Pattaya goes Culture (3)

Noch ist es übertrieben, von einer eigenständigen Kunstszene in Pattaya zu sprechen, aber für den Hunger auf thailändischeKunst ist der Tisch gedeckt.

Der Galerist und Sponsor asiatischer Kunst, Liam J O’Keeffe Ayudhkij, vor seiner Galerie.
Der Galerist und Sponsor asiatischer Kunst, Liam J O’Keeffe Ayudhkij, vor seiner Galerie.

Ende Januar hatte mich eine Ausstellungseröffnung in der "Gallery Opium" auf die Fährte gesetzt, einmal nach einer eigenständigen Kunstszene in Pattaya zu suchen. Inzwischen habe ich mir durch eine Reihe weiterer Events und vor allem auch anhand von Äußerungen kompetenter Gesprächspartner ein relativ umfassendes Bild darüber machen können, wie es um die Contemporary Modern Art in der Stadt bestellt ist.

Einer der Höhepunkte auf meiner Suche war zweifelsohne die abschließende Unterhaltung mit Liam J O’Keeffe Ayudhkij, dem Besitzer der "Liam’s Gallery", der größten und bedeutendsten Galerie in Pattaya. Neben seiner erfolgreichen Tätigkeit als Geschäftsmann hat sich der gebürtige Ire, der vor 46 Jahren als Achtzehnjähriger seiner Heimat den Rücken kehrte und jetzt eingebürgerter Thailänder ist, ein Leben lang der Kunst verschrieben. Heute gilt er als einer der engagiertesten Sponsoren asiatischer Kunst und ist zweifelsohne einer der besten Kenner der Szene.

Ich treffe ihn in seiner Galerie in der Soi 4 Pratamnak Road. Das fünfstöckige Gebäude ist vom Erdgeschoß bis unters Dach prall mit Kunst gefüllt. Nach der Größenordnung seiner Sammlung gefragt, gibt er mit abwägender Handbewegung an "…etwa zwischen 700 und 800 Objekte". Ein Großteil davon lagere in einem Nachbargebäude oder befinde sich in Bangkok, Chiang Mai und selbstverständlich auch in Irland.

"Eigentlich waren es hauptsächlich drei Gründe, die mich dazu veranlaßt haben, vor drei Jahren die Galerie zu eröffnen: da war zuallererst mein dringender Wunsch, meine angesammelten Bilder hängen zu sehen, dann kommt hinzu, daß ich viel Zeit habe, und schließlich darf ich das, ohne überheblich zu wirken, in aller Bescheidenheit sagen, ich muß heute kein Geld mehr verdienen."

Und in der Tat, als Chairman der "Property Care Services (Thailand) Ltd." ist Liam Ayudhkij mit rund 23.000 Mitarbeitern der fünftgrößte private Arbeitgeber des Landes.

Die Frage nach einer eigenständigen Kunstszene in Pattaya beantwortet er ohne zu zögern mit einem glatten "nein":

"Pattaya war und ist immer noch das Zentrum Thailands für kopierte Kunst. Wer heute in der Stadt ausschließlich vom Betreiben einer Galerie für moderne Gegenwartskunst leben will, der begeht kommerziellen Selbstmord. Lange Zeit habe ich meine Freunde immer wieder bekniet, wenn sie fünftausend Bath für eine Kopie ausgäben, könnten sie dieses Geld doch ebenso gut in das Bild eines jungen Künstlers investieren, aber ich bin da grundsätzlich auf taube Ohren gestoßen."

Wie es denn mit der Freiheit in der Kunst aussehe, will ich von meinem Gegenüber wissen:

"Natürlich haben Künstler in Thailand sämtliche Freiheiten, die sie für ihre Arbeit brauchen…", so seine Antwort, "…selbst politische Malerei ist kein Problem. Ich befinde mich augenblicklich zum Beispiel in Verhandlungen, in meiner Galerie demnächst eine Ausstellung von Aktbildern von Frauen, Männern sowie auch Transsexuellen zu zeigen. Aber man muß es einfach sehen, viele der Künstler sind noch zu sehr in ihrer eigenen Erziehung gefangen, die ihnen wenig Spielraum für Experimente läßt. Ich sehe hier auch eine besondere Aufgabe derer, die an den Colleges und Universitäten Kunst lehren. Die sollten die jungen Künstler ermutigen, neue Wege zu gehen, auszuprobieren, zu experimentieren. Ich habe den Eindruck, daß oft das Gegenteil der Fall ist. Schüler, die zu viele Fragen stellen, gelten eher als unbequem."

