Die Würde des Menschen hängt von seinem Alter ab." Dieser Satz hat sich ihm tief eingegraben. Er denkt darüber nach: Ist es wirklich so?

Sind alte Menschen würdelos? Warum? Weil sie alt sind, arm oder hilfsbedürftig?

Er schaut sich hier in Thailand um, in thailändischen Familien: Die ältesten Familienmitglieder sind hier – auch heute noch – die angesehendsten und höchst respektierten "Oberhäupter", auf deren Rat und Weisung gehört wird.

Bei den Europäern sieht es etwas anders aus. Man weiß zwar inzwischen, dass die jetzige Rentner-Generation gut situiert ist, man weiß auch, dass sie die Generation ist, die am meisten zu vererben hat. Das Ansehen der Alten ist trotzdem im Keller. Der Jugendwahn feiert immer neue Triumphe. Hinzu kommt der Vorwurf der Jungen: Die Alten leben auf unsere Kosten. Aber das Karussell dreht sich schon wieder weiter. Die Werbeindustrie ist der Vorreiter einer neuen Szene:

Keine Geldsorgen und viel Freizeit

Heute umwirbt man die Generation "65 plus" und meint damit jene Rentner und Pensionäre, die ohne Geldsorgen Zeit und Gelegenheit haben, um ins Fitness-Spa-Studio zu gehen, um Reisen zu machen, um ihren zum Teil sehr teuren Hobbys zu frönen, Golfen, Jagen, Segeln…

Viele Senioren sind in den letzten Jahren nach Thailand eingewandert. Und für viele war der Grund, dass sie eine für europäische Verhältnisse eher geringe Rente hatten, die aber beim günstigen Umrechnungskurs - damals - für ein anständiges Leben hier ausreichend war.

Sie haben unterschiedliche Erfahrungen gemacht, weil sie hier unterschiedliche Lebensformen praktizieren. Viele haben sich angepasst, sind unauffällig und akzeptiert. Andere meinen, den großen Zampano raushängen lassen zu müssen, sie brüllen in den Bars ihre Schlachtrufe und halten sich für die Größten.

Mit der Würde des Alters hat das ganz sicher nichts zu tun. Aber diese "Schein-Jungen" holen ganz offensichtlich ihre Pubertät nach, und so benehmen sie sich auch. Kein Wunder, dass viele Thais den Respekt vor ihnen verloren haben.

Eigentlich beginnt der Ernst erst, wenn der ältere Mensch krank wird, hilfsbedürftig, nicht mehr selbst über sich entscheiden kann. In Deutschland werden seit Einführung der Pflegeversicherung zwischen 70 und 80% aller Senioren zu Hause gepflegt. Aus den Heimen hört man höchst unterschiedliche Urteile: Oft ist der Patient dort nur noch eine Nummer, die gewaschen, gefüttert und beschäftigt, gelegentlich ruhig gestellt wird. Vielen Alten in Europa erscheint die Vorstellung, in ein Heim zu müssen, als die schlimmste Bedrohung ihres Lebens.

Wenn die Thais alt werden

Wie sieht das hier in Thailand aus? Die meisten Thai-Senioren werden im Familienkreis ihre letzten Jahre verbringen.

Aber was werden die europäischen Rentner, die hier überwiegend als Singles leben, machen, wenn sie nicht mehr für sich selbst sorgen können?

Allein in Pattaya sind es Tausende, die in den nächsten Jahren auf Hilfe angewiesen sein werden.

Carlos schätzt, dass es hier in kürzester Zeit Seniorenheime geben wird für die vielen Rentner, die hier ihren Lebensabend verbringen wollen, Heime, die bezahlbar sind und dem europäischen Standard entsprechen.

Darüber hinaus wird es auch Seniorenheime geben müssen für Schwule, die in der Regel finanziell besser ausgestattet sind und die von männlichen Thais betreut werden wollen.

Und es gibt auch immer mehr Alte, die dement werden. Auch für sie muß es bald Heime geben, wo diese Menschen gut aufgehoben sind.

Für Investoren sind dies Gold-Gräber-Ideen. Hier tut sich ein neuer, ein Riesenmarkt auf. Wer jetzt einsteigt, wird eine hervorragende Rendite einfahren.

Carlos hat gehört, dass es in Chiang Mai und in Hua Hin inzwischen private Alters-Residenzen gibt, die bezahlbar sind und anständig geführt werden.

Da er selbst nicht mehr zu den Jüngsten zählt, macht auch er sich langsam mit dem Gedanken vertraut, irgendwann in eines dieser Heime einzuziehen, möglichst noch, solange er fit und gesund ist.

Carlos ist fest davon überzeugt: Hier wird sich schon bald ein nachfrageorientierter Markt entwickeln, denn wo Nachfrage ist, wird sie auch bedient: Senioren-Heime in den unterschiedlichsten Abstufungen werden entstehen für unterschiedlichste Ansprüche, und Carlos ist sich ganz sicher, dass er, wenn es dann einmal soweit ist, liebevoll bedient und gepflegt wird, von jungen Frauen oder jungen Männern, die mit ihrem freundlichen thailändischen Charme hoffentlich dafür sorgen werden, dass der Lebensabend seine Würde behält.

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