Ein Schweizer auf Samui und sein Leben

Wie Thomas Messerli (55) seit 16 Jahren eine Existenz als Auswanderer auf der Insel bestreitet

In seinem Lokal ist er der Boss. Nicht Kaiser von China, aber König im „Tommys“. Thomas Messerli (Mitte) mit Martin Stulz und Wolfgang Pfeifer (rechts).          Foto: sg
In seinem Lokal ist er der Boss. Nicht Kaiser von China, aber König im „Tommys“. Thomas Messerli (Mitte) mit Martin Stulz und Wolfgang Pfeifer (rechts). Foto: sg

Die Berner Alpen sieht Thomas „Tommy“ Messerli (55) täglich. Als Patriot hat sich der Schweizer das Panorama der Heimat hinter den Tresen seiner Kneipe gehängt. Wenn er von seinem Arbeitsplatz nach draußen blickt, sieht das Bild anders aus. Palmen wiegen sich im Wind, auf der kleinen Betonstraße knattert ein Asiate auf einem qualmenden Zweitakt-Moped vorbei, in der Küche hacken fröhlich schnatternd zwei Thai­frauen Gemüse. Vor 16 Jahren kehrte Tommy dem Kanton Bern den Rücken. Seither lebt er als Gastronom auf der Insel Koh Samui.

Ein Eidgenosse auf einer 230 Quadratkilometer-Insel im Chinesischen Meer, 650 Kilometer südlich von Bangkok, wie passt das? Antwort - Tommy „passt“ auf Koh Samui, auch wenn das Leben im Paradies nicht immer leicht fiel. Messerli ist ein Gemütsmensch. Sein Markenzeichen: Er ist fast immer oben ohne unterwegs. Ein T-Shirt oder Hemd trägt er nur, wenn es ihn außer Haus treibt. Ungewollt demonstriert er so den Hauptgrund seines Auswanderns. Nie wieder vor Kälte zittern.

Der Chef ist hierder Junge für alles

Die meiste Zeit verbringt Messerli im „Tommy’s“ in der Soi 4 im Strandort Maenam. Der leidenschaftliche Biker versammelt gerne Gleichgesinnte am Stammtisch seines Lokals. Tommy war Gründungsmitglied des Motorradclubs „Sunriders“ auf Koh Samui. Einmal in der Woche donnern er und seine Freunde mit ihren schweren Motorrädern um die Insel. Tommys Thai-Ehefrau Wad (39) steht in der kleinen Küche und brutzelt eidgenössische Spezialitäten ebenso routiniert wie asiatische Gerichte.

Weshalb Tommy nicht sein Leben in der Hängematte genießt, hat einen Grund. Auch ein Auswanderer in Thailand muss von etwas leben, wenn er nicht dem Steuerzahler in der Heimat auf der Tasche liegen will. 16-Stunden-Arbeitstage sind in der Hochsaison zwischen Dezember und Mai Standard. Tommy ist in seinem Revier der Junge für alles. Chef-Ober, Chefkassierer, Unterhalter und Kummerkasten für die überwiegend deutschsprachigen Kunden. Sein Konzept: ein bisschen Kneipe, ein bisschen Wohnzimmer, jede Menge Heimatgefühl.

Tommy hat sich von Beginn an für eine legale Existenz in Thailand entschieden. Das ist nicht einfach und nicht billig. Allein die Firmenkosten und Arbeitsbewilligung sowie Aufwendungen für den Steuerberater fressen monatlich so viel auf, wie ein durchschnittlicher Thailänder verdient. Etwa 8.000 Baht – etwa 250 Schweizer Franken. Die Miete fürs Lokal ist noch nicht einkalkuliert. In Thailand ist das schwerverdientes Geld.

Als Messerli 1998 zunächst sein kleines Gästehaus „Koreng 2“ am Strand von Maenam eröffnete, stellte er schnell fest, dass er als Ausländer toleriert, aber nicht geliebt wurde. „Alle Regeln bestimmen die Insulaner. Du musst dich daran halten“, sagt Tommy. „Keinen Streit mit Thais anfangen, bei Konflikten höflich bleiben, nur ja nicht gegen die Etikette des Gastgeberlandes verstoßen.“

Tommy hat oft auf die Zähne beißen müssen und gelernt, sein Temperament zu zügeln. „Wenn dein Hausvermieter sagt, die Musik ist zu laut oder angetrunkene Gäste machen Alarm, dann musst du das abstellen“, erklärt er. „Trittst du den falschen Personen auf die Füße, hast du hier schnell verspielt und kannst die Insel verlassen.“ Echte thailändische Freunde hat er bis heute nicht gefunden.

Samui hat sich auch zum Guten verändert

Seit seiner Ankunft 1998 hat sich die verträumte Urlaubsinsel mächtig verändert. „Früher konnte man blind über die Straße gehen und hörte das Auto kommen. Heute stehe ich minutenlang an derselben Kreuzung und komme wegen des Verkehrs gar nicht raus.“ Tommy erinnert sich an die Zeit, als er mit der Kaffeemaschine nur tagsüber frischen Bohnenkaffee kochen konnte. „Am Abend reichte die Stromspannung nicht mehr“, schmunzelt Tommy.

Stromausfälle gibt’s auf Koh Samui auch heute noch, wenngleich nicht mehr täglich. Wer Geld benötigt, läuft wenige Meter zum nächsten ATM-Automaten. Einkaufscenter und europäische Spezialitäten-Anbieter versorgen die Insel mit allem, wovon die alten Auswanderer nur träumen konnten: Essiggurken, Wurstaufschnitt, frische Baguettes und Schwarzbrot, importierte Biere und Weine. „Das ist angenehm“, gibt Tommy zu. „Früher muss­ten wir uns jedes Stück Käse mitbringen lassen.“

Deutschsprachige Urlauber werden rar

Leider hat sich auch das Konsumverhalten der Touristen geändert. Das Geld sitzt nicht mehr locker, und deutschsprachige Besucher werden rar. Auf Koh Samui im Jahr 2013 haben andere Sprachen die Vorherrschaft übernommen: Russisch, französisch, chinesisch und koreanisch. Die Thai-Regierung hat mit gezielten Werbemaßnahmen in Asien einen Strukturwandel herbeigeführt, den nicht alle begrüßen.

„Früher war der Urlauber oft männlich, alleinreisend, hatte Geld in der Tasche und gab das bei uns aus“, sagt Tommy. An dessen Stelle sind Familien getreten, junge Budget-Touristen und Pauschalurlauber mit abgezählter Urlaubskasse. Tommy nennt sie scherzhaft „Rappen-Spalter“. Das Bier kaufen sie in den zahlreichen Seven-Eleven-Märkten, gegessen wird billig an der Straße.

Vor allem im Sommer ist es schwer geworden, Geld zu verdienen. Deutsche und Schweizer ziehen den Winter als Reisezeit vor. Das spüren Lokale wie das „Tommys“. Sie leben nicht von der Anonymität großer Touristenströme, sondern von der persönlichen Beziehung zum Gast.

Trotzdem sieht Thomas Messerli im August 2013 glücklich aus. Fröhlich prostet er Freunden zu, die bereits mittags bei ihm sitzen. „Koh Samui hat sich verändert, aber sein Charme ist geblieben“, resümiert der Berner. „Viele verlieben sich noch heute in die Insel. Ich kann sie verstehen.“

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