Hinzu komme auch, so Liam, daß viele Künstler im Land verständlicherweise eher nach Sicherheit strebten und deshalb weniger wagemutig seien. Eine Einschränkung muß aber auch er machen:

"Wissen Sie, für einen Thai versteht es sich von selbst, aber einem Ausländer gegenüber sollte man es doch noch einmal erwähnen: selbstverständlich ist die Königliche Familie tabu und auch die Religion setzt Grenzen."

Die Aufgabe der Künstler beschreibt er so:

"Junge Künstler müssen heute sehen, welche Trends in der Kunst weltweit angesagt sind. Kunst ist heute Teil unseres wechselvollen Alltagslebens. Sie ist unverzichtbarer Bestandteil einer Kultur eines Landes und seiner Menschen, und Künstler sind nun einmal deren Trendsetter."

Was für Pattaya gelte, träfe allerdings nicht für Bangkok zu, so Liam weiter. Dort würde er schon von einer eigenständigen Kunstszene sprechen wollen.

"Sehen Sie, da gibt es zum Beispiel unter den jüngeren Künstlern Leute wie Natee Utarit, der sich in erster Linie abstrakt äußert, oder auch Thaweesak Srithongdee, dessen Feld die Pop Art ist. Und schließlich Warawoot Intorn, der sich eher expressionistisch gibt. Unter den Älteren ragen sicherlich die beiden Surrealisten Thawan Dachanee und Chalermchai Kositpipat heraus, während Vasan Sitthiket sich in seinen Werken eher der politischen Kommentierung verschrieben hat."

Ich bin beschämt! Während Liam ihre Namen heraussprudelt, ohne auch nur im Geringsten darüber nachzudenken, ist mir nicht einer der genannten Namen auch nur im Entferntesten geläufig.

Ausschnitt aus dem Ölbild
Ausschnitt aus dem Ölbild "Casting the net" (100x120cm) des 1967 geborenen Vietnamesen Pham Hong Son.

"Natürlich ist Bangkok nicht mit dem europäischen oder amerikanischen Markt vergleichbar, aber es gibt erste viel versprechende Ansätze. Geben Sie dem Land noch mehr Zeit, und auch die thailändische Kunst wird sich mehr und mehr emanzipieren!"

Ich hätte Liam J O’Keeffe Ayudhkij noch stundenlang zuhören können, aber ich hatte ihn schon viel zu lange aufgehalten. Zum Abschied überreichte er mir noch einen von Steven Pettifor herausgegebenen, voluminösen Bildband mit dem Titel "Flavours – Thai Contemporary Art" aus dem Jahr 2003, den der agile Geschäftsmann seinerzeit finanziert hatte.* Er zeigt ausschließlich Werke von Künstlern der thailändischen modernen Gegenwartskunst.

Mit dem dritten und letzten Teil endet meine Suche nach einer eigenständigen Kunstszene in Pattaya. Was es offensichtlich in Bangkok schon in weit größerem Maße gibt, fristet in Pattaya noch eher ein bescheidenes Dasein. Die Contemporary Modern Art steht in der Stadt noch ganz am Anfang. Für ihre weitere Entwicklung fehlt es ihr noch weitgehend an Protagonisten, wie zum Beispiel den Brüdern Suttikasem. Daran zu arbeiten, braucht es noch viel Enthusiasmus und einen langen Atem. Und, machen wir uns nichts vor, ohne das Geld von Sponsoren und ohne eine breite interessierte Öffentlichkeit ist alles Bemühen hoffnungslos. In einem Umfeld, das den Mut und das Engagement von Avantgardisten nicht mitträgt, kann nichts Experimentelles entstehen. Thailand als Land ist ein "developing system", seine Gesellschaft noch in der Entwicklung begriffen. Eine Bevölkerungsgesamtzahl von 65 Mio. Menschen sollte mehr Individualisten hervorbringen, als gegenwärtig bekannt, die ihren Empfindungen über ihr Umfeld und ihren Eindrücken aus dem Alltagsleben mit modernen künstlerischen Mitteln Ausdruck verleihen!

