Harte Hand gegen Separatisten

Foto: epa/Juan Carlos Hidalgo
Foto: epa/Juan Carlos Hidalgo

MADRID (dpa) - Im Konflikt um die Unabhängigkeitsbestrebungen in Katalonien greift der spanische Regierungschef Mariano Rajoy mit harter Hand durch. Mit ruhiger, aber resoluter Stimme kündigte der Ministerpräsident am Samstag die Absetzung der separatistischen Regionalregierung in Barcelona sowie die Ausrufung von Neuwahlen zum Regionalparlament innerhalb von sechs Monaten an. «Das war weder unser Wunsch noch unsere Absicht, aber wir wurden dazu gezwungen», sagte Rajoy. Die Gegenseite habe das «wohl so gewollt».

Der amtierende katalanische Präsident Carles Puigdemont hüllte sich zunächst in Schweigen. Erst gegen 2100 Uhr (MESZ) werde er sich äußern, teilte die Regionalregierung in Barcelona mit. Für den Abend hatten die Separatisten in Barcelona schon vor einigen Tagen zu einer Protestdemo gegen Madrid aufgerufen. Bei der Zurückweisung des Ultimatums am Donnerstag hatte Puigdemont angekündigt, dass er die Anwendung des Artikels 155 zum Anlass nehmen könnte, die Unabhängigkeit zu erklären.

Die Zentralregierung in Madrid muss ihre Maßnahmepläne zunächst dem Senat zur Billigung vorlegen. Das «grüne Licht» gilt aber als Formsache, da Rajoys konservative Volkspartei (PP) in der zweiten Kammer des Parlaments über eine ausreichende Mehrheit der Sitze verfügt. Die Abstimmung im Senat wird wahrscheinlich am nächsten Freitag stattfinden.

Vor der Bekanntgabe der Zwangsmaßnahmen - die in dieser Schärfe nicht unbedingt erwartet worden waren - schien ganz Spanien stundenlang den Atem anzuhalten. Viele TV-Sender berichteten schon früh live aus dem Madrider Regierungssitz Palacio de la Moncloa, in Cafés blickten die Menschen aufgeregt und nervös zu TV-Schirmen, sogar mehr noch als vor einem entscheidenden Fußball-Topspiel.

Nach einem gut zweistündigen außerordentlichen Treffen des Ministerrats trat Rajoy vor die Presse und betonte, der katalanische Präsident Puigdemont werde bei den Neuwahlen zum Regionalparlament nicht antreten und auch keine Kandidaten vorschlagen können. Die jetzt vorgeschlagenen Maßnahmen bedeuteten aber auf keinen Fall die Aussetzung der Autonomie und der Selbstverwaltung Kataloniens, so der konservative Regierungschef.

Rajoy reagiert mit den Zwangsmaßnahmen auf die Weigerung von Puigdemont, am vorigen Donnerstag ein Ultimatum zu erfüllen und das Streben nach Unabhängigkeit zu beenden. Verhandlungsangebote der Gegenseite schlug er erneut ab. Keine Regierung dürfe akzeptieren, «dass das Gesetz verletzt und ignoriert wird», sagte Rajoy.

Die Regierung Puigdemonts hatte am 1. Oktober ungeachtet eines Verbots durch das Verfassungsgericht und gegen den Willen Madrids ein «verbindliches Referendum» über die Unabhängigkeit abgehalten. Rund 90 Prozent der Teilnehmer stimmten für eine Abspaltung von Spanien. Die Wahlbeteiligung lag allerdings nur bei etwas mehr als 40 Prozent. Madrid sprach unter anderem von einem «Putsch».

Rechtliche Grundlage der Absetzungspläne ist Verfassungsartikel 155, der bisher in Spanien nie zur Anwendung gekommen war. Rajoy hatte am Freitag am Rande des EU-Gipfels in Brüssel gesagt, die Maßnahmen seien mit zwei der drei stärksten Oppositionsparteien abgesprochen worden. Politiker der sozialdemokratischen PSOE und der liberalen Partei Ciudadanos, mit denen das Vorgehen abgestimmt wurde, hatten kurz zuvor Ende Januar als möglichen Wahltermin genannt.

Neben dem Urnengang, mit dem Madrid die Hoffnung auf einen Sieg der Unionisten verbindet, nannte Rajoy als weitere Hauptziele der Zwangsmaßnahmen die Wiederherstellung der Rechtmäßigkeit und des friedlichen Zusammenlebens in Katalonien sowie die Aufrechterhaltung des Wirtschaftswachstums.

Seine Regierung hatte am Freitagabend auch Rückendeckung vom spanischen König Felipe VI. erhalten. Der König bezeichnete die katalanischen Loslösungspläne als «inakzeptabel». Mit Hilfe «seiner rechtmäßigen demokratischen Institutionen» werde Spanien den Konflikt lösen, sagte er im nordspanischen Oviedo bei der Verleihung der Prinzessin-von-Asturien-Preise. Katalonien sei ein Teil Spaniens und werde es auch in Zukunft bleiben.

Nach der Bekanntgabe Rajoys gab es aber nicht nur Zustimmung in Spanien. Der linke Politiker Pablo Echenique zeigte sich schockiert. Er kritisierte: «Die Demokratie in Katalonien wurde außer Kraft gesetzt. Nicht nur in Katalonien, in ganz Spanien.» Echenique gilt als eine der wichtigsten Figuren der linken Partei Podemos, der drittstärksten Kraft im Madrider Parlament. Beobachter äußerten derweil Bedenken, wie die Regierung Rajoys Katalonien in den nächsten Monaten «von Madrid aus» zu verwalten gedenke.

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aurel aurelis 22.10.17 13:51
Zwergstaaten
haben wir in Europa genug, vor allem auch in Deutschland. Mehr Zwergstaaten führen zu noch mehr Politikern. Sei wollen auf Kosten der Arbeitenden leben.
Kein Wunder, dass der linke Politiker Pablo Echenique dafür ist, arbeiten wäre doch anstrengend!