Sorgen vor der Wahl

Foto: epa/ Felipe Trueba
Foto: epa/ Felipe Trueba

BERLIN (dpa) - Unmittelbar vor der Bundestagswahl hat sich der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, besorgt über die hitzige Stimmung vor allem in Ostdeutschland geäußert. «Diese Wut und der Hass, der dieser Tage auf der Straße zu beobachten ist, beunruhigt mich schon sehr», sagte er der «Berliner Zeitung» (Samstag). «Ich deute das als Ausdruck von Demütigung und Ohnmacht.»

Mit Blick auf das Erstarken der AfD sagte Krüger: «Wir können nur hoffen, dass wir am Wahltag nicht unser blaues Wunder erleben.» Nach jüngsten Umfragen könnten die Rechtspopulisten mit 11 bis 13 Prozent drittstärkste Kraft im Parlament werden.

Krüger, selbst DDR-Bürger, sagte, viele Ostdeutsche hätten den tiefen Bruch 1989/90 und in den Folgejahren bis heute nicht verkraftet. Und es seien neue Risse in der Gesellschaft entstanden.

Zwar werde die deutsche Einigung zu Recht als Erfolgsgeschichte erzählt. «Aber dieser Erfolg ist an denen, die da demonstrieren, häufig vorbeigegangen. Viele sind im neoliberalen Transformationsprozess aus der Bahn geraten, und es waren meist jene, die schon in der DDR nicht zu den Oberen gehörten.» Kanzlerin Angela Merkel als Repräsentantin des politischen Systems, als eine, die es geschafft habe, wirke in einer solchen Gemengelage geradezu als «Negativfolie».

Der Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, erwartet, dass sich die AfD nach ihrem Einzug in den Bundestag rasch zerstreitet. «Die AfD wird sich zerlegen, weil das bei sektiererischen Gruppen vom rechten Rand bisher immer so war», sagte er der «Neuen Osnabrücker Zeitung». Man sehe schon jetzt an den AfD-Abgeordneten in den Landtagen, dass sie nicht ordentliche Parlamentsarbeit leisteten, sondern eher Streit und Richtungskämpfe an der Tagesordnung seien.

Der Meinungsforscher sieht generell keine Gefahr für die Demokratie, wenn die AfD erstmals im Bundestag vertreten ist. «Es ist unerfreulich, aber keine Katastrophe, weil die Deutschen insgesamt als Demokraten gefestigt sind.» Auch die NPD sei schon in den 1960er-Jahren in sieben der damaligen zehn Landtage vertreten gewesen, dann aber wieder in der Bedeutungslosigkeit verschwunden.

Am Tag vor der Bundestagswahl werben die Parteien am Samstag letztmals um noch unentschlossen Wähler. Die CDU-Spitzenkandidatin Merkel besucht ihren Wahlkreis in Mecklenburg-Vorpommern. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz spricht ganz im Westen, in Aachen, zu Anhängern und interessierten Bürgern.

FDP-Chef Christian Lindner macht Station in Düsseldorf und Linken-Kandidat Dietmar Bartsch kommt nach Rostock. Die Grünen-Spitzenkandidaten Kathrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir sind weiter unterwegs auf einem 42-stündigen «Marathon» durch alle 16 Bundesländer.

Merkel und ihre Union gehen mit Vorsprung in den Umfragen in die Bundestagswahl am Sonntag. Allerdings müssen CDU und CSU mit Verlusten im Vergleich zum Ergebnis von 2013 rechnen. Letzte Umfragen sehen die Union zwischen 34 und 36 Prozent. Bei der Bundestagswahl 2013 hatte sie 41,5 Prozent bekommen.

Nach aktuellen, am Freitag veröffentlichten Umfragen steht die SPD bei 21 bis 22 Prozent. Die AfD käme auf 11 bis 13 Prozent, die Linke auf 9,5 bis 11, die FDP auf 9 bis 9,5 und die Grünen auf 7 bis 8 Prozent. Realistisch erscheinen vor allem eine große Koalition aus Union und SPD oder ein Jamaika-Bündnis aus Union, FDP und Grünen.

Rund 61,5 Millionen Deutsche sind zur Wahl aufgerufen. Die Wahllokale haben von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet.

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Dracomir Pires 25.09.17 10:47
AfD kann ihre Stimmen verdreifachen
Früher tötete man den Ueberbringer schlechter Nachrichten. Bei der AfD verhält es sich heute gleich: Sie zeigt auf, wo der Schuh drückt, und deshalb werden jetzt alle anderen Parteien gnadenlos auf sie eindreschen. Das funktioniert niemals - die AfD wird so noch stärker gemacht. Wir schaffen das ...
aurel aurelis 24.09.17 17:21
ob mit oder ohne
AfD, es ist höchste Zeit für ein anderes Land. Der Filz ist so dick, dass betrügerische Automanager insgeheim von Politikern protegiert werden. Das ist nur die Spitze des Eisbergs. Trotz langer Proporzregierungen ist die Rente in Ö doppelt so hoch. Auch meine aus F ist doppelt so hoch wie in D. Hier verdienen nur die Funktionäre und die Manager. Selbst der etwas "reichere" rackernde Mittelstand ist mittlerweile arm dran.
Selbst am Wahltag wird in verschiedenen Medien noch Stimmung gemacht. Das zeigt wie Viele aus obskuren Minderheiten ihre zu Unrecht erworbenen Privilegien mit unlauterer Energie schützen wollen.
Jürgen Franke 24.09.17 10:08
Der heutige Tag wird nun endlich
Klarheit bringen, mit wie viel Abgeordneten die AfD in den Bundestag einziehen wird. Ob sie sich dann selbst "zerlegen" wird, wie prognostiziert wird, bleibt abzuwarten. Die Vielzahl der Parteien im Bundestag zeigt wie gespalten die bürgerliche Landschaft Deutschlands ist. Erinnern wir uns, dass die Weimarer Republik an der Vielzahl der Parteien zu Grunde ging.