Alltag ohne Normalität - Houston nach Hurrikan «Harvey»

Foto: epa/Tannen Maury
Foto: epa/Tannen Maury

HOUSTON (dpa) - Im texanischen Houston geht es für viele Menschen nach dem Sturm «Harvey» zurück an die Arbeit. Von Normalität kann aber keine Rede sein. Tausende sind noch obdachlos, eine gewisse Ohnmacht bleibt. Ablenkung bietet der Sport.

Es war eine der schrecklichsten Wochen in der Geschichte Houstons. Am Wochenende konnte das Baseball-Team der Stadt seinen Fans wenigstens einen sportlichen Grund zum Jubeln geben. Die Mannschaft der Houston Astros gewann mehrere Spiele im heimischen Stadion gegen die New York Mets. Währenddessen machten sich Hausbesitzer, Bauarbeiter und Freiwillige daran, Zehntausende von Hurrikan «Harvey» beschädigte Häuser auf Vordermann zu bringen.

Nachdem der Tropensturm die Stadt und ihr Umland fünf Tage mit rekordverdächtigem Regen und großflächigen Überschwemmungen verwüstet hatte, nahmen die Flughäfen Houstons am Freitag wieder ihren Betrieb auf. Auch viele Geschäfte und Restaurants öffneten wieder die Türen. Städtische Angestellte sollen am Dienstag zurück zur Arbeit kommen, wie Bürgermeister Sylvester Turner ankündigte. «Die Stadt Houston ist wieder für Kundschaft geöffnet», sagte er am Sonntag.

Die Baseball-Spiele halfen dabei, Kunden in die Geschäfte zu holen. Von einer «beachtliche Zahl» an Gästen berichtete etwa Chris Vanderslice. Der 36-Jährige ist Geschäftsführer eines nahe am Stadion gelegenen Restaurants. «Es schien, als seien die Leute froh gewesen, rauszukommen und ihre Mannschaft zu unterstützen.»

Zwar habe keiner seiner Mitarbeiter wegen des Sturms sein Zuhause verloren, aber das Hochwasser mache den Weg zur Arbeit schwierig. «Alle versuchen zu kommen, wenn es geht», erklärte Vanderslice. «Ich habe den Eindruck, dass die meisten versuchen, es positiv zu sehen - sie versuchen aus der schlimmsten Situation das Beste zu machen.»

Direkt außerhalb des Stadions hoffte Fahrradtaxi-Fahrer Jonathan Wagner auf Kundschaft unter den rund 32.000 Baseball-Fans. Einnahmen in Höhe einiger Hundert Dollar seien ihm durch die Lappen gegangen, als Sportveranstaltungen in der vorherigen Woche abgesagt wurden.

Während «Houstonians» wie Wagner und Vanderslice wieder an der Arbeit sind, helfen andere freiwillig den Tausenden, die der Sturm obdachlos gemacht hat. Eine von ihnen ist Tena Peterson. Die texanische Nationalgarde rettete die 54-Jährige aus ihrem überfluteten Zuhause. Seitdem ist sie in einer Notunterkunft untergebracht.

Dort habe es Probleme wegen Drogengeschichten und Prügeleien gegeben, erzählt Peterson. Inzwischen hätten die Behörden die Lage aber besser unter Kontrolle. Die Bewohner der Unterkunft sollten den Freiwilligen, die unter anderem Essen verteilen, dankbarer für deren Hilfe sein, sagt Peterson. «Wir alle erleben einmal harte Zeiten.»

Andere Bewohner Houstons würden gerne wieder ihrem Job nachgehen, aber ihr Weg zum Arbeitsplatz ist noch blockiert. Der aus New York stammende Buchhalter Rodolfo Rubio zum Beispiel muss noch darauf warten, dass das Wasser abfließt, bis er in sein Büro zurück kann.

Obwohl er Fan der New York Mets ist, gönnt der 28-jährige Rubio den Houston-Fans den Erfolg der Spiele vom Wochenende. Der Sport biete den gebeutelten Houstonians Ablenkung - die Astros stehen in der aktuellen Saison ganz oben in der Liga. Es sei etwas eigenartig gewesen, beim Spiel am Sonntag dabei zu sein, sagte Rubio. Immerhin litten noch viele Menschen unter den Folgen des Sturms. «Aber Baseball gibt den Menschen etwas, auf das sie sich freuen können.»

Auch Pete Bennett, ein Bäcker in Houstons Stadtzentrum, spürte noch deutlich die Auswirkungen von «Harvey», als er seinen Laden am Freitag wieder öffnete. Es sei ein surreales Erlebnis mit den Bildern von der Flut im Kopf zur Arbeit zu fahren. «Ich glaube, jeder versucht, zum Alltag zurückzukehren, aber die Menschen sind immer noch aufgewühlt. Ich denke, wir sind noch alle benommen.»

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