Neulich, am Strand: Der liebe Nachbar

Neulich, am Strand: Der liebe Nachbar

Es gibt Leute, die ziehen das Unglück nur so an. Kein Missgeschick lassen sie aus und blamieren sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Nichts, was ihnen nicht passieren würde. Mich wundert es manchmal nur, dass solche Menschen nicht schon viel früher sich selbst unbeabsichtigt aus dem Leben entfernt haben und ein Erwachsenenalter erreichen konnten.

Ein solches „Exemplar“ eines Homo Sapiens (Ha, ha, sapiens?) namens Christoph, ist vor einiger Zeit eine Etage über mir eingezogen. „Ten, kannst du mir helfen?“, ängstlich schaut mich Chris an. „Was hast du denn jetzt schon wieder?“, ärgere ich mich. Zum x-ten Male steht Chris bei mir auf der Matte und klagt mir sein neuestes Leid. Das heißt, praktisch täglich holt er sich bei mir Rat, wenn wieder einmal das Kind in den Brunnen gefallen ist.

„Er sei halt ein spontaner Mensch“, hat er vor einem Monat gemeint. Als er zum ersten Mal gesehen hat, dass die Thais mit ihren Kleidern im Meer baden. Ganz spontan natürlich, rannte Christoph denen hinterher ins Wasser. Nur – die Thais nehmen ihr Geld und ihr Handy vorher aus ihren Taschen. Nicht so Chris. Er macht das erst im Nachhinein. Handy ersäuft, Geldscheine gewaschen! Oder: „Ich weiß auch nicht, warum mir immer wieder solche Dinge passieren“, als das Folgehandy von der Balkonbrüstung in der 10. Etage in den Vorplatz gefallen ist. Immerhin, bis zum harten Aufschlag unten, hat Chris aber sein Handy sorgsam behandelt. Dabei hat er noch Glück gehabt, dass er mit der Aktion nicht noch jemanden erschlagen hat. Das aktuelle Telefon ist auch bereits gezeichnet. Chris hat aus Versehen eine Bierflasche darauf abgestellt. Das Displayglas zeugt in vielen Einzelteilen davon. Drei Handys in sechs Wochen, alle Achtung! Chris kurbelt die Wirtschaft an.

Probleme eines spontanen Menschen

„Ich habe meine Schlüssel verloren“, berichtet er mit gesenktem Blick. „Schon wieder? Das hatten wir doch erst“, spüre ich wie sich mein Magen zusammenzieht. „Vermutlich in der Go-go-Bar, aber da war ich schon. Die haben meine Schlüssel nicht“, meint er entschuldigend. „Ich denke Mal, es war dieselbe Spelunke, wo du die 16.000 Baht liegengelassen hast, hä?“, spreche ich meine Gedanken offen aus. „Ja-ah! Aber das hat sich erledigt. Die eine Lady hat ja auch bei mir übernachtet. Was soll ich denn jetzt nur tun?“, verkrümelt er sich fast. „Wenn du deine Schlüssel im Dutzend auf der Straße verteilst, möglichst noch mit deiner Adresse angehängt, würde ich vielleicht das Schloss wechseln“, schlage ich ihm vor. „Gute Idee“, begeistert sich Christoph und verabschiedet sich. Drei Stunden später hat der Hausmeister das Schloss gewechselt. Da klopft es wieder an meiner Türe. Chris steht wieder da. „Der Gauner hat mir zwei Mille für das Schlosswechseln abgenommen“, empört er sich. „Deswegen kommst nun her? Um mir das zu sagen? Der hat die Spuren deiner Dummheit verwischt. Statt ihn Gauner zu nennen, solltest du ihm dankbar sein. Im Übrigen glaube ich, dass ein Trottel wie du, in die Klapse gehört. Lass mich in Ruhe.“ Mein Hals ist angeschwollen, mein Gesicht rot leuchtend.

