Löws Turnierlehre: Festhalten an Auftakt-Elf

Dunkle Schatten in Paris

Zeigt der Bundestrainer hier Sorgen um die Sicherheit? Die Fußball Europameisterschaft in Frankreich wird mit Sicherheit einzigartig werden. Leider überschatten der IS und seine Ableger das Freundschaftsfest. Foto: epa/Laurent Dubrule
Zeigt der Bundestrainer hier Sorgen um die Sicherheit? Die Fußball Europameisterschaft in Frankreich wird mit Sicherheit einzigartig werden. Leider überschatten der IS und seine Ableger das Freundschaftsfest. Foto: epa/Laurent Dubrule

ÉVIAN-LES BAINS (dpa) - Am 13. November 2015 erleben Boateng und Co. die Pariser Terrornacht hautnah mit. Nun kehrt die deutsche Mannschaft ins Stade de France zurück. Die düsteren Erinnerungen müssen gegen Polen ausgeblendet werden. Sportlich lautet die Frage: Kehrt Hummels schon zurück?

Die Konzentration gilt Polen, aber das zweite EM-Gruppenspiel wird für die meisten deutschen Fußballer auch zu einer Konfrontation mit einer Alptraumnacht. Am Mittwochabend kehren die Weltmeister beim Abschlusstraining für das heiße sportliche Duell um den Gruppensieg in das Stade de France zurück, in dem sie vor 216 Tagen beim Länderspiel gegen den EM-Gastgeber die grausamen Terroranschläge hautnah miterlebt hatten. «Man hat das im Hinterkopf», sagte Manuel Neuer. Der Münchner stand auch am 13. November 2015 beim damals plötzlich belanglosen 0:2 im Tor.

Ein mulmiges Gefühl dürfte viele im Tross spätestens beschleichen, wenn sie jenen Kabinentrakt betreten, in dem sie vor einem halben Jahr gemeinsam mit den französischen Kollegen die gesamte Nacht ausharren mussten. «Im Moment ist das kein Thema. Wir konzentrieren uns auf das Sportliche», versicherte Jérôme Boateng noch am Dienstag im EM-Quartier in Évian-les-Bains. «Ich habe andere Sachen im Kopf als diese Geschichte», sagte auch Shkodran Mustafi, der damals wie Abwehr-Kollege Boateng dabei war und auf dem Feld die Explosionen zweier Bomben außerhalb des Stadions hören konnte.

Geschockt und beunruhigt hatten die Nationalspieler vor sieben Monaten am Morgen danach fluchtartig das EM-Land verlassen. Das gemeinsame Erlebnis bleibt in Erinnerung. «Man fühlt sich wohler, wenn man seine Kameraden um sich hat», gab Mustafi zumindest zu.

In Sorge aber sei keiner vor dem nächsten Spiel in dem Stadion, in dem die deutschen Weltmeister am 10. Juli nach dem Endspiel auch jubelnd den EM-Pokal in Händen halten wollen. Joachim Löw gab die öffentliche Marschroute frühzeitig vor. Er reise «ohne Angst» in Frankreichs Hauptstadt, hatte der Bundestrainer vor Turnierbeginn der Deutschen Presse-Agentur gesagt und angekündigt: «Ich möchte das Thema Sicherheit auch nicht mehr ständig bei der Mannschaft thematisieren.»

Gegner und Taktik müssen im Vordergrund stehen. Das Training im Stade de France soll dazu beitragen, dass spätestens am Donnerstag um 21.00 Uhr beim Anpfiff der Fokus ganz auf Polens Team mit Bayern-Torjäger Robert Lewandowski ausgerichtet ist. Es spricht dabei Einiges dafür, dass Löw dann jene elf Akteure auf den Rasen schicken wird, die auch beim 2:0 gegen die Ukraine das Startmandat erhalten hatten. Das zeigt auch Löws Turnierlehre, die bei der EM 2008, WM 2010, EM 2012 und WM 2014 jeweils hieß: «Never change a winning team.»

Seinen Siegern vom Auftakt vertraute Löw immer in der zweiten Turnierpartie. Allerdings endete sie in den bisherigen vier Fällen nur einmal erfolgreich. «Es ist wichtig, dass wir auch im zweiten Spiel einen Sieg holen», erklärte Boateng entschlossen.

Kapitän Bastian Schweinsteiger, der seinen Kurzeinsatz im Spiel gegen die Ukraine mit dem Tor zum 2:0 krönen konnte, bleibt gegen Polen weiter Teilzeitkraft. Die personelle Schlüsselfrage lautet, ob Löw schon den von einem Muskelfaserriss in der Wade genesenen Weltmeister Mats Hummels wieder in die Innenverteidigung stellt. Dafür müsste Torschütze Shkodran Mustafi weichen. «Ich bin niemand, der sich irgendetwas ausrechnet», äußerte Mustafi: «In den Momenten, wenn ich gebraucht werde, will ich einfach da sein.» Das tat Boatengs Abwehr-Nachbar nicht nur bei seinem Kopfballtor. «In der Mitte haben Mustafi und Boateng viele Zweikämpfe gewonnen», lobte Löw sein aus der Not geborenes Innenverteidigerduo.

Löw ist als Trainer ein Vertrauer. Mesut Özil, Mario Götze, Lukas Podolski: die Liste der Spieler ist lang, die sich in zehn Jahren der Rückendeckung des Bundestrainers sicher sein durften, oft auch nach schwächeren Leistungen. Auch wenn vorne das «Zwingende» noch nicht so da gewesen sei, wie Podolski am Dienstag anmerkte, dürfte Löw kaum an der Offensivbesetzung Özil, Götze, Müller, Draxler rütteln. «Wir müssen konsequenter Richtung Tor gehen», berichtete Reservemann Podolski über das, was im zweiten Turnierspiel gefordert wird.

«Wir kennen Polen sehr gut. Wir haben zweimal gegen sie gespielt», erinnerte Neuer an die EM-Qualifikation. Das Auswärtsspiel in Polen verlor die deutsche Elf 0:2, das Heimspiel wurde 3:1 gewonnen. «Wir wissen, dass es eine sehr gefährliche Mannschaft ist», mahnte Neuer.

Die voraussichtliche Aufstellung: Neuer - Höwedes, Boateng, Mustafi, Hector - Khedira, Kroos - Müller, Özil, Draxler - Götze

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