„Moment einmal, habe ich alle Unterlagen dabei?“ Dies dürfte wohl die am meisten gestellte Frage sein bei jedem, der sich auf den Weg zu einer der Behörden macht. Nicht selten teilt einem dann dort der Beamte mit, dass doch noch Unterlagen fehlen und/ oder man erfährt plötzlich, dass die Angelegenheit nun doch nicht so einfach ist, wie man sich das vorgestellt hat. Man fragt sich, wieso kann man sich nicht vorher verlässlich informieren was in einem konkreten Fall gebraucht wird? Genau diese Frage hat nun der thailändische Gesetzgeber mit einem neuen Gesetz beantwortet, welches am 21. Juli 2015 in Kraft getreten ist. Es handelt sich dabei um das „Gesetz zur Erleichterung von Beantragung von Lizenzen und Urkunden“.
Bei diesem Gesetzeswerk handelt es sich nun wirklich um ein Werk mit erheblichem Volumen und es deckt so ziemlich alle Möglichkeiten des „Verwaltungslebens“ ab. Von der Beantragung einer Arbeitsgenehmigung über die Eheschließung bis hin zur Zulassung von neuen Medikamenten. Die Motivation des Gesetzgebers war die Reduzierung des Ermessensspielraums der Behörden durch die genaue schriftliche Darlegung der Voraussetzungen für einen bestimmten Verwaltungsakt.
Beschränkung des Ermessungsspielraums der Beamten
Trotz der Regulierungswut des Gesetzgebers und dem Hintergrund, möglichst viele Lebenssachverhalte in Gesetzesform zu packen, ist dies schlicht unmöglich. Tritt nun ein Lebenssachverhalt ein, welcher vom Gesetzgeber nicht berücksichtigt wurde, muss der Beamte im Rahmen seines Ermessensspielraums den Sachverhalt lösen. Das Problem in Thailand ist, dass in vielen Fällen dem Ermessensspielraum des Beamten keine gesetzlichen Grenzen gesetzt sind und die Ausübung durch den Beamten nicht gerichtlich überprüfbar ist. Mit einfachen Worten: Wenn der Beamte der Meinung ist, dass heute Donnerstag ist, obwohl alle wissen, dass Freitag ist, so muss man sich erst einmal damit abfinden, dass nun doch Donnerstag ist. Da die Kreativität der Beamten so bunt wie das Leben ist, verpflichtet das neue Gesetz nun die Schaffung von Handbüchern/ Leitfäden, in denen genau dargelegt wird, wie das Verfahren für jeden Verwaltungsakt zu erfolgen hat, für den die entsprechende Behörde zuständig ist. Die Worte dieser Handbücher sind in Stein gemeißelt. Das bedeutet, dass diesen Verfahrensabläufen explizit zu folgen ist und eine Abweichung nicht erlaubt ist, bzw. nicht gestattet ist. Eine Abweichung würde sofort den Weg zu den Verwaltungsgerichten eröffnen.
Regulierung des Verwaltungslebens
Schreibt das Handbuch bei einem Standesamt im Falle der Eheschließung vor, dass die Eheleute die Dokumente 1.) bis 5.) vorlegen müssen, darf der Standesbeamte nicht nach einem Dokument 6.) fragen. Dem Standesbeamten ist es auch nicht erlaubt, zunächst die Dokumente 1.) bis 5.) anzunehmen und nach dann erfolgter Prüfung zu einem späteren Zeitpunkt noch das Dokument 6.) zu verlangen. Stichwort „späterer Zeitpunkt“. Wir alle wissen, dass Zeit in Thailand relativ ist und das weiß auch der Gesetzgeber. Damit die Prüfung von Unterlagen zeitlich akzeptabel bleibt, muss der Beamte seine Prüfung innerhalb von sieben Werktagen abgeschlossen haben. Sollte der Beamte es nicht schaffen, die Prüfung innerhalb dieses Zeitraums abzuschließen, muss er schriftlich darlegen, warum er es nicht geschafft hat und dies solange, bis die Prüfung abgeschlossen ist. Das interessante dabei ist, dass eine Abschrift dieser schriftlichen Stellungnahme jedes Mal an die Kommission zur Verbesserung der öffentlichen Verwaltung geschickt werden muss, eine Behörde, die dem Büro des Premierministers unterstellt ist. Der Gesetzgeber ist der Meinung, dass ein Beamter nicht dadurch auffallen will, dass er durch schleppende Bearbeitung auffällt, was wiederum in seiner Personalakte vermerkt wird und den Beförderungsprozess verlangsamt. Doch damit nicht genug. Das Gesetz regelt weiterhin, dass der Beamte persönlich haftbar gemacht werden kann, wenn die verzögerte Bearbeitung des Beamten kausal zu einem konkreten Schaden geführt hat. Der einzige gesetzliche Haftungsausschluss für einen Beamten ist höhere Gewalt. Doch nach Schaffung dieser Schadensersatzgrundlage bleiben Fragen offen, da das Gesetz nicht regelt, wie der Schaden kalkuliert wird und wer genau für den Schadensersatz anspruchsberechtigt ist. Das Gesetz regelt auch nicht den Verfahrensweg für einen solchen Schadensersatzanspruch, wobei man wohl davon ausgehen muss, dass die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte begründet wäre.