„Bringe mir lieber meine Badetücher zurück, die du seit dem Wasserschaden bei dir ausgeliehen hast“, herrsche ich ihn an und knalle die Türe zu. Christoph, schlau wie er ist, hat wegen der Kakerlaken, die durch die Abläufe in Bad und Dusche ins Condo kommen, eben diesen Abläufen eine Ab­de­c­kung verpasst. Dass die Waschmaschine das Abwasser über den Duschablauf abführt, hat er nicht begriffen. Obwohl er noch um den Ausguss herumbasteln musste. So ist halt gekommen, wie es kommen musste. Während Chris sich in der Bar unten in der Straße mit den Mädels vergnügte, pumpte die Waschmaschine munter die verbrauchte Lauge in die Dusche. Folge: Dusche voll, Bad voll und dann halt bald auch einmal das ganze Condo. Bei mir unten bemerkbar gemacht hat sich das, als die Brühe die Wände herunter rann. Ebenso bei meinem Kollegen Hans, der neben mir wohnt. Hans dachte zuerst, der Pool leckt. Das wäre ein größeres Malheur gewesen. Doch so war Hans froh, dass es wieder nur eine Blödheit von unserem Mitbewohner war. Das ist das kleinere Übel. Gemeinsam halfen wir uns gegenseitig, unsere Behausungen aufzunehmen und auszutrocknen. Nicht ohne entsprechende Kommentare und Verwünschungen über unseren Typen von da oben. Und, kaum dass wir fertig waren, wie Hans und ich vor unseren Türen noch etwas plauderten, kam da auch der angeheiterte Chris, feiernd, mit einer Lady im Arm daher. Oh, Mann, mir steigt heute noch die Galle hoch, wenn ich daran denke.

„Aber die habe ich dir doch an die Klinke gehängt. Gestern. Bevor ich auf die „Pirsch“ ging.“, entgegnet Chris durch die geschlossene Türe. Ich öffne wieder und Hans, vom Knall der Türe aufgeschreckt, kommt ebenfalls heraus. Hans zu Chris: „Ach, von dir sind die Tücher. Ich dachte schon, die seien vom Haus. Warte, ich hole sie.“ „Siehst du, meine Türe findest du nur, wenn du in der Scheiße steckst“, halte ich Christoph vor. Hans kommt mit dem Stapel ordentlich zusammengelegter Badetücher. „Für die Putzerei wäre eigentlich eine Entschädigung fällig. Meinst du nicht auch, Hans?“, werfe ich auf. „Deine dauernde Nerverei sollte entschädigt sein“, zwinkere ich Hans zu.

So hocken wir, drei Pärchen, auf Einladung von Christoph, zu sechst in der Pizzeria. Wenigs­tens eine kleine Entschädigung für alles Ungemach, das wir in der letzten Zeit mit ihm gehabt haben. Die Pizza schmeckt und Chris erzählt von seinen Missgeschicken vor unserer Zeit. Würde das jemals verfilmt werden, würde ich es so betiteln: „Eine Spur der Verwüstung“.

„Und wir haben schon gedacht, dass auf deiner Etage die Luft zu dünn ist“, lachen wir. Chris lacht mit. „Fehlt nur, dass er jetzt seine Kohle verloren hat“, frotzle ich zu Hans. „Keine Sorge. Ich habe meine Kreditkarte dabei“, stolz zieht Chris seine „Silberne“ heraus und schwingt sie in der Luft. „Ober, zahlen!“, ruft er durchs Lokal, dass es alle hören können. Der Ober kommt, schaut sich die hingehaltene Karte an und schüttelt den Kopf. „Abgelaufen!“, meint er lakonisch. Chris schaut mich geschockt an. „Ten, was mache ich denn jetzt? Ich habe doch kein Bargeld dabei.“ „Weiß ich nicht. Aber der Ober soll getrennte Rechnung machen“, schlage ich vor. Hans nickt zustimmend. „Mit abgelaufener Karte auf Einladungstour, nicht schlecht“, schüttelt er den Kopf und zieht einen Schlüsselbund hervor. „Ach ja, den habe ich im Sack mit den Tüchern gefunden. Ist das dein Schlüssel, Chris?“

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Tom Beringer 10.05.17 11:47
Gähn.