Ein Thai namens Henry Widler

Aus einem Ferienerlebnis wurde ein Leben als Hotelier und Unternehmer

Henry Widler: Schweizer Name, in der Schweiz geboren, doch seit sieben Jahren Thailänder.
Henry Widler: Schweizer Name, in der Schweiz geboren, doch seit sieben Jahren Thailänder.

Ganze 20 Jahre hat der Auslandsschweizer Henry Widler zwischen Bangkok, Pattaya und Phuket Hotels geleitet, eröffnet, gekauft, gemanagt und zusammengeführt. Er tat dies auf eine Art und Weise, dass ihm die Ehre zuteil wurde, die thailändische Staatsbürgerschaft angeboten zu erhalten.

Seit sieben Jahren versetzt er jeweils beim Einreisen in die Schweiz die Zöllner am Flughafen Kloten in Erstaunen. In seinem Thai-Pass ist sein Schweizer Namen zu lesen: Henry Widler.

„Do you speak German, fragen sie dann etwas unsicher“, lacht Widler. „Und wenn ich auf Schweizerdeutsch antworte, nimmt ihr Staunen kein Ende.“

Der 50-jährige hat inzwischen mehr als die Hälfte seines Lebens in Thailand verbracht. „Alles begann Mitte der 70er Jahre mit harmlosen Thailand-Ferien zusammen mit meinen Eltern“, so Widler. „Damals wünschte ich mir am Strand, in diesem Hotel eines Tages Direktor zu werden. Damit ich in aller Ruhe abends den Sonnenuntergang bewundern kann.“

Nach dem Abschluss der Hotelfachschule in Lausanne arbeitete Widler als Bell Boy in einem Mövenpick-Hotel in der Schweiz. „Pro Tag erhielt ich bis 150 Franken Trinkgelder“, erinnert sich Widler fast wehmütig an die guten Zeiten.

So waren Taschengeld und Ticket für Thailand schnell zusammengespart. In der Tasche hatte er einen Arbeitsvertrag als Food & Beverage-Manager, wie die Einkaufschefs in den Hotels genannt werden. Doch daraus wurde nichts. Der 24-jährige musste im damaligen Royal Garden Hotel mit 300 Zimmern sogleich als Resident Manager, also als stellvertretender Direktor, einspringen.

Das grösste Managementproblem am damals noch idyllischen Tropenstrand Pattaya, so Widler, bestand in der Tochter des thailändischen Hotel-Besitzers.

„Zierlich gewachsen und äusserst gepflegt, mit einem US-Uniabschluss in der Tasche, war sie resolut und launisch, wenn auch nur wenige Jahre älter als ich“, erinnert sich der gestandene Hotelier.

„Jedes Wochenende kam sie zur Inspektion aus Bangkok angereist und machte Dampf. Da sie im Gegensatz zu den Landesgepflogenheiten einen sehr aufbrausenden Charakter besass, schmiss sie dabei schon mal einen Aschenbecher nach den Mitarbeitern“, sagt Widler.

Ihm bescherte diese wilde Führungskultur eine Sieben-Tages-Woche. Deshalb wechselte er nach einem Jahr nach Phuket, als damals jüngster Hoteldirektor im Land.

In der Schweiz wären ihm solche Chancen nie angeboten worden, sagt Widler. „Stammte man hierzulande nicht aus einer Hoteliersfamilie mit eigenem Betrieb, musste man seine Herausforderungen fast zwangsläufig im Ausland suchen.“

Aus den Herausforderungen sind inzwischen feste Besitzstände geworden. Heute betreut er auf Phuket drei Resorts in Eigenbesitz oder als Beteiligungen, und vier Betriebe mit einem Marketingmandat.

Da Thailand keine Doppelbürgerschaft vorsieht, musste er vor sieben Jahren, als er Thai wurde, seinen roten Pass abgeben. Den ihm seither auferlegten Visumzwang seitens der Schweiz umgeht er mit einem Drei-Jahres-Visum.

Bevor er die Thai-Staatsbürgerschaft erhielt, musste er einen Sprachtest bestehen, die Geschichte des Königreichs Siam büffeln, die Flagge erklären – und zu einer vorgespielten Melodie die Landeshymne laut vorsingen können. Zuletzt hatte er einen Schwur auf die Monarchie und das Land abzulegen.

Seit er Thai ist, bekommt er die Diskriminierung beim Reisen nach Europa, in die USA und nach Japan am eigenen Leib zu spüren: „Ein Einreise-Visum in die Erste Welt ist nicht einfach zu erhalten, auch für Geschäftsreisende nicht“,weiss Widler.

Kommt Widler jeweils in die Schweiz zurück, fällt ihm in erster Linie das viel bunter gewordene Völkergemisch auf – eine Entwicklung, der er nicht nur Positives abgewinnen kann.

In zweiter Linie fällt ihm auf, dass aus seiner asiatischen Sicht die Kinder im Strassenbild fehlen. Wobei es sein könnte, vermutet Widler, dass die beiden Phänomene miteinander zu tun haben.

Da er die politischen Debatten in der Schweiz weiterhin verfolgt, fällt ihm die Altertümlichkeit der Schweiz in Sachen Familienpolitik auf. Auch bei den Auseinandersetzungen um die Schulpolitik kann er nur den Kopf schütteln.

„Den Streit, ob nun Französisch oder Englisch als erste Fremdsprache gelehrt wird, finde ich lächerlich“, urteilt er aus der abgeklärten Distanz des Ostens. „Die West- und die Deutschschweizer sollen lieber Englisch miteinander sprechen als gar nicht.“

Als weiterhin positiv jedoch schätzt er die geordnet gebliebenen Infrastrukturen im Land: „Die Schweiz macht immer noch den Anschein eines sichereren Landes“, sagt Widler. „Zumindest auf den ersten Blick“, fügt er vorsichtig hinzu.


Schweizer Pioniere

Alois X. Fassbind (Foto) war nicht nur ein angesehener Hotelier. Er hat sich als „Mr. Pattaya“ und grosszügiger Sponsor einen Namen gemacht.
Alois X. Fassbind (Foto) war nicht nur ein angesehener Hotelier. Er hat sich als „Mr. Pattaya“ und grosszügiger Sponsor einen Namen gemacht.
Das Tourismusland Thailand hat schon früh Schweizer Hotel- und Tourismuspioniere angezogen. So konnte Henry Widler in Thailand selbst auf gewichtige Schweizer Branchenvorbilder zurückgreifen. Dazu gehörte der inzwischen verstorbene Hotelier Alois X. Fassbind vom Royal Cliff Beach Resort in Pattaya. Zu den Pionieren zählt ebenso Kurt Rufli. Der gebürtige Züricher ist Geschäftsführer von Amari Hotels und Resorts, einer im Jahr 1965 gegründeten Vier-Sterne-Hotel-Gruppe.
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