Da wir alle nicht perfekt sind, kann es natürlich auch vorkommen, dass der Antragsteller nicht alle Unterlagen dabei hat und dies kann man dem Beamten nicht anlasten. Der Beamte hat dann die Pflicht, den Antragsteller unverzüglich auf das fehlende Dokument oder auf den Fehler im Antrag hinzuweisen. Sollte ein fehlendes Dokument nicht schnell beigebracht werden, wird eine Frist gesetzt, in welcher gehandelt werden muss. Verpasst der Antragssteller die Frist durch eigenes Verschulden, muss der Beamte einen entsprechenden Bericht verfassen.
Bisher keine Anzeichen für „Superbehörden“
Ein weiteres Schlüsselelement des neuen Gesetzes ist die Möglichkeit, sogenannte „Superbehörden“ einzurichten. Bei diesem könnten alle denkbaren Verwaltungsakte beantragt werden. Am Schalter 1 eine Eheschließung und am Schalter 2 die Zulassung eines neuen Medikaments in Thailand. Traumhafte Zustände, allerdings gibt es noch keine Anzeichen, solche Superbehörden in naher Zukunft zu eröffnen. Dennoch soll damit eine effiziente Behördenverwaltung aufgebaut werden und der Antragsteller soll sich sicher sein, dass sein Antrag erfolgreich ist und kann dann seine weitere Planung darauf aufbauen. In manchen Ausführungen zum neuen Gesetzeswerk spricht man auch von der gläsernen Behörde und einem weiteren Ansatz, die Korruption in Behörden zu bekämpfen. Wie immer bleibt natürlich abzuwarten, wie sich das neue Gesetz in der Praxis auswirkt und da noch nicht viele Handbücher im Umlauf sind, besteht die Gefahr, dass diese Handbücher den markanten Satz, „...und andere Unterlagen, welche nach Meinung des Beamten erforderlich sind“, enthält. Dann wären wir wieder am Ausgangspunkt, aber da damit das Gesetz zur Makulatur gemacht werden würde, ist eine solche Formulierung wohl eher unwahrscheinlich.
Zusammengefasst ist es ein gutes Gesetz und die Verschlankung der thailändischen Verwaltung bei gleichzeitiger Steigerung der Effizienz wäre ein erheblicher Pluspunkt für Thailand.
Über den Autor dieser Kolumne Der deutsche Rechtsanwalt Markus Klemm, zugelassen am Landgericht Stuttgart, schreibt die FARANG-Rechtsberatungs-Kolumne. Zusammen mit Amnat Thiengtham ist er gleichberechtigter Geschäftsführer der Kanzlei Asia LawWorks an der Thepprasit Road in Pattaya, welche auf der Anwaltsliste der deutschen Botschaft aufgeführt ist. Immer wieder geraten Residenten in Streitangelegenheiten mit rechtlichen Folgen. DER FARANG möchte mit dieser Kolumne aufklären, um das Leben in Thailand leichter zu gestalten. Die Law Lounge-Kolumne ersetzt jedoch keine persönliche Beratung. Ebenfalls erfolgt keine Rechtsberatung per Telefon! Rechtsanwalt Klemm kann per E-Mail: talk2us@asialawworks.com oder telefonisch unter +66 38 411 591 kontaktiert werden. |