Neulich, am Strand: Der Weihnachtsmann

Neulich, am Strand: Der Weihnachtsmann

Wir sitzen am Strand und gehen, als einzige seriöse Rentner weit und breit, unserer Betätigung nach - dem Nichtstun. Da kommt der Weihnachtsmann die Promenade herunter gelaufen. Man sieht es ihm an, dass er schwer am Tragen ist. Der Sack, über die Schulter geworfen, ist prallgefüllt und muss für den alten Mann erdrückend sein.

Hinzu kommt, dass er auch nicht gerade das passende Outfit für 32 Grad im Schatten trägt. Der Schweiß rinnt ihm über das Gesicht in den schwallenden Bart, die rote Kutte ist durchgeschwitzt und aufgeweicht. Wenigstens hat er unter seinem Bart die ersten zwei Knöpfe seines Mantels aufgemacht. Aber Erleichterung verschafft es ihm eigentlich nicht. Zu dem wenig erfrischenden Luftzug kommt, dass nun die Haare vom Bart auf der Brust kitzeln, und das mag er sowieso nicht.

„Hallo Nikolaus“, begrüßen wir den alten Mann. „Hast du uns etwas mitgebracht?“, wollen wir gleich wissen. „Ja, natürlich. Für brave Leute habe ich immer etwas dabei. Ich weiß nur gerade nicht, ob ihr da auch dazu gehört. Lasst mich mal im dicken Buch nachschauen“, seine Augenbrauen zieht er bedrohlich zusammen, während er uns alle der Reihe nach mustert. Er stellt seinen schweren Sack uns vor die Füße, macht ihn auf und kramt seinen dicken „Schinken“ heraus. In diesem hat er das Jahr über alle guten und schlechten Taten der Rentner in Thailand verzeichnet. „Wer bist du denn?“, will er vom Ersten wissen. „Ich glaube, ich kenne dich noch vom letzten Jahr“, misstrauisch beäugt der Nikolaus sein Gegenüber. Der wird rot im Gesicht. Verlegenheit beschleicht ihn. Die aufgeräumte Stimmung in der Runde ist dahin. Die anderen Rentner treten unauffällig etwas zurück. So steht der Angesprochene vor dem Nikolaus, wie ein Schulbube vor dem Lehrer. Der Nikolaus schaut noch einmal zur Bestätigung. „Ach, ja. Jetzt kommt es mir wieder in den Sinn. Du warst doch der, der mir meine Mütze klauen wollte, um zu sehen, ob ich eine Glatze habe“, donnert er los. Entsetzen bei meinem Kollegen. Dass er das nicht schon längst vergessen hat? Scheiße. „Ja, schon, aber da war ich besoffen“, entschuldigt sich dieser. „Also gut, dann lassen wir die 5 gerade sein. Hier hast du einen Apfel“, er sucht im Sack einen Apfel hervor und gibt ihn dem „Schulbuben“. „Mir kannst du das Obst in flüssiger Form geben. Am besten destilliert“, drängt sich nun der Nächste vor. „Das würde dir so passen. Wenn du dich totsäufst, kannst du aus dem Grab deine Schulden nicht zurückzahlen“, entgegnet Nikolaus seinem Kunden. Gelächter rundherum. Er bekommt eine Orange.

Bescherung

„Warum ist denn dein Sack so schwer? Willst du nicht einfach den bei uns lassen und Feierabend machen?“, schlage ich dem Chlaus vor. Und gerade, wie ich es gesagt habe, glaube ich gesehen zu haben, dass sich etwas im Sack drin bewegt hat. „Was hast du denn sonst noch so alles da drin?“, will ich nun wissen. „Nee. Mit Feierabend ist noch lange nichts. Meine Tour geht rauf bis in den Isaan. Aber du hast Recht. Ich glaube, ich lasse mal alles Überflüssige da. Der Rest geht dich nix an“, antwortet er. Mühsam klaubt der Rotmann Stück für Stück aus seinem Jutesack. Äpfel, Orangen, Mandarinen, Nüsse, ein Sandwich für sich selbst gedacht, einige Biere, eine Flasche Korn, es will nicht enden. „Hier, könnt ihr alles haben“, lacht er uns zu. Wir können unser Glück kaum fassen. In unserm Alter kommt der Weihnachtsmann zu uns und beschenkt uns, wie die kleinen Kinder. „Ich mag die dauernde Schlepperei mit dem Sack nicht mehr“, erklärt er.

Ich nehme einen Zettel auf, der beim Herauslesen des Sackinhalts herausgefallen ist. Es ist sein Busticket in den Isaan. „Das wirst du aber noch brauchen“, halte ich dem Nikolaus seinen Fahrschein hin. „Oh, du bist ein guter Mensch. Was hätte ich getan, wenn ich den verloren hätte. Dafür hast du aber einen Wunsch frei“, freut er sich. Wie er das gesagt hat, bewegt sich der eigentlich fast leere Sack schon wieder. Ohne weiteres Zögern schnappe ich den Jutebeutel am Bodenende und ziehe sie in die Höhe. Und was kommt da zum Vorschein? Zu unser aller Verblüffung pellt sich da eine bildhübsche Thai-Lady aus ihrer ungemütlichen Lage. „Ho, hoo. Deshalb hast du schwer zu tragen“, belustigt sich mein eben noch gescholtener Kumpel. „Einmal im Jahr ein bisschen arbeiten und dann ab in den Isaan mit einem hübschen Mädel“, zieht er den Chlaus auf. „Du hast aber nur eine Fahrkarte in den Isaan“, gebe ich zu Bedenken. „Na, im Sack drin, wäre sie unter Gepäck gelaufen“, lacht der Nikolaus. Ein Gaudi macht sich breit. „Also, komm. Wir teilen uns die Dinge hier. Die Säufer bekommen das Bier und den Schnaps“, beginne ich den Gabenhaufen auseinander zu nehmen. „Ihr da bekommt die Früchte und den Rest des Fressbaren und der Nikolaus sein Buch und den leeren Jutesack!“, mache ich weiter. Noch bevor der Nikolaus protestieren kann, erinnere ich ihn an sein Versprechen. „Und ich habe ja einen Wunsch frei von dir. Also wünsche ich mir Weihnachten mit diesem Christkindel“, und zeige auf die Holde, die eigentlich der Nikolaus für sich reserviert hatte. Das Christkindel hängt sich mir an die Schulter. „Ja, was geht denn hier ab?“, ärgert sich der Nikolaus. Wutentbrannt schleudert er seine Mütze auf den Boden. Und nun können wir sie alle sehen - die Glatze des Nikolaus. „Jetzt musst du auch den schweren Sack nicht mehr in den Isaan schleppen“, tröste ich ihn. „So gesehen, kannst du auch zufrieden sein, wie wir alle.“ Alle lachen, selbst der glatzköpfige Weihnachtsmann.

So habe ich mir die Begegnung mit dem Nikolaus in Thailand immer gewünscht.

Schöne Weihnachten wünscht Khun Ten

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Tom Beringer 30.12.16 15:31
Was ist denn aus der Alten des Schreibers geworden ? Ist sie glücklich entkommen ? Ein Thai-Mädchen im Sack ? OMG.
Jack Norbert Kurt Leupi 18.12.16 11:29
Weihnachtsmann
Ja, ja ,lieber "Samichlaus " ! Wie alle Jahre wieder ,werden wir auf unserer Suche nach dem Grossen und Ausserordentlichen auf das Unscheinbare und Kleine hingewiesen ! Gut ist in Pattaya das ganze Jahr "Weihnacht", wir freuen uns täglich am "Christkindlmarkt" in der Walkingstreet ! " Da leuchten die Kerzen und wecken Freude im Herzen " !