Neben engagierten Idealisten, wie Alan Kirkland-Roath, und Künstlern, wie den Brüdern Suttikasem, bedarf es nicht zuletzt vieler weiterer Sponsoren, die einer modernen thailändischen Gegenwartskunst eine Chance geben. Es bedarf vor allem aber auch einer Aufgeschlossenheit und Bereitschaft in der Politik, wie sie im Augenblick durch Pattayas ambitionierten jungen Bürgermeister Khun Itthipol Khunpeum verkörpert wird, den Künstlern Mut zu machen, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Der Ankauf und die öffentliche Präsentation von Gegenwartkunst in städtischen Behörden wäre eine der vielen Möglichkeiten aktiver Unterstützung.

Darüber hinaus ist es für Pattaya ein besonderer Glücksfall, daß die Stadt über genügend Locations verfügt, wo Kunst an besonderen Orten präsentiert werden könnte, an denen das besondere Ambiente die eigentliche Attraktion darstellt, und Kunst quasi als Zugabe mitgeliefert wird. Ich denke da nicht nur an die großen internationalen Hotels, die Theaterfoyers des "Tiffany" oder "Alcazar", sondern zum Beispiel auch an die eleganten Einkaufszentren der Stadt, den Pattaya Floating Market oder gar an die "Pattaya Exhibition and Convention Hall" (PEACH). Überall auf der Welt gibt es Kunstmessen, ultimative Anlaufstellen für Sammler zeitgenössischer Kunst in Museumsqualität. Am 22. April wird die diesjährige "Art Cologne", neben der "Art Basel" eine der wichtigsten europäischen Leistungsschauen, ihre Tore öffnen. Im Oktober wird die "ArtSingapore" nachziehen. Die "London Art Fair" 2009 zählte in diesem Jahr allein insgesamt 21.700 Besucher. Wie wäre es denn einmal mit einer "ArtThailand" im PEACH in Pattaya. Illusorisch? Wer nicht an Wunder glaubt, der ist kein Realist!

Ein kurzer Abstecher nach Singapur ermöglichte mir den Blick über den thailändischen Zaun hinaus auf die asiatische Dimension meiner Fragestellung. Ein Besuch in der "Ode to Art"-Galerie im Raff les City Shopping Centre, die sich der Contemporary Asian Art verschrieben hat, wurde deutlich, daß man in anderen asiatischen Ländern bereits einen Schritt weiter ist, als in Thailand. Was in der dortigen Galerie an koreanischer, vietnamesischer und selbst chinesischer Kunst gezeigt wurde, läßt aufhorchen! Auch die Werke von Künstlern aus Singapur reflektieren deren moderne kosmopolitische Ausrichtung. Trotz einer eigenen asiatischen Note waren sie höchst experimentell sowohl in der Anwendung der unterschiedlichen Techniken, als auch der bildnerischen Darstellung und der damit verbundenen künstlerischen Mittel.

Alan Kirkland-Roath wird wohl Ende des Monats seine "Gallery Opium" schließen. Nach vier Jahren Pionierarbeit in Sachen Contemporary Modern Art in Pattaya möchte er sich mit 62 Jahren noch einmal voll und ganz seiner Kunst als "Watercolour Artist" widmen. Seine Expertise würde er gerne Interessenten zur Verfügung stellen, die seine Arbeit fortsetzen möchten. Ob es dafür allerdings Bedarf gibt, wird sich zeigen.

Den Brüdern Vasin und Wasan Suttikasem kann man zu ihrem eingeschlagenen Weg, sich auch der modernen Gegenwartskunst zu öffnen, nur viel Erfolg wünschen und das nötige Durchhaltevermögen, sich auch von Rückschlagen nicht entmutigen zu lassen